Karoline Edtstadler
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Wien – Nach dem kürzlich bekanntgewordenen Missbrauchsskandal unter teils strafunmündigen Jugendlichen in Wien hat Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bekräftigt, dass man unter anderen Punkten auch über eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters reden müsse. "Ich erlaube mir, trotz gewisser Sachkenntnis (als Ex-Richterin, Anm.), keine abschließende Beurteilung vor Einbindung aller Stakeholder", sagte sie in Richtung Experten, die die Überlegung bereits kritisierten.

"Ich kenne es aus meiner früheren Tätigkeit als Richterin, dass man manchmal gar nix tun kann", sagte Edtstadler. "Es braucht ein Bündel an Maßnahmen." Dabei gehöre auch die Absenkung des Strafalters überlegt. "Wir schauen uns verschiedene Modelle an und reden mit denen, die mit solchen Fällen zu tun haben, und das sind die Polizisten." Die Ministerin stört sich daran, dass "reflexartig, bei der Einleitung von Schritten, sofort eine Ablehnung kommt".

Video: Strafmündigkeit - Edtstadler versteht reflexartige Ablehnung nicht.
APA

Vergleich mit anderen europäischen Ländern

Edtstadler sprach am Rande einer Pressekonferenz in Wien von einem "zutiefst schockierenden Fall". Daher werde mit dem Innenminister eine Verschärfung des Jugendstrafrechts angedacht. "Nach so einem Verbrechen kann man nicht zur Tagesordnung übergehen, daher arbeiten wir Vorschläge aus, wie man in Zukunft mit derartigen Fällen umgehen kann."

Immer wieder verübten unter 14-Jährige schwere Verbrechen, so Edtstadler. In manchen Ländern Europas liege die Strafmündigkeit unter dem Alter, das in Österreich gilt. Aufgezählt wurden von der Ministerin Irland (13), Großbritannien (13) und die Schweiz (zehn Jahre).

Gewaltvideos brauchen Warnhinweise

Edtstadler betonte aber, dass es nicht nur um das Alter gehe: "Die Strafmündigkeit ist das eine." Aber beispielsweise im Internet gebe es "frei zugängliche Gewaltvideos, die keine Warnhinweise haben". Also brauche es einen "gesamtheitlichen Zugang und Überlegungen, wie wir dem entgegenwirken, mehr Transparenz schaffen, die Eltern einbeziehen". Dazu stehe man mit einem Kanon aus Expertinnen und Experten in Kontakt und werde auch informieren, wenn es Treffen oder Ergebnisse gebe.

Dass die 17 Wiener Tatverdächtigen auf freiem Fuß sind, sogar jene Mitglieder dieser "Multikulti-Bande", die älter als 14 Jahre sind, "das versteht kein Mensch", meinte am Dienstag FPÖ-Chef Herbert Kickl. Damit führe sich die Strafjustiz selbst ad absurdum. Das Opfer müsse nun damit rechnen, ihren mutmaßlichen Peinigern jederzeit begegnen zu können, und die Familie habe sogar Angst vor deren Rache. Er erneuerte seine Forderung nach einer Herabsetzung der Straf- und Deliktsfähigkeit auf unter 14 Jahre.

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte in diesem Fall deshalb keine U-Haft-Anträge gestellt, "weil dafür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen", wie Behördensprecherin Nina Bussek am Dienstagnachmittag auf APA-Anfrage erläuterte.

Den Beschuldigten werde nicht zur Last gelegt, "dass das betroffene Mädchen von einer Gruppe männlicher Jugendlicher vergewaltigt worden ist", betonte Bussek. Ermittelt werde gegen zwölf von insgesamt 13 namentlich bekannten, strafmündigen Verdächtigen wegen des Verdachts auf schweren sexuellen Missbrauch.

Zwei weitere Verdächtige waren im Tatzeitraum – das unmündige Mädchen soll zwischen Februar 2023 bis Juni 2023 sexuellen Kontakt mit Mitgliedern der Gruppe gehabt haben – noch keine 14 Jahre alt und damit nicht strafmündig, zwei weitere konnten bisher nicht ausgeforscht werden.

Staatsanwaltschaft erklärt Rechtslage

Bei einem einzigen Jugendlichen – einem 16 Jahre alten Burschen – steht der Verdacht im Raum, dass er das Mädchen mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt haben könnte. Die Staatsanwaltschaft nimmt da aber keinen dringenden Tatverdacht an. Ein solcher wäre aber für die Verhängung einer U-Haft von Gesetzes wegen zwingend erforderlich.

Überdies darf bei Jugendlichen U-Haft nur dann verhängt werden, "wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und zu der zu erwartenden Strafe steht", wie es im Gesetz heißt.

Der Übergriff, der dem 16-Jährigen vorgeworfen wird, soll außerdem im April stattgefunden haben und damit elf Monate her sein. Jetzt eine Inhaftierung des Jugendlichen zu fordern, wäre insofern irritierend, weil der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr kaum anzunehmen wäre. Hinweise, dass der Bursch seit vergangenem April ein strafbares Verhalten gesetzt hätte, liegen nämlich nicht vor.

Obwohl im konkreten Fall der Verdacht in Richtung sexuellen Missbrauchs einer Unmündigen insofern nicht von der Hand zu weisen ist, weil auch einvernehmlicher sexueller Kontakt zwischen einer Person unter 14 mit einem bzw. einer über 14-Jährigen diesen Tatbestand erfüllt, dürfte es hinsichtlich der 13 Tatverdächtigen deutliche Abstufungen geben, was den Unrechtsgehalt der Tat betrifft. Bei einigen soll der intime Kontakt vergleichsweise oberflächlich, bei anderen intensiver gewesen sein. (APA, 5.3.2024)