Superstar Beyoncé veröffentlicht Ende März ein Country-Album – auf ihre Art. Das stellt Vertreter des als konservativ geltenden Fachs vor eine Toleranzprüfung, die jetzt schon nicht alle bestehen.
Superstar Beyoncé veröffentlicht Ende März ein Country-Album – auf ihre Art. Das stellt Vertreter des als konservativ geltenden Fachs vor eine Toleranzprüfung, die jetzt schon nicht alle bestehen.
Sony Pictures

Zwar saß Beyoncé auf dem Cover ihres letzten Albums Renaissance auf einem Pferd, daraus aber eine Schwäche für Country-Music abzuleiten, wäre verwegen erschienen. Der Gaul sah aus wie dem Swarovski-Gestüt entnommen, glitzerte wie eine Discokugel – und Beyoncé war eher für ein Stangentanzlokal in einem Hinterhof von Las Vegas gekleidet als für ein zünftiges Bullenreiten.

Doch nun zeigt sich, Beyoncé, von Beruf Superstar, macht tatsächlich Country. Das kam überraschend, selbst wenn die aus Houston in Texas stammende Sängerin immer wieder herkunftsloyale Outfits trug. Im Rahmen der Super Bowl vor drei Wochen kündigte sie ein neues Album für Ende März an und veröffentlichte kurz darauf den Song Texas Hold ’Em: Banjo statt R&B. Das stiftete da und dort Verwirrung.

Beyoncé - TEXAS HOLD 'EM (Official Visualizer)
Beyoncé

Ein US-Country-Sender weigerte sich prompt, den Song zu spielen – aus Unkenntnis darüber, dass Beyoncé tatsächlich einen Country-Song veröffentlicht hat. Der Unmut der Fans ob dieses vermeintlichen Boykotts war groß, mittlerweile hat der Sender den stilistischen Schwenk zur Kenntnis genommen und mit ihm das ganze Land: Texas Hold ’Em steht an der Spitze der Country-Charts, zum ersten Mal ist damit eine Afroamerikanerin an dieser Stelle ganz oben.

Soul des weißen Mannes

Die Anekdote mit dem Countrysender folgt dem gängigen Denkmuster, nach dem Country eine weiße Musik ist. Nicht zuletzt wird das Fach als Soul des weißen Mannes beschrieben, in keinem anderen Genre können Kuhbuben auf so großes Verständnis hoffen, wenn sie gebrochenen Herzens in ihr Bier weinen, in keinem anderen Fach öffnen Männer dermaßen ihr Herz – selbst wenn sie bloß eine Mördergrube freilegen.

Abseits dieser Klischees sieht es aber anders aus. Verschiedenen Studien zufolge hört fast ein Drittel der Afroamerikaner Country-Music, öfter noch als sie Classic Rock hören. Dabei sind keine zwei Prozent der Country-Musiker schwarz. Das ist erstaunlich, weil Country viel näher an afroamerikanischer Musik und deren Einfluss gebaut ist, als oft angenommen wird.

Kulturelle Nachbarschaft

So ist das im Country hauptgemeldete Banjo afrikanischen Ursprungs; und Bill C. Malone schreibt in seinem Buch Country Music, U.S.A.: "Von allen ethnischen Gruppen hat keine eine bedeutendere Rolle dabei gespielt, dem Countrymusiker Songmaterial und Stile zu liefern, als die aus Afrika verschleppten Sklaven."

Stand by Your Man
Candi Staton - Topic

Den kulturellen Austausch zwischen weißen und schwarzen Musikern verantwortet die Nähe, in der arme Schwarze und arme Weiße miteinander – oder nebeneinander – lebten. Daraus entstand eine gegenseitige kulturelle Wahrnehmung, selbst wenn Jahrhunderte des Rassismus diese eigentlich unterbinden wollte. So kam es, dass Gründerväter und große Namen des Country ihr Handwerk von schwarzen Musikern gelernt haben.

Hank Williams, Jimmie Rodgers oder Bill Monroe trafen in ihren Biografien allesamt früh auf schwarze Musiker, die ihnen die ersten Griffe und Tricks an der Gitarre beibrachten.

Die junge Beyoncé herkunftsloyal: Texas is a state of mind.
Die junge Beyoncé, herkunftsloyal: Texas is a state of mind.
Sony Pictures

Umgekehrt war die daraus entstandenen Countrymusik in den schwarzen Communitys dauerpräsent, lediglich die Abgrenzungsbestrebungen der weißen Politik und ihrer Medien negierten diesen Einfluss. Diese Fortschreibung von Rassengrenzen samt einer eigenen Nomenklatur für schwarze Musik als "Race Music" wurde aber mit Aufkommen des Rock ’n’ Roll brüchig.

In den 1960ern erwies sich die Musik als gesellschaftliches Vorreitermodell, indem in vielen Aufnahmestudios schwarze mit weißen Musikern zusammen produzierten. Das berühmteste davon war Stax in Memphis, Tennessee, dessen Hausband aus schwarzen und weißen Musikern bestand, die dutzende nationale und internationale Hits verantworteten.

Solomon Burke - I Can't Stop Loving You (SR)
Milan Parlic

In der bei Stax und vergleichbaren Studios entstandenen Soul-Music zeigte sich der Country-Einfluss deutlich über die zum Stil passende ökonomische Spielweise. Hinzu kam, dass mit Ray Charles einer der größten Stars dieser Zeit 1962 das Album Modern Sounds in Country and Western Music veröffentlichte, auf dem er Genre-Standards ins Rhythm-and-Blues-Fach überführte und davon eine halbe Million Alben verkaufte. Über den Umweg der Musik illustrierte es die Dummheit des Rassismus – was zurzeit der Bürgerrechtsbewegung einem politischen Statement gleichkam.

Party mit dem Klan

Dazu passt eine Anekdote, die der schwarze Sänger Solomon Burke gerne erzählt hat. Er wurde in den 1960ern mit seiner Band für eine Veranstaltung des Ku-Klux-Klan gebucht, weil die Leintuchbrüder aufgrund der Countryfärbung von Burkes Musik dachten, er wäre weiß. Mit Schweißperlen auf der Stirn und der Garantie, nach dem Auftritt in Sicherheit abreisen zu können, brachte Burkes Band die Rassisten zum Tanzen.

Joe Tex - I'll Never Do You Wrong
Jemappellemathieu

Das klingt launig, doch der Weg zur Akzeptanz schwarzer Musiker im konservativen Country ist bis heute nicht zu Ende gegangen. Zwar hatte Country mit Charley Pride schon in den 1970ern einen ersten schwarzen Star, doch selbst da wurde oft darauf verzichtet, Promofotos des Musikers zu verschicken, um dem einschlägigen Publikum keine unüberwindbare Toleranzprüfung zuzumuten, wie der deutsche Black-Music-Experte Jonathan Fischer schreibt.

Fischer hat auf den Kompilationen Dirty Laundry (2004) und More Dirty Laundry (2009) die Verflechtung von Country und Soul untersucht. Das Resultat: Das eine Fach wäre nichts ohne das andere. Selbst in Afrika hört man Country: Nashville-Größe Skeeter Davis hat schon in den 1970ern bei Konzerten in Kenia an zwei Abenden 28.000 Besucher begeistert – darunter waren nur ganz wenig Weiße.

Ewig reaktionär

Doch manche Countrymusiker geben dem Fach bis heute einen reaktionären Anstrich und baden nachgerade in rassistischen Klischees. Im Zusammenhang mit Beyoncé bewies das ein gewisser John Schneider. Er verglich ihren Abstecher in den Country mit einem Hund, der überall seine Markierung hinterlassen muss.

Umso schöner ist es, Beyoncé in seinen Charts ganz oben zu wissen. Mit einem Song, den vier schwarze Musikerinnen und Musiker eingespielt haben. Nimm das, Kläffer. (Karl Fluch, 6.3.2024)