"Ich halte es für falsch, bei betrieblichen Leistungsproblemen das Augenmerk automatisch auf die Betriebsorganisation zu lenken. Für sinnvoller halte ich es, zunächst einmal die Qualität des miteinander Redens im Betrieb unter die Lupe zu nehmen. Die Art und Weise, in der im Unternehmen miteinander gesprochen wird, wirkt sich eins zu eins auf die Art und Weise aus, wie im Unternehmen gearbeitet wird", sagt der Zusammenarbeitsexperte und Co-Geschäftsführer der Coverdale Unternehmensberatung, Thomas Weegen.

Erfahrungstatsache sei, dass die betriebliche Innovations- und Anpassungsfähigkeit aus der Mitte der Belegschaft heraus starke Anstöße bekommt. Von diesen Beobachtungen, Anregungen, Gedanken und Erkenntnissen aller würden Unternehmen außerordentlich profitieren. "Die Bereitschaft, im Interesse des Unternehmens mitzudenken und sich anregend in das Betriebsgeschehen einzubringen oder sich mit beidem zurückzuhalten, wird über die betriebliche Kommunikationskultur gesteuert", sagt er.

Mann und Frau lachen gemeinsam in einem Büro
Jede zwischenmenschliche Begegnung versetzt stets zwei Ebenen in Schwingung, die Sachebene und die Beziehungsebene, sagt Psychologe Friedemann Schulz von Thun.
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Außerdem ist Weegen überzeugt, dass kommunikativ ausgelöste Frustrationen sich unmittelbar auf das Verhalten der Mitarbeitenden durchschlagen würden, "egal ob sie von oben nach unten oder im kollegialen Umgang erlebt und erlitten werden". Diese richtungsweisende Wirkung der innerbetrieblichen Kommunikation zeige sich auch in der Kommunikation mit Kundinnen und Kunden. "Die betriebliche Kommunikationsqualität sagt viel über die Qualität des Managements aus", erklärt er.

Große Wirkung

"Die Steuerungswirkung der Kommunikation wird in der Unternehmensführung unterschätzt, und aufgrund dessen ist das kommunikative Verantwortungsbewusstsein oft nicht sehr ausgeprägt", sagt Psychologieprofessor Friedemann Schulz von Thun. "Das ist erstaunlich, weil wir doch alle wieder und wieder die bedrückende Wirkung von unbedacht dahingeworfenen oder ganz bewusst verletzend ausgesprochenen Worten erleben oder spüren, wie wir von der Art und Weise, in der ein Gespräch geführt wird, unangenehm berührt werden."

Als Beispiel verweist er auf die im Beruf verbreitete Gepflogenheit, mal so eben im Vorbeigehen zu loben oder zu kritisieren: "Menschen haben ein feines Gespür dafür, wie sie angesprochen werden, und reagieren darauf intuitiv. Das nachlässig hingeworfene Lob verletzt sie ebenso wie die spürbar beziehungslose Kritik. Und beides hat leistungsschädliche Nachwirkungen." Schulz von Thun nennt das Stichwort Wertschätzung. Besonders in größeren Unternehmen werde dem Zeitgeist folgend das Wort Wertschätzung gern im Mund geführt. "Nur bleibt es meist dabei. Wertschätzung aber muss im alltäglichen Umgang gerade auch über reflektiertes Kommunikationsverhalten ausgedrückt werden", sagt der Psychologieprofessor.

Zwei Ebenen

Hinsichtlich nicht nur dieser "Phrasendrescherei" stellt sich für ihn die Frage: Was hat sich nun wirklich verändert? Die Einstellung zur Leistung oder nicht vielmehr die Bereitschaft, die Frustration weiter zu akzeptieren, vorrangig als Kostenfaktor angesehen und behandelt zu werden? Schulz von Thun ist überzeugt, für Mensch wie Unternehmen könnte es hilfreich sein und manches erleichtern, dieser Frage vorurteilsfrei nachzugehen.

"Denn hier tritt der Wirkmechanismus von Kommunikation klar zutage: die sich im miteinander Reden entwickelnde zwischenmenschliche emotionale Beziehungsdynamik. Die Art und Weise, der Geist, aus dem heraus Gespräche geführt werden, ruft alles hervor, was an Eindrücken und Empfindungen in einem Menschen abläuft und sich auf jede zwischenmenschliche Beziehung auswirkt und sie beeinflusst", sagt er. Jede zwischenmenschliche Begegnung versetze stets zwei Ebenen in Schwingung: die Sachebene und die Beziehungsebene.

Gruppe von Menschen bildet einen gemeinsamen Kreis
Mangelt es Führungskräften an verbaler Achtung vor anderen, beeinträchtigen sie mit ihrem Verhalten erheblich die Stimmung im Team.
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"Ob am Arbeitsplatz oder im Privatleben, es werden immer Beziehungen gestaltet. Der hartnäckige Irrtum in der Beziehungsgestaltung, der regelmäßig Probleme entstehen lässt und zur Vertiefung bestehender Probleme führt, ist die Annahme, es gehe immer nur um die Sache. Nein, es geht stets um beides, das Was = die Sache und das Wie = die Gestaltung der Beziehung. Und dieses Wie wird durch die Einstellung zueinander vorgeformt und gelenkt. Und diese Einstellung tritt klar und deutlich im Kommunikationsverhalten zutage", sagt Schulz von Thun.

Führung gefragt

Tendenziell altruistisch eingestellte Menschen gingen auf andere zu und ein und bemühten sich um sie. Tendenziell egoistische, primär um sich selbst drehende Charaktere kämen gar nicht auf solche Gedanken. "Für die zählt das eigene Meinen und Wollen und dessen Durchsetzung. Einfühlsames Zuhören wird als Zeitverschwendung angesehen; andere nicht ausreden zu lassen und ihnen ständig ins Wort zu fallen wird als erprobter Weichmacher in Gesprächen eingesetzt; kommunikatives Dominanzverhalten wird an den Tag gelegt, um Unterlegenheitsgefühle und Unterordnungsbereitschaft durchzusetzen; die Idee, auf Augenhöhe zu kommunizieren, wird als Ausdruck von Ichschwäche betrachtet", erklärt Psychologe Schulz von Thun.

Über das Kommunikationsverhalten und die darüber ausgedrückte Einstