Wien – Am Donnerstag ist gegen drei Männer erneut verhandelt worden, die im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien im Februar 2023 der Beihilfe zum Mord im Rahmen einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und dafür zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die Urteile wegen Feststellungsmängeln teilweise aufgehoben. Klären muss das Gericht nur noch, ob eine terroristische Vereinigung vorlag. Ein Urteil dürfte es am 24. April geben.

Alle drei Männer wurden im Februar vergangenen Jahres schuldig gesprochen, den späteren Attentäter im Vorfeld der Tat unterstützt zu haben. An den Schuldsprüchen wegen Beihilfe zum Mord wird sich auch nichts mehr ändern, aufgehoben wurden vom OGH aber die Verurteilungen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beziehungsweise kriminellen Organisation. Grund für die vom OGH veranlasste Neuverhandlung waren bemängelte Fehler in der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung sowie eine zu wenig konkrete Formulierung des Wahrspruchs. An der Strafhöhe könnte sich dadurch noch etwas ändern.

Befragt wurde nach den Eröffnungsplädoyers der Staatsanwältin und der Verteidiger zunächst jener 25-Jährige, der schon 2019 gemeinsam mit dem späteren Attentäter ins Kriegsgebiet des IS auswandern wollte und deshalb wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurde und in Haft saß. Nachdem er seine Strafe abgesessen hatte, habe er "versucht, ein besseres Leben zu führen", mit dem IS habe er "nichts zu tun gehabt". "Ich tu nicht wählen, das hat auch islamische Gründe", antwortete er auf die Frage des Richters, wie er zur Demokratie stehe. An Gesetze halte er sich aber. Videos – etwa von dem zu 20 Jahren verurteilten IS-Rekrutierer Mirsad O. – habe er nur jene angesehen und verbreitet, "in denen es nicht um den IS ging", und das halte er auch für unproblematisch. Dagegen, in einem Land zu leben, in dem die Scharia gelte, hätte er nichts.

Polizisten vor Gerichtssaal
Bei der Verhandlung am Donnerstag ging es um den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beziehungsweise kriminellen Organisation gegen die Beitragstäter des Wien-Attentäters.
APA/GEORG HOCHMUTH

Distanzierung zum IS

Nicht schuldig in Bezug auf alle Vorwürfen bekannte sich jener 29-Jährige, der in den Wochen vor dem Anschlag bei dem späteren Attentäter gewohnt hatte. Seine Religiosität beschrieb er als "konservativ". Auch ihm wurde die Frage nach der Demokratie gestellt: "Jede Rechtsform hat seine Vor- und Nachteile". Wählen gehe er zwar nicht, grundsätzlich dürfe man das als Muslim aber. Und: "Würde ich in Graz wohnen, würde ich wahrscheinlich Elke Kahr (Grazer Bürgermeisterin, KPÖ, Anm.) wählen." Eine Verbindung zum IS habe er nie gehabt, aber er habe sich damit auseinandergesetzt. "Ich habe viel gelesen und angeschaut." Vorgelegt wurde ihm unter anderem ein inkriminiertes Video, das er seiner Frau geschickt hatte. Wie schon mehrmals im Laufe des Prozesses betonte er, das Video nur weitergeschickt zu haben, damit sie dieses übersetzen könne.

"Ich habe keine IS-Propaganda verschickt, sondern Nasheeds (Gesänge beziehungsweise Lobpreisungen mit religiösen Inhalten, Anm.)", betonte der 23-Jährige zu Beginn seiner Einvernahme. Vom "Islamischen Staat" halte er "nicht viel". "Sie sind zweimal deshalb verurteilt worden", entgegnete dem der Richter. "Ich kann mich vom IS lossagen, aber von der Fahne (gemeint: die Schahada, das Glaubensbekenntnis des Islam, häufig auf Fahnen abgedruckt, Anm.) werde ich mich nicht lossagen", so der Angeklagte. Er habe zwar "gewisse" Videos angesehen, sich aber nicht radikalisiert, betonte er auf Nachfrage einer Geschworenen. "Ich habe nie und ich werde auch nie sagen, dass die Anschläge in Europa gerechtfertigt sind."

Schuldspruch "pickt"

In ihrem zuvor an die Geschworenen gerichteten Eingangsstatement betonte die Staatsanwältin mehrmals, dass es heute nicht mehr um die Beihilfe zum Mord gehe. Der Schuldspruch "steht fest, der pickt". Bei den drei Angeklagten handle es sich "um Mörder durch Beitrag". Die Aufgabe der Laienrichter sei es zu entscheiden, ob die drei Angeklagten auch Mitglieder der terroristischen Vereinigung beziehungsweise kriminellen Organisation "Islamischer Staat" gewesen seien. Beides sei klar mit Ja zu beantworten. Mitglieder des IS seien nicht nur jene, die selbst ins Kriegsgebiet ausreisen oder im Namen der Terrororganisation Anschläge verüben, sondern auch die, die "die Sache unterstützen" – etwa durch das Verschicken von Propagandavideos. Grund für die teilweise Aufhebung des Urteils sei, dass in den Fragen an die Geschworenen beim erstinstanzlichen Urteil die Definition des IS nicht aufgenommen und damit nicht ausreichend erklärt wurde.

Für die Geschworenen fassten sowohl Staatsanwältin als auch die drei Verteidiger dennoch zusammen, weshalb die drei Männer letztlich wegen Beihilfe zum Mord verurteilt wurden. Für die Abwicklung des Waffen- und Munitionskaufs beziehungsweise die Kontaktherstellung zum Waffenvermittler kassierte ein mittlerweile 23-Jähriger 19 Jahre Haft. Ein 25-Jähriger, der den Attentäter von Mai 2020 bis zum Tag des Anschlags im Wissen um dessen Absichten unterstützt, das Anschlagsziel mitausgesucht und Fluchtvorbereitungen getroffen haben soll, indem er gefälschte Papiere besorgte, fasste dafür 20 Jahre aus. Jener 29-Jährige, der den späteren Attentäter bis zum Tag des Anschlags zur Tatausführung bestärkt sowie die Tatwaffen samt Munition und weiteren Utensilien in der Wohnung des Attentäters vorbereitet hatte, erhielt eine lebenslange Haftstrafe. (APA, red, 7.3.2024)