Schottergarten, Nachhaltigkeit
Vor allem in Deutschland liegen Schottergärten nach wie vor im Trend – immer wieder begegnet man ihnen aber auch in Österreich. Viele erhoffen sich dadurch weniger Gartenarbeit. In der Realität ist laut Experten jedoch häufig das Gegenteil der Fall.
IMAGO/Eckhard Stengel

Ulf Soltau hat in seinem Leben schon viele Gärten gesehen. Und immer wieder haben sie ihn schockiert. Ganz besonders störe den Biologen der Schottergarten: ein Meer an kleinen Steinen im Vorgarten, zwischendrin ab und zu eine kleine Pflanze oder ein Felsbrocken, gepaart mit einem Kunst- oder Rollrasen und Thujenhecken, großer Garage, Einfahrt und Pool, alles sauber und ordentlich angelegt.

"Gärten des Grauens" nennt Soltau solche Anlagen. "Aus biologischer Sicht sind Schottergärten ein Frevel." Anstatt Raum für die Artenvielfalt zu schaffen, werde die Natur dadurch im wahrsten Sinne des Wortes "plattgemacht". "Unterhalb der vielen Steine ist der Boden irgendwann so hart wie Beton."

Dennoch seien Schottergärten unter Häuslbauern nach wie vor beliebt – vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich. Einige deutsche Bundesländer haben Schottergärten nun offiziell in der Bauordnung verboten. In Nordrhein-Westfalen haben Gemeinden seit kurzem sogar das Recht, von Grundbesitzerinnen und Grundbesitzern den Rückbau von Schotterflächen zu fordern. Die Stadt Herford hat bereits derartige Flächen per Drohne geortet – und im vergangenen Jahr 200 Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer angeschrieben, einen Rückbau durchzuführen.

Artenvielfalt schwindet

Hierzulande ist von solchen Verboten und Rückbauten noch wenig die Rede. "Die Frage, wie wir mit unseren Gärten künftig umgehen, kommt aber auch auf uns immer mehr zu", sagt Anna Keutgen, Leiterin des Instituts für Gartenbau an der Universität für Bodenkultur Wien. Denn in Zeiten, in denen die Artenvielfalt auf dem Land durch die industrielle Landwirtschaft immer weiter zurückgeht, seien Gärten und Siedlungsräume zu besonders wichtigen Rückzugsorten für die Natur geworden.

Rückzugsräume, wie sie Schottergärten, aber auch fein geschnittene Rasenflächen eher weniger bieten. Bei Schottergärten werde unter dem Schotter meist ein Unkrautvlies ausgelegt, das kein oder kaum Wasser durchlasse. "Das führt dazu, dass es an solchen Orten viel schneller zu Überschwemmungen kommt", sagt Keutgen. Zudem sei der Austausch zwischen Bodenlebewesen und oberirdisch lebenden Tieren gehemmt.

Hitzeinseln im Sommer

Ein weiterer Aspekt: Beton, Schotter oder Steine auf dem eigenen Grundstück heizen sich im Sommer auf über 60 Grad auf und geben diese Wärme dann erst in der Nacht wieder ab. "Das führt dazu, dass sich lokal extreme Hitzeinseln bilden", sagt Keutgen. Viele Pflanzen, aber auch Insekten oder Igel haben in einer solchen Umgebung wenig zu suchen.

Warum sind Schottergärten unter vielen Häuslbauern und Grundbesitzerinnen dennoch beliebt? "Viele Menschen versprechen sich von solchen Gärten Ordnung und Pflegeleichtigkeit", sagt Björn Schoas, Experte für Grünraum- und Gartengestaltung bei Die Umweltberatung. Städterinnen und Städter, die aufs Land ziehen, wollen zwar in einem grüneren Umfeld sein, haben mit Gartengestaltung aber oft wenig am Hut. "Es ist ein gewisser Widerspruch, dass sie die Flächen auf dem Land dann genauso versiegeln wie in der Stadt."

Tatsächlich legen viele Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer in Österreich großen Wert darauf, dass der eigene Garten gepflegt aussieht, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Marketagent von 2021 nahelegt. Dazu gehört, dass der Rasen regelmäßig gemäht wird und kein Unkraut wächst. Viele Gartenbesitzer finden Schottergärten zwar selbst nicht immer ansprechend, wollen damit aber die Nachbarn beeindrucken, heißt es in einer Studie der Universität Bern. Ein gepflegter Garten biete Nachbarn keine Angriffsfläche, um negativ zu urteilen.

