Der Umgang mit Videospielen ist für viele Eltern eine große Herausforderung, auch weil der Markt mittlerweile sehr unübersichtlich ist und auf jedem technischen Gerät gespielt werden kann.
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Irgendwann, wenn man auf dem Spielplatz, beim Warten auf die Kinder vor der Schule oder wo auch immer beim Plausch mit anderen Eltern, auf das Thema des eigenen Berufs kommt, fällt garantiert die Frage: "Sag, du als Experte – was ist das Beste für Kinder beim Thema Videospielen?" Dann kommt der Moment der Wahrheit: Ich spiele, seit ich selbst ein Kind bin, habe Jahrzehnte meiner Freizeit und meines Berufslebens dem Medium Games gewidmet, habe zwei Kinder, im Volksschul- und im Gymnasiumsalter – und trotzdem keine einfache Antwort auf diese Frage parat.

Wie viel Videospiel ist für mein Kind okay, welche Games soll man erlauben, und ab wann ist es zu viel? Der Umgang mit "Medienzeit", also auch inklusive Fernsehkonsum, und speziell mit dem interaktiven Medium Games ist ein brisantes Thema. Dass ich "als Experte" selbst ungern definitive, endgültige Antworten auf diese Fragen gebe, hat einen banalen Grund: Einerseits sind Kinder sehr individuell – und zum anderen ändert sich das Medium Videospiele im Zeitraffer. Keine Ahnung, ob ich "alles richtig" mache. Mit anderen Worten: Ob mein Umgang mit dem Videospielverhalten meiner Kinder sinnvoll gewesen ist, wird sich erst im Nachhinein herausstellen.

Keine einfachen Antworten

Verständlich, dass besonders jene Eltern von diesen ausweichenden Antworten enttäuscht sind, die sich selbst am liebsten gar nicht mit Videospielen beschäftigen würden. Sie suchen nach klaren Regeln: so und so lang pro Woche, diese Liste von zehn pädagogisch wertvollen Spielen, diese Alarmzeichen, jene Gefahren. Die Wissenschaft und die Theorie hinken hier allerdings eindeutig der sich wahnsinnig schnell entwickelnden Welt der digitalen Unterhaltung hinterher.

Bis aussagekräftige entwicklungspsychologische Studien zum objektiv empfehlenswerten Umgang von Kindern und Jugendlichen mit Games verfügbar sind, hat sich deren Welt vermutlich schon wieder mehrfach verändert. Der seit Anbeginn des Mediums immer wieder mit wechselnder Ernsthaftigkeit behauptete und wissenschaftlich inzwischen entkräftete Verdacht, Games würden ihre Konsumentinnen und Konsumenten "gewalttätig" machen, wird nur noch von stur auf ihren Vorurteilen sitzenden Gestrigen ernst genommen. Die heutzutage dafür aber real alles dominierenden Herausforderungen und Gefahren von Social-Mobile-Games, Lootboxen, Mikrotransaktionen und Gacha-Mechaniken gibt es im Gegensatz dazu zum Beispiel erst seit etwa fünf bis zehn Jahren; auf Forschungen zu langfristigen Effekten und Gefahren wird man wohl noch länger warten müssen.

Drei Tipps

Auch wenn ich keine allgemeingültige Antwort auf die Frage geben kann, wie viel Videospiel für Kinder am besten ist: Drei Tipps lassen sich guten Gewissens formulieren. Mein allererster in dieser Hinsicht gefällt Eltern, die nach einfachen Ratschlägen suchen, vermutlich am wenigsten. Gerade bei jüngeren Kindern, im Volksschulalter oder darunter, sollte man sich als Elternteil einfach die Zeit nehmen, das einem selbst vielleicht fremde Medium gemeinsam mit dem Kind zu entdecken. Am Tablet gemeinsam ein Suchspiel wie "Hidden Folks" oder "Under Leaves" – das geht schon mit ganz Kleinen und macht wegen Animationen und Musik mehr Spaß als im Wimmelbilderbuch.

Mit dem damals Achtjährigen auf dem Sofa ein Koop-Spiel wie "Super Mario", "Rayman" oder "Unravel", mit der vier Jahre jüngeren Tochter ein Adventure wie "Machinarium" oder "Botanicula", die beiden mit der Omi gemeinsam ein Match-Three auf dem Tablet – an viele dieser gemeinsamen Spielmomente erinnert man sich auch später gern zurück. Irgendwann kann man sein Kind auch mit dem elektronischen Spielgerät allein lassen, aber als elektronischer Babysitter sind Videospiele zumindest eine Zeitlang genauso fragwürdig wie der gute alte Fernseher.

