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Österreich wird immer trockener: Ist der Rasen im Garten noch zeitgemäß?
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Andreas Krauss ist ein Rasenfreak. Das ist nicht spöttisch gemeint, nein, der 61-jährige Deutsche nennt sich in seinen Videos auf Youtube selbst so. Auf seinem Kanal zeigt der "Rasenfreak" etwa, wie er in seinem Garten einen neuen Benzinrasenmäher erprobt, einen neuen Düngeplan austüftelt oder wie er Klee, Löwenzahn und Schafgarbe schon einmal mit Chemie vernichtet. Es ist eine grüne und glatte Welt, die Krauss im Internet präsentiert.

Wenn man Krauss anruft, klingt er aber weniger wie ein "Rasenfreak", eher wie ein nachdenklicher Rasennostalgiker. Es sei ihm bewusst, dass die Rasenpflege, vor allem die Bewässerung, heute von vielen kritisch gesehen wird. "In den letzten Jahren hatten wir im Sommer sehr starke Trockenperioden. Da muss ich mir auch die Frage stellen: Bewässert man noch, oder lässt man den Rasen vertrocknen? Ich habe mich letztes Jahr entschieden, den Rasen vertrocknen zu lassen, weil ich das aufgrund des globalen Wassermangels und des Klimawandels nicht mehr verantworten konnte", erzählt der ehemalige VW-Ingenieur dem STANDARD.

Der Rasen gehört für viele Hausbesitzerinnen und -besitzer zum Eigenheim wie die Einbauküche oder das Türschild. Ein kurzer, sattgrüner Rasen ist sozusagen der Österreicher liebster Freiluftteppich. Aber wie zeitgemäß ist das Konzept? Ist der Rasen im Garten so etwas wie der Verbrennungsmotor auf der Straße?

Dürre im Garten

Auch wenn es in diesem August viel – in manchen Gegenden deutlich zu viel – geregnet hat, werden die Sommer durchschnittlich heißer und trockener. "In den Sommermonaten Juni, Juli, August zeigen die Klimamodelle, dass extrem trockene Phasen deutlich zunehmen", meldete die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) schon im Jahr 2015 für Österreich und den gesamten Alpenraum. Der Klimawandel kommt zu Hause an, im Garten.

Das macht es schwieriger, in seinem Garten noch eine dünne grüne Vegetationsdecke, sprich einen Rasen, zu haben. Dennoch kann man davon ausgehen, dass immer noch viele einen wollen. Das zeigt auch ein Lokalaugenschein in Wiener Baumärkten, wo es ein breites Angebot gibt vom Spiel- und Sportrasen über den Expressrasen bis zum Park- und Strapazierrasen, dessen Verpackung das Bild eines englischen Schlossgartens zeigt und "Windsor Quality" verspricht.

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"Rasenfreak" Andreas Krauss in seinem Garten in Niedersachsen mit ein paar seiner Geräte.
Andreas Krauss

Was man inzwischen auch findet: Saatgut für trockene Böden, angepasst an die sich ändernden klimatischen Bedingungen. So gelten der Rotschwingel, die Wiesenrispe und der Rohrschwingel als trockentolerante Gräser. Aber es ist kompliziert. Der Rotschwingel zum Beispiel halte Trockenheit zwar gut aus, sei aber nicht richtig hitzetolerant, heißt es unter Rasenprofis.

"Rasenfreak" Krauss stellt in seinem Garten in Niedersachsen ebenfalls auf robustere und genügsame Gräser um, um sich für dürre Sommer zu rüsten. Er setzt seine Hoffnungen auf den Rotschwingel.

"Privater Rasen ist Verschwendung"

Unter Ökologen hat der Rasen, egal welcher Art, hingegen immer schon als eine vergeudete Fläche gegolten, gleichsam als grüne Wüste. Ein Rasen bietet den meisten Insekten und Tieren keinen Lebensraum. "Der kurze grüne Rasen, den so viele haben wollen, ist im Hinblick auf die Biodiversität fast sinnlos und wertlos", erklärt der oberösterreichische Gärtner und Obstbaumschneider Markus Barth im Gespräch mit dem STANDARD. Ein Rasen "in einem Privatgarten" sei "eine absolute Verschwendung". Zur Bewässerung komme streng genommen auch noch der Energieverbrauch fürs Mähen hinzu.

