Am letzten Freitag vor Ramadan-Beginn beten Muslime auf einer Straße in Ostjerusalem.
Am letzten Freitag vor Ramadan-Beginn beten Muslime auf einer Straße in Ostjerusalem.
AFP/AHMAD GHARABLI

Der sechste Monat im Gazakrieg: Wenn nicht noch im letzten Moment ein Wunder geschieht, dann wird der Ramadan am Sonntag beginnen, ohne dass die geschundene Bevölkerung des Gazastreifens auf zumindest einige Wochen der Ruhe hoffen kann – und ohne dass die überlebenden israelischen Geiseln der Hamas nach Hause kommen. Für die Zeit des islamischen Fastenmonats sind alle Szenarien offen.

Israel selbst hat den Beginn der Bodenoffensive in Rafah mit all ihren sicheren humanitären und möglichen politischen Konsequenzen durch arabische Staaten in den Raum gestellt. Im Ramadan steigt die Gefahr einer Ausbreitung des Kriegs in weitere Teile des Nahen Ostens überproportional. Aber Israel könnte auch eine unilaterale Feuerpause erklären, die die Verantwortung für die Kriegsfortführung während des Ramadan an die Hamas übertragen würde.

Der "Deal" kam nicht zustande

US-Präsident Joe Biden hat Israel scharf aufgefordert, Hilfslieferungen für Gaza nicht als Druckmittel im Krieg einzusetzen. Dafür, dass der zuletzt in Kairo verhandelte "Deal" nicht zustande kam, gibt er aber klar der Hamas die Schuld. Der Verdacht liegt nahe, dass deren Chef im Gazastreifen, Yahya Sinwar, im Ramadan eine Chance sieht, für die er eine Entspannung gar nicht brauchen kann. Ein zynisches Kalkül.

Die Hamas hat fünf Monate einer unglaublich harten israelischen Militärkampagne durchgehalten. Sie ist zwar dezimiert, aber nicht eliminiert. Der Kriegsfunke ist jedoch nicht, wie von der Hamas erhofft und nach dem 7. Oktober 2023 vielleicht sogar erwartet, auf die Palästinenser im Westjordanland übergesprungen. Auch die Stellvertreter des Iran in der Region, die Hisbollah und die Milizen im Irak, sind ihr nicht mit ihrer ganzen Kraft zu Hilfe geeilt; die Huthis machen "nur" die Gewässer vor der jemenitischen Küste unsicher.

"Al-Aqsa verteidigen"

Wenn die Hamas andere mögliche Fronten des Gazakriegs noch aktivieren will – zumindest die palästinensische im Westjordanland –, gibt es keine bessere Gelegenheit zur Mobilisierung als den islamischen Fastenmonat. Da gilt es die heiligen Stätten in Jerusalem zu "verteidigen". Diese Botschaft enthält schon der Name des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober, die "Al-Aqsa-Flut".

Gewaltausbrüche im Ramadan gab es auf dem Tempelberg über die Jahre hinweg immer wieder. Aber bisher war dem Großteil der muslimischen Gläubigen immer noch am wichtigsten, dass sie während des Ramadan dort beten konnten. Noch sind nicht alle Einzelheiten, wie die Zugangsregeln heuer aussehen werden, bekannt. Aber Premier Benjamin Netanjahu folgt prinzipiell dem Rat seines Sicherheitsestablishments, das eine Sperre des "heiligen Bezirks" für gefährlicher hält als zumindest eine begrenzte Öffnung.

Wäre es nach den Rechtsextremen in seinem Kabinett gegangen, hätte es sogar Einschränkungen für arabische israelische Staatsbürger gegeben, ganz zu schweigen für Palästinenser aus dem Westjordanland. Netanjahu hat die Sicherheitsagenden für Jerusalem seinem rechtsextremen Minister Itamar Ben-Gvir sogar weggenommen und seinem eigenen Kabinett übertragen. Aber die Provokationen der israelischen Rechten hat er nicht unter Kontrolle – und auch nicht die Bilder von der humanitären Katastrophe in Gaza. (Gudrun Harrer, 9.3.2024)