Geld ausgeben!

Ein zweiter Tipp, der oft auf Unverständnis stößt: Es zahlt sich aus, für Videospiele Geld auszugeben. Das Missverständnis, dass es ohnehin so viele kostenlose Games gebe und man "für so etwas" sicher nichts bezahlen würde, ist hartnäckig und fatal. Kostenlose Games, von Spielen auf Smartphones und Tablets bis hin zu den riesigen F2P-Blockbustern wie "Fortnite", "Genshin Impact" und Co, unterscheiden sich nämlich grundlegend von "klassischen" Spielen, die ich kaufen muss. Free-to-play-Games auf dem Handy – von "Candy Crush" über "Subway Surfers" bis hin zu "Clash of Clans" – sind von Psychologen und Gamedesignern genau ausgetüftelte Frustrationsmaschinen, die ihr Publikum letztlich mit allen Tricks zum Geldausgeben bringen wollen, oder aber voll mit Werbung, die unter Umständen nichts für Kinder ist.

Die großen Live-Service-Riesen auf Konsole und PC wiederum locken mit optionalen Käufen, Battle-Passes und anderen Sammelmechaniken, die haarscharf am nicht umsonst streng reglementierten Glücksspiel vorbeischrammen. Wer seinem Kind ein relativ "klassisches" Videospielerlebnis ohne diese Fallstricke erlauben möchte, sollte das Geld für eine neue oder aber auch schon ältere Konsole und geeignete Spiele dafür in die Hand nehmen – oder zumindest auf Handy und Tablet "Premium"-Spiele zum im Vergleich dazu ohnehin winzigen Preis kaufen. Es zahlt sich aus: Wer als Erwachsener vom Medium Videospiel bisher nur das trost- und kostenlose Angebot kennt, darf sich von der Qualität von Spielen ohne dauernden Kaufanreiz überraschen lassen.

An Spielen wie "Fortnite" kommt man fast nicht vorbei, wenn das eigene Kind ins Teenageralter kommt.
Epic Games

Wie viel ist zu viel?

Der letzte Tipp ist besonders heikel, weil hier die Individualität des Kinds besonders wichtig ist. Die manchmal geäußerte Faustregel "Zehn Minuten Medienzeit pro Lebensjahr am Tag" wird manchen zu viel sein, anderen zu wenig; wichtiger ist allerdings die Spielauswahl, die zum Alter des Kindes und zur jeweils festgesetzten Dauer passen sollte. Ja, "Minecraft" ist ein tolles Spiel, das auch pädagogisch wertvoll ist; wer es kennt, weiß aber auch, dass es sich denkbar schlecht zur Portionierung in Spielzeithäppchen eignet. Dann schon lieber ein Spiel, das in einzelnen Levels daherkommt und dem Kind so auch einen sinnvollen Abschluss der Spielzeit ermöglicht.

Mein Tipp also: Spiele aussuchen, die zum gewählten Zeitbudget passen und deshalb ohne (oder zumindest mit weniger) Protest beendet werden können. Dasselbe gilt natürlich für alle Spiele, die online mit Freundinnen und Freunden stattfinden – für diesen Fall ist übrigens die Einrichtung einer zumindest anfangs elternkuratierten Onlinespielrunde empfehlenswert; dann muss man sich auch um noch einmal heiklere Gefahren wie Onlinegrooming oder Bullying keine Gedanken machen.

Früher oder später – meist früher, als einem lieb ist – wird einem als Elternteil der Luxus der Entscheidung, was das eigene Kind spielt, ohnehin abgenommen, denn dann zählt viel mehr, was die Freundinnen und Freunde spielen. Mit einem gewissen Ausmaß an "Brawl Stars" und "Fortnite" im Spielkonsum seiner Kinder muss man sich vermutlich auch als "Experte" abfinden.

Videospiele, so viel ist zumindest sicher, sind ein Medium, mit dem unsere Kinder auf die eine oder andere Weise umzugehen lernen müssen. Sich auch als Eltern mit ihnen zu beschäftigen und daraus abgeleitet sinnvolle Rahmenbedingungen zu setzen ist eine der großen Erziehungsaufgaben unserer Zeit. Ob ich selbst hier "alles richtig" mache? Wer weiß das schon? (Rainer Sigl, 2.3.2024)