Das Bild zeigt ein Notebook mit russischer Flagge
Russland veröffentlichte einen brisanten Mitschnitt von Gesprächen deutscher Luftwaffenoffiziere – jetzt wird der Vorfall aufgearbeitet.
Reuters/Kacper Pempel

Die Russen hören mit: Heimliche Aufzeichnungen von Gesprächen deutscher Luftwaffenoffiziere haben nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die deutsche Regierung in eine peinliche Lage gebracht. Seither besteht vor allem die Befürchtung, dass Russland noch mehr vertrauliche Gespräche abgehört haben könnte. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den Vorfall am Wochenende als "sehr ernste Angelegenheit" und versprach eine gründliche und schnelle Aufklärung, um mögliche außenpolitische Schäden zu bewerten und zu verhindern. Wie sich nun herausstellt, dürfte es sich auch um einen Fehler gehandelt haben, der leicht zu verhindern gewesen wäre.

Video: Pistorius: "Putin führt einen Informationskrieg."
AFP

Untersuchungen laufen

Wie Russland in den Besitz der Aufnahme eines Gesprächs zwischen deutschen Luftwaffenoffizieren kommen konnte, ist derzeit Gegenstand der Untersuchungen beim Militärischen Abschirmdienst. Einem Bericht von "Heise" zufolge dürfte die Unterhaltung über die Kommunikations- und Kollaborationssoftware Webex von Cisco stattgefunden haben – eine Anwendung, die offenbar regelmäßig von der Bundeswehr genutzt wird. Ohne exakte Bestätigung wies eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums gegenüber der Deutschen Presseagentur darauf hin, dass die Software für dieses Gespräch möglicherweise nicht die nötige Sicherheit bot, um die sensiblen Inhalte zu schützen. Der Aspekt werde derzeit näher untersucht. Tatsächlich gebe es bei der Bundeswehr grundsätzlich Systeme, die eine Panne wie diese verhindert hätten – warum sie nicht eingesetzt worden sind, müsse ebenfalls erst geklärt werden.

Die scheinbare Unangemessenheit des gewählten Kommunikationskanals ergibt sich aus der Brisanz des Inhalts: Das abgefangene Gespräch thematisierte mögliche Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus im Falle einer Lieferung an die Ukraine. Die Diskussion, die anscheinend ohne Kenntnis der Offiziere aufgezeichnet wurde, umfasste Überlegungen zur Notwendigkeit der Beteiligung deutscher Soldaten und zur Dauer der erforderlichen Ausbildung ukrainischer Streitkräfte für den Einsatz des Systems. Besonders kritisch war die Erwägung eines Einsatzes gegen die von Russland zur Krim gebaute Brücke, was die geopolitischen Spannungen weiter verschärfen könnte.

Gemischte Reaktionen

Die Reaktionen innerhalb Deutschlands sind jedenfalls gemischt. Während einige die Bundeswehr als Opfer eines ausgeklügelten Spionageaktes sehen, kritisieren andere die offensichtliche Nachlässigkeit im Umgang mit sensiblen Informationen. CDU-Politiker Roderich Kiesewetter bestätigte zunächst den Verdacht. "Es verdichten sich leider Hinweise, dass offensichtlich ein russischer Teilnehmer sich in die Webex eingewählt hat und das offensichtlich nicht auffiel, dass dort eine weitere Zuwahlnummer war", so Kiesewetter gegenüber der ARD. Gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit, sicherheitsrelevante Kommunikation nicht über öffentlich zugängliche Kanäle wie Webex oder Zoom abzuwickeln, und forderte in Zukunft niedrigschwellige, aber sichere Kommunikationssysteme.

In Reaktion auf diese Vorfälle hat das deutsche Verteidigungsministerium unter Leitung von Minister Boris Pistorius jedenfalls eine umfassende Überprüfung der Kommunikationsprotokolle eingeleitet, um auch festzustellen, ob zertifizierte und sichere Versionen der verwendeten Plattformen eingesetzt worden sind. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, forderte darüber hinaus eine verstärkte Schulung aller Bundeswehrangehörigen in geschützter Kommunikation und eine Intensivierung der Spionageabwehr. Bis zur endgültigen Aufklärung ist man jedenfalls bemüht, die Situation zu beruhigen: Man dürfe Wladimir Putin mit solchen Versuchen der Verunsicherung "nicht auf den Leim gehen", so der deutsche Verteidigungsminister Pistorius.

Individuelle Lösungen beim Bundesheer

Um Österreich müsse man sich diesbezüglich noch keine Sorgen machen. In einer Anfrage des STANDARD an das österreichische Bundesheer bezüglich seiner Sicherheitsmaßnahmen und des Umgangs mit Tools für Videokonferenzen betonte Hauptmann Marcel-Philipp Taschwer die ständigen Bemühungen zur Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen. Um unerlaubten Zugriff auf sensible Informationen zu verhindern, setzt das Bundesheer auf intern entwickelte und speziell angepasste Lösungen, "die strengen Sicherheitsstandards entsprechen".

Die individuellen Lösungen werden kontinuierlich aktualisiert und überwacht, um den neuesten Bedrohungen standzuhalten. Um Daten- und Spionageangriffe zu verhindern, kommen mehrschichtige Sicherheitsmaßnahmen zum Einsatz, darunter "abhörsichere Verschlüsselungstechnologien, Zugriffskontrollen und regelmäßige Sicherheitsaudits". Zusätzlich wird das Personal regelmäßig in Sicherheitsprotokollen geschult. Taschwer betont zudem einen umfassenden Leitfaden für den sicheren Umgang mit Kommunikationstools. Dieser umfasse Richtlinien für die Nutzung von Software, aber auch den Umgang mit sensiblen Informationen. (bbr, 4.3.2024)