Nicht pflegeleichter

"Dass Schottergärten pflegeleichter sind, ist jedoch ein Irrglaube", sagt Schoas. Denn mit der Zeit sammeln sich zwischen den Steinen Laub und Staub an. Durch Samen, die durch Wind oder Vögel über der Fläche verteilt werden, wachsen darauf wieder kleine Pflanzen. "In einer Steinwüste sticht jedes Pflänzchen natürlich sofort ins Auge." Um diesen Pflanzen den Garaus zu machen, kämen häufig Chemie oder schon frühzeitig Laubbläser zum Einsatz. "Solche Gärten zu pflegen, kostet nicht nur viel, sondern ist auch ökologisch häufig sehr bedenklich."

Der Biologe Soltau sieht durch Schottergärten aber nicht nur die Natur, sondern auch die psychische Gesundheit der Menschen gefährdet. Studien haben immer wieder gezeigt, dass ein Mangel an Grün dem psychischen Wohlbefinden schade, sagt er. Zudem sei die Hitze, die von diesen Flächen ausgehe, gerade für ältere Menschen oft gesundheitsgefährdend. Dass solche Gärten dann oft an die nächste Generation weitergegeben werden, sei "generationenübergreifend asozial".

Garten-des-Grauens-Gütesiegel

Anstatt sich für Verbote einzusetzen, will Soltau den Schottergärten satirisch begegnen. Dafür hat er eine Facebook-Seite gegründet, auf der er regelmäßig Fotos von Gärten hochlädt. Mehr als 120.000 Menschen folgen der Seite mittlerweile. Die meisten Bilder von Schottergärten stammen aus Deutschland, einige aber auch aus Österreich. Besonders eindrucksvollen Gartengestaltungen verleiht Soltau das Gütesiegel "Garten des Grauens". Immer wieder erhalten auch ganze Gemeinden, in denen ein Großteil der Fläche mit Steinen oder Beton versiegelt ist, den "Terror Gardening Award".

Auf seiner Facebook-Seite macht sich Soltau gerne über Schottergärten lustig – und will so auch zu einem Umdenken bei Menschen beitragen.

Auch englischer Rasen bedenklich

Allerdings sind es nicht nur Schottergärten, die für die Artenvielfalt wenig zu bieten haben. "Ein englischer Rasen ist im Prinzip genauso eine grüne Wüste", sagt Keutgen. Denn wo Bäume und blühende Pflanzen fehlen, können auch Insekten keine Nahrung finden. "Wer seinen Rasen jede Woche mäht, tut der Artenvielfalt keinen Gefallen."

Stattdessen rät Keutgen, möglichst viele verschiedene blühende Pflanzen im Garten anzusetzen und maximal einmal pro Monat zu mähen. Auch eine kleine Wasserquelle im Garten sei besonders für Vögel, aber auch für Igel gut. Wer in einer Ecke des Gartens einen "ungepflegten" Teil lasse, biete dadurch Unterschlupf für Tiere. Auch kleine Durchgänge im Garten seien etwa für Igel wichtig.

Englischer Rasen
Ein perfekt getrimmter Rasen, mit dem viele neue Einfamilienhäuser werben, hat für die Natur nur wenig zu bieten.
IMAGO/U. J. Alexander

Ähnliches rät auch Schoas. "Am besten ist es, den Schwerpunkt auf regionaltypische Pflanzen zu legen." Diese können auch auf Balkonen oder Terrassen in der Stadt wichtige Anlaufstellen für Insekten sein. Totholz und Laub könne man im Garten teilweise liegenlassen. Ein Garten, in dem das Ökosystem mit einer Vielfalt von Pflanzen, Blumen und Wasserquellen intakt ist, reguliere sich im Grunde von selbst, müsse nicht gedüngt, gegossen oder mit Chemie behandelt werden. "Mit so einem natürlichen Garten habe ich in Wahrheit viel weniger Arbeit als mit jedem Schottergarten." (Jakob Pallinger, 8.3.2024)