Der Historiker Yuval Noah Harari hat in seinem Buch "Homo Deus" begründet, warum diese "Verschwendung" geradezu ein Wesensmerkmal von Rasen ist. Auf diese Weise hätten Aristokraten in Großbritannien und Frankreich im 17. Jahrhundert zur Schau gestellt: Seht her, wir besitzen ausgedehnte Flächen, sind aber so reich, dass wir hier nicht einmal etwas anbauen müssen. Überall entstanden Schlösser mit Parkanlagen, und später eiferten die Bürger dem Adel im Kleinen nach – statt eines Schlosses ein Einfamilienhaus, statt eines Parks ein kleines Rasenrechteck. "Der Rasen ist eine Knechtschaft ohne Ertrag", schrieb einmal die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Rasen als Kulturgut

Andreas Krauss liebt sein Hobby trotzdem. In seinem niedersächsischen Dorf besitzt der "Rasenfreak" ein 1.500 Quadratmeter großes Grundstück, davon mehr als 700 Quadratmeter Rasen. Im Garten kultiviert er Rasen in verschiedenen Schnitthöhen. Sogar ein Golfloch hat er ins Gras geschnitten – das wird von nur sieben Millimeter kurzem Rasen gesäumt. Dann gibt es Rasenbereiche mit zwölf bis fünfzehn Millimeter Höhe, mit 30 bis 40 Millimetern und mit über 45 Millimetern. Krauss bewerkstelligt dies mit einem Fuhrpark aus diversen Spindel- und Sichelmähern.

Saftig grün und fast "unkrautfrei" bleibt so ein Areal nur dann, wenn man beherrscht, was die Deutsche Rasengesellschaft bierernst den Rasendreikampf nennt: mähen, düngen, wässern. Dahinter steht das Denken: Ist dein Rasen dicht und grün, hast du deinen Garten im Griff. Schließlich meinte der verstorbene amerikanische Grasguru James B. Beard zu wissen: "Je technologisch fortgeschrittener eine Zivilisation ist, umso mehr Rasenflächen hat sie."

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Konzepte wie Blumenwiese und Kräuterrasen können Dürren besser standhalten als ein kurz getrimmter Rasen.
Hans Braxmeier/pixabay.com, CC0 Creative Commons

Kräuter, Blumen, Klee

Bald dürfte sich das ändern. Österreichs Hobbygärtner werden sich wohl an eine andere Zukunft gewöhnen müssen. Wie könnte sie aussehen?

Grundsätzlich gilt: Hohes Gras und Stauden kommen mit Hitze und Trockenheit besser zurecht als getrimmter Rasen. Ökobewusste Gartenprofis raten, man könne einen englischen Rasen schrittweise durch eine Blumen-Kräuter-Wiese ersetzen. Dabei könnte man Braunellen, Schafgarben, Wegeriche, Habichtskräuter, Ehrenpreis und Scharfen Mauerpfeffer sowie Halbsträucher wie Wiesensalbei und Thymian gewähren lassen. So eine Kräuterwiese müsse dann viel seltener, vielleicht nur mehr einmal im Jahr, gemäht werden, sagt Obstbaumschneider Barth. Er rät auch zu Klee, eine weitere Möglichkeit seien Moose. "Wenn man aber auf einem kurzen grünen Rasen besteht, würde ich vorschlagen, dass man zumindest wilde Zonen im Garten schafft", sagt Barth.

An einem oder höchstens zwei Tagen in der Woche zu gießen sei ausreichend, sagen Gartenkenner außerdem. Seltener, dafür ausgiebiger. Um möglichst wenig Wasser zu verschwenden, sollte man Regentonnen aufstellen. Auch wissenswert: Brauner, bereits scheintoter Rasen kann wieder ergrünen. Er erholt sich meist wieder.

Grüner wird's nicht

"Irgendwann", meint auch der Rasenliebhaber Krauss, "werden wir die Rasenflächen nicht mehr bewässern dürfen und auch mit gutem Gewissen nicht mehr können." Deshalb stelle er nun seine Gräser um, um in einem ersten Schritt einmal einen nachhaltigeren Rasen zu haben. Er sei sich trotzdem sicher, dass der öffentliche Druck gegen private Rasenflächen noch größer werde.

International gibt es Beispiele. Der US-Bundesstaat Nevada will Rasenflächen, die kein Mensch betritt ("unnützes Grün"), bis 2027 untersagen. Kanadische Gemeinden wiederum haben in diesem Sommer entschieden, Fotos von besonders hässlichen Rasen mit Einkaufsgutscheinen zu prämieren – als Anreiz zum Wassersparen. In manchen deutschen Landkreisen war das Bewässern des Rasens wegen niedriger Pegel heuer bereits verboten.

Die Tendenz scheint klar: Der klassische Rasen ist auf dem Rückzug. Auch in Österreichs Gärten sprießt es in Zukunft wohl bunter und wilder. (Lukas Kapeller, Theresa Scharmer, 23.8.2023)