Die dreifache Mutter wurde nach der Verhandlung am Landesgericht enthaftet.
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Wien – Zu 18 Monaten Haft, davon zwei Monate unbedingt, ist eine 38-Jährige am Landesgericht verurteilt worden, weil sie seit Ende September ihre vierjährige Tochter der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wien (MA 11) entzogen hatte und in diesem Zusammenhang am 15. Februar ihre vierjährige Tochter mit zusammengeknoteten Leintüchern aus ihrer im dritten Stock gelegenen Wohnung in Döbling abgeseilt haben soll. Letzteres bestreitet die Mutter. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Indes wurde die Vierjährige, die seit Ende September von der Bildfläche verschwunden war, am Montag wieder der MA 11 übergeben, wie eine Sprecherin bestätigte. Das Mädchen sei in Begleitung des Vaters und der zuständigen Regionalstellenleiterin der MA 11 ins Krisenzentrum gekommen. Das Kind befinde sich "in einem guten Zustand". Wo sich das Mädchen zuletzt aufgehalten hatte, wisse man aktuell noch nicht.

Kindesentziehung, Gefährdung der körperlichen Sicherheit

Im Krisenzentrum gab es für das Mädchen ein Wiedersehen mit den beiden älteren Geschwistern, die zwischenzeitlich ebenfalls verschwunden bzw. aus dem Krisenzentrum davongelaufen waren. Die 13 Jahre alte Schwester und der elfjährige Bruder der Kleinen befinden sich laut Sprecherin seit der letzten Februarwoche wieder im Krisenzentrum. Nun werde geprüft, "wo die Kinder langfristig gemeinsam untergebracht werden können".

Der Mutter war in ihrer Verhandlung Kindesentziehung (§ 195 StGB) und - bezogen auf die Abseil-Aktion - Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89 StGB) vorgeworfen worden. Laut Strafantrag soll die Mutter die Vierjährige mithilfe zusammengeknoteter Leintücher und einer Kinderschaukel aus dem dritten Stock abgeseilt haben, als Einsatzkräfte der Wega an ihrer Tür klopften, um das Kind wieder der MA 11 zu übergeben. Zu diesem Thema waren zur Verhandlung aber keine Zeugen geladen, so dass Richter Christoph Kraushofer im Sinn des Beschleunigungsgebots den Vorfall vom 15. Februar - die Angeklagte war im Anschluss fest- und in weiterer Folge in U-Haft genommen worden - aus dem laufenden Verfahren ausschied. Das Abseilen, zu dem die 38-Jährige laut ihrem Verteidiger Eduard Salzborn nicht geständig ist, wird zu einem späteren Zeitpunkt separat verhandelt.

Unterbringung in Krisenzentrum

Der dreifachen Mutter war am 8. Mai 2023 das Sorgerecht für ihre drei Kinder vorläufig entzogen worden. Ihre Kinder sollen aufgrund der Überforderung der allein erziehenden Mutter keinen strukturierten Tagesablauf und kein kindgerechtes adäquates Zuhause gehabt haben. Zudem hatten sie nur unregelmäßig die Schule besucht und wirkten teilweise ungepflegt und vernachlässigt. Den Behörden lagen auch mehrere Gefährdungsanzeigen vor.

Die abgenommenen Kinder wurden in einem Krisenzentrum gebracht. Unmittelbar danach tauchte die Mutter mit der jüngsten Tochter nach einem Tagesbesuch unter, indem sie die Kleine nicht mehr in die Einrichtung zurückbrachte. Die beiden Älteren liefen wiederum weg, vermutlich gleich zur Mutter. Ende September wurde die Mutter vom Landesgericht erstmals wegen Kindesentziehung verurteilt. Sie fasste eine Haftstrafe von neun Monaten aus, wobei ihr die Strafe unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Dessen ungeachtet übergab sie ihre Kinder weiterhin nicht der MA 11, der obsorgeberechtigten Behörde. Vor allem um die vermisste Vierjährige machte sich die MA 11 Sorgen, schließlich wurde von der Polizei nach den verschwundenen Kindern gesucht. Mitte Februar wurden die 13-Jährige und der Elfjährige in der Wohnung in Döbling angetroffen, die die Mutter erst geöffnet hatte, nachdem Wega-Beamte angedroht hatten, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen.

