Mammut Wiedererstehung
Bis vor rund 4.000 Jahren waren die befellten Dickhäuter jenseits des Polarkreises anzutreffen. In wenigen Jahren soll das Wollhaarmammut in Gestalt eines "Mammufanten" wiedererstehen.
Colossal Biosciences

Die letzten ihrer Art starben vor etwa 4.000 Jahren aus – also etwa zu der Zeit, als die Minoer auf Kreta ihre Palastbauten errichteten. Da diese Wollhaarmammuts sehr weit im Norden lebten, hat sich ihre Erbsubstanz in diversen Überresten gut konserviert. Und so ließ sich bereits 2008 rund 70 Prozent der Erbinformation der behaarten Riesen rekonstruieren. Mittlerweile ist das Mammutgenom vervollständigt. Dabei zeigte sich unter anderem, dass der Asiatische Elefant der nächste lebende Verwandte des Wollhaarmammuts ist, bei rund 99,6-prozentiger Übereinstimmung.

20 Jahre nach den ersten Genomanalysen – also 2028 – soll das Wollhaarmammut (oder eher eine Hybrid aus Elefant und Mammut, also ein "Mammufant") wiedergeboren werden, wenn es nach den optimistischen Plänen des Harvard-Genetikpioniers George Church geht, der zu diesem Zweck im Herbst 2021 eine Firma mit passendem Namen gegründet hat: Colossal Biosciences. Seit zweieinhalb Jahren und mit gut 13 Millionen US-Dollar Startkapitel arbeitet ein Team dieser Firma in Dallas im US-Bundesstaat Texas daran, die komplexe genetische Herausforderung zu meistern, die sich nach und nach als noch komplizierter herausstellt als zunächst gedacht.

George Church
George Church (rechts) und Ben Lamm wollen mit ihrer Firma noch in diesem Jahrzehnt einen Mammufanten erzeugen. Das könnte knapp werden.
Colossal Biosciences

Erster wichtiger Meilenstein

Doch nun wurde ein erster Meilenstein verkündet, der auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär aussieht: Forschenden von Colossal Biosciences ist es gelungen, Zellen der Haut eines Asiatischen Elefanten in einen embryonalen Zustand zu versetzen. Diese sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS), die sich in alle Zelltypen eines Tieres differenzieren können, sind laut den Plänen der Firma der erste Schritt zum Vorhaben, später einmal ganze Herden asiatischer Elefanten zu züchten, die genetisch so verändert wurden, dass sie zotteliges Haar, zusätzliches Fett und andere Mammutmerkmale haben.

Dass diese Errungenschaft als großer Durchbruch verkündet wird, mag Interessierte überraschen. Denn bereits vor 18 Jahren war es dem japanischen Stammzellforscher Shin'ya Yamanaka gelungen, solche iPS aus Hautzellen von Mäusen zu züchten, wofür er 2012 den Medizin-Nobelpreis gewann. Solche iPS-Zellen wurden in den vergangenen Jahren auch für den Menschen und für eine ganze Reihe von gefährdeten Tierarten wie dem Nördlichen Breitmaulnashorn oder dem Schneeleoparden hergestellt. Doch bei Elefanten bissen sich die Fachleute viele Jahre lang die Zähne aus, ehe Churchs Team nun endlich erfolgreich war.

Die ersten iPS-Zellen von Elefanten
Die ersten iPS-Zellen von Elefanten.
Colossal Biosciences

Der Trick war, neben der Zugabe der vier sogenannten Yamanaka-Faktoren, die bei Mäusen und Menschen zu iPS führen, auch noch die Expression des Anti-Krebs-Gens TP53 zu drosseln, wie das Team um Church und Eriona Hysolli in einem noch nicht fachbegutachteten Preprint auf der Plattform Biorxiv berichtet, der am Donnerstag hochgeladen wurde.

Die nächsten gentechnischen Schritte

Laut Church werden die neuen Zelllinien jedoch dabei helfen, die genetischen Veränderungen zu identifizieren und zu untersuchen, die erforderlich sind, um den Asiatischen Elefanten die Eigenschaften eines Mammuts zu verleihen. "Wir würden sie gerne vorab testen, bevor wir sie in Elefantenbabys einsetzen", sagte Church auf Nachfrage von "Nature News". Mit seinem Team erforscht er bereits seit Jahren die genetischen Besonderheiten der Mammuts und hat rund 60 Gene entdeckt, die mit wichtigen äußeren Merkmalen und der Kälteanpassung der ausgestorbenen Tiere in Zusammenhang stehen.

Die iPS-Zellen der Elefanten könnten mittels der Gen-Schere Crispr/Cas9 entsprechend bearbeitet und dann in entsprechendes Gewebe wie Haare oder Blut umgewandelt werden. Der nächste Schritt würde dann darin bestehen, Gen-editierte iPS-Zellen in Spermien und Eizellen umzuwandeln, um Embryonen zu erzeugen, was bei Mäusen bereits gelungen ist. Es könnte auch möglich sein, iPS-Zellen direkt in lebensfähige synthetische Mammufanten-Embryonen zu verwandeln.

Forscher, die nicht an den Arbeiten beteiligt waren, sind allerdings auch hinsichtlich des ersten Meilensteins noch zurückhaltend: Sebastian Diecke etwa, Stammzellbiologe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin, würde laut "Nature News" gerne mehr Beweise dafür sehen, dass iPS-Zelllinien stabil wachsen und in verschiedene Arten von Geweben umgewandelt werden können, zum Beispiel durch die Herstellung von Gehirnorganoiden. "Es gibt noch einige Schritte, bevor wir sie als richtige iPS-Zellen bezeichnen können", sagt Diecke.

Künstliche Elefantengebärmutter

So richtig kompliziert wird es aber erst dann, wenn Church und sein Team tatsächlich darauf verzichten wollen, Asiatische Elefantenkühe als Leihmütter zu verwenden, um die Gen-editierten Embryonen auszutragen. Sein visionärer Plan sieht vielmehr vor, dafür künstliche Gebärmütter einzusetzen, die zum Teil ebenfalls aus iPS-Zellen gewonnen werden. "Wir wollen nicht in die natürliche Fortpflanzung gefährdeter Arten eingreifen", sagt Church, "also versuchen wir, die Möglichkeiten der In-vitro-Trächtigkeit zu erweitern."

Wenn auch die erste Hürde genommen sein mag: Die zahlreichen nächsten Schritte, die noch erforderlich sind, um aus einer iPS-Zelle einen mammutähnlichen Elefanten zu züchten, scheinen technologisch mindestens so herausfordernd zu sein wie dieser erste. Vermutlich werden wir uns also doch ein paar Jahre länger als bis 2028 gedulden müssen, ehe es zur haarigen Wiederauferstehung des Wollhaarmammuts kommen wird. (Klaus Taschwer, 8.3.2024)