Hohe Inflation hin oder her: Österreichs Wirtschaft schlägt sich unterm Strich ganz wacker, und der Arbeitsmarkt bleibt solide. Wer wollte, konnte in den vergangenen Monaten, die von einer Rekordinflation geprägt waren, Trost in diesen Gedanken finden. Doch damit scheint es nun vorbei zu sein. Die Zahl der ernüchternden wirtschaftspolitischen Nachrichten nimmt auch hierzulande zu. Bereits am Freitag ließ das AMS mit den neuen Arbeitslosenzahlen aufhorchen. Weniger weil die Lage insgesamt so bedenklich wäre – aber der deutliche Anstieg bei der Arbeitslosigkeit von Menschen unter 25 sticht doch hervor.

Zu Wochenbeginn die nächste Hiobsbotschaft: Gabriel Felbermayr, Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), verkündete in der ZiB 2, dass die bisherigen Prognosen seines Instituts für Österreichs Wirtschaftswachstum 2024 nicht mehr halten werden. Bisher sagte das Wifo für heuer nur ein mageres Plus von 0,9 Prozent voraus. Nun dürfte es noch weniger werden. Die hohen Zinsen lähmen Investitionen, dazu kommt eine schwache Nachfrage in anderen Volkswirtschaften, insbesondere Deutschland.

Etwas Abhilfe schaffen wird das Bauprogramm der Regierung: Wie berichtet wird ja der Staat über zwei Jahre hinweg 2,2 Milliarden Euro zusätzlich in Bauwirtschaft investieren. Darauf hatten sich ÖVP und Grüne vergangene Woche verständigt. Neben einem Zuschuss für Sanierungsarbeiten wird es auch Geld für 20.000 zusätzliche Wohnungen im gemeinnützigen Wohnbau geben, 5000 Wohnungen sollen saniert werden. Investitionen in die Bauwirtschaft gelten als besonders konjunkturfördernd, weil die Leistungen meist im Inland zugekauft werden, also ein geringerer Teil des Geldes ins Ausland abfließt. Dazu kommt, dass viele der zusätzlichen Ausgaben Private dazu animieren sollen, ihrerseits Investitionen vorzuziehen. Wer seine Badezimmerfliesen immer schon erneuern wollte, hat nun einen Anreiz, nicht länger zu warten.

Video: Regierung verkündet weitere Details zum Baupaket
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Dachdecker bei der Arbeit: Auch das Baunebengewerbe, zu dem diese gehören, leidet unter der Flaute am Bau.
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Aber was bewirkt die angekündigte Bauoffensive?

Die Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung, ein privates Innsbrucker Unternehmen, das auf wirtschaftspolitische Analysen spezialisiert ist, hat für den STANDARD eine erste Folgenabschätzung durchgeführt. Dazu wurde eine Analyse erstellt, wie sich die höheren Ausgaben für die Bauwirtschaft auf Beschäftigung und Wertschöpfung auswirken. Bei solchen Modellrechnungen greifen Ökonomen auf Erfahrungswerte zurück. Ergebnis: Jede Milliarde, die zusätzlich vom Staat in den heimischen Bausektor investiert wird, generiert um die 9600 zusätzliche Jobs (Vollzeit). Demnach würde das Zwei-Milliarden-Paket etwas mehr als 19.000 neue Jobs schaffen – wobei die höhere staatliche Nachfrage vor allem dem Bausektor zugutekommt, aber auch in anderen Bereichen wie im Handel und in der Gastronomie zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, so Ökonom Stefan Haigner, der mit seinem Team die Berechnung erstellte.

Auch beim Wifo heißt es, das Baupaket werde einen Anschub für die Wirtschaft liefern, auf eine Größenordnung will man sich allerdings dort noch nicht festlegen. Wirtschaftsminister Martin Kocher sagte am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten, er erwarte sich ebenfalls einen raschen Konjunkturimpuls von den zusätzlichen Ausgaben.

Wie sieht es überhaupt aus am Bau – lässt sich die Krise dort schon festmachen? Die klare Antwort lautet: Ja. Sowohl am Arbeitsmarkt als auch bei der Bauleistung sind die Spuren der Abschwächung sichtbar. Der mit Abstand größte Bereich der Bauwirtschaft ist das Baunebengewerbe, dazu gehören alle vorbereitenden und nachgelagerten Arbeiten, etwa von Dachdeckern, Glasern, Fliesenlegern, Installateuren. Beinahe zwei Drittel aller Beschäftigten im Bausektor arbeiten im Baunebengewerbe.

Berechtigte Staatshilfe?

Hoch- und Tiefbau hatten im dritten Quartal 2023 einen massiven Einbruch zu verzeichnen: Die Produktionsleistung im Hochbau lag beispielsweise um 8,5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Im Baunebengewerbe war zwar zur selben Zeit nominell noch ein Wachstum zu verzeichnen. Real, also unter Einbeziehung der stark gestiegenen Baupreise, ist die Produktion aber auch hier Ende 2023 schon deutlich rückläufig gewesen. Der Wifo Ökonom Michael Klien sagt zudem, dass das Baunebengewerbe traditionell verspätet von den Turbulenzen getroffen werde.

Wie sieht es am Arbeitsmarkt aus? Die Arbeitslosenquote in der Bauwirtschaft sagt aktuell nicht viel aus: Jeder fünfte Beschäftigte am Bau ist derzeit arbeitslos gemeldet. Das liegt an der Jahreszeit. Im Winter stehen viele Baustellen still, im Frühling geht es wieder los. Interessant ist die Entwicklung: Dabei zeigt sich, dass sowohl an den Arbeitslosen- als auch an den Beschäftigtenzahlen die Krise schon ablesbar ist.

Im Jahresverlauf 2023 waren im Bausektor rund 289.000 unselbstständig Beschäftigte verzeichnet worden. Dies entspricht sieben Prozent aller Beschäftigten im Land. Die Beschäftigung ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, und zwar um 0,2 Prozent. Gesamtwirtschaftlich legte sie im selben Zeitraum um 1,1 Prozent zu. Die Arbeitslosigkeit am Bau stieg im Jahresabstand spürbar um 6,3 Prozent. Allerdings fällt dieses Plus kleiner aus als der Gesamtanstieg der Arbeitslosigkeit, der bei 8,8 Prozent lag. Insgesamt sind 51.000 Menschen am Bau beim AMS gemeldet.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt überhaupt, dass die Krise relativ ist. Die Beschäftigung liegt aktuell unter den Werten von 2022 und 2023, aber über dem Niveau von 2021. Ähnlich verhält es sich bei Arbeitslosenzahlen. Ist es da abgesehen von konjunkturellen Gesichtspunkten überhaupt vertretbar, zusätzlich Steuergeld für den Bausektor auszugeben? Ist das nicht nur ein normaler Abschwung nach einem Boom? Wifo-Ökonom Klien sagt dazu: Sollte der Staat nicht gegensteuern, drohen viele Bauunternehmen einzugehen. Das unterbreche bestehende Lieferketten und erprobte Geschäftsbeziehungen, weshalb Kapazitäten längerfristig verloren gehen könnten. In Deutschland sei in den 1990er-Jahren genau das geschehen – der Bauleistung deutscher Unternehmen schade das bis heute. (András Szigetvari, Sarah Kirchgatterer, 5.3.2024)