Vierjährige wieder an MA 11 übergeben

Ihre jüngste Tochter soll die 38-Jährige jedoch mit Leintüchern abgeseilt und rechtzeitig weggebracht haben bzw. wegbringen haben lassen. Dazu werde seine Mandantin keine Angaben machen, hatte Verteidiger Eduard Salzborn gleich zu Beginn der heutigen Verhandlung klargestellt. Er legte jedoch eine Bestätigung der MA 11 vor, wonach die Vierjährige am heutigen Montag der MA 11 übergeben wurde.

Zur Kindesentziehung war die Angeklagte geständig. Sie habe nicht verstanden, weshalb ihr die Kinder weggenommen wurden, behauptete die Mutter: "Sie (offenbar gemeint: die MA 11, Anm.) haben mich gezwungen zu unterschreiben." Danach hätten ihr ihre Kinder bei einem Besuch von Misshandlungen im Krisenzentrum berichtet. Ihre jüngste Tochter habe zu weinen begonnen. "Sie war in Sorge", betonte Verteidiger Salzborn, "es geht da nicht um eine hohe kriminelle Energie."

Bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren fasste die einschlägig Vorbestrafte 18 Monate aus, wobei nur zwei Monate unbedingt ausgesprochen wurden. Den Rest bekam die 38-Jährige bedingt nachgesehen. Die aus der Vorverurteilung resultierende offene neunmonatige Vorstrafe wurde der Frau nicht widerrufen, die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

U-Haft aufgehoben

Den unbedingten Strafteil aus der nunmehrigen Verurteilung muss die Frau auch nicht bis zum 15. April absitzen - die U-Haft wurde Montagmittag in nicht öffentlicher Verhandlung laut dem Verteidiger aufgehoben. "Das Gericht hat meinem Antrag stattgegeben. Es liegen keine Haftgründe mehr vor", sagte Salzborn. Die Frau wurde unmittelbar danach enthaftet.

Zur Rückgabe der vierjährigen Tochter habe sich die dreifache Mutter entschlossen, nachdem die MA 11 ihr versichert hätte, dass ihre drei Kinder nicht getrennt untergebracht würden, ergänzte Salzborn . Wo sich die Vierjährige vom Zeitpunkt ihres Verschwinden bis zum heutigen Tag befunden hatte, ließ sich vorerst nicht klären.

Auf die Frage, wie sie sich ihre Zukunft vorstelle, hatte die 38-Jährige dem Richter "Dass ich die Kinder besuchen kann" geantwortet. Präziser wurde Verteidiger Salzborn. Der Mutter schwebe ein Besuchsrecht, in weiterer Folge ein erweitertes Besuchsrecht und Übernachtungen ihrer Kinder an den Wochenenden vor: "Letzten Endes ist das Ziel, dass sie wieder die Obsorge für die Kinder bekommt."

Laut MA 11- Sprecherin Pöschmann gibt es regelmäßige Kontakte zwischen Angehörigen der Kindesmutter und den älteren zwei Kindern, "die gut verlaufen". Sollte sich zeigen, dass das Kindeswohl garantiert ist, kämen Verwandte als zukünftige Obsorgeberechtigte in Betracht: "Das muss aber genau überprüft werden." Man müsse schauen, "wo die Kinder langfristig leben können. In diese Entscheidung fließen unsere Erfahrungen mit der Familie und Erkenntnisse ein, ob die Zusammenarbeit funktioniert", sagte Pöschmann. Es gehe primär darum, den Kindern Sicherheit und Stabilität zu geben. (APA, 11.3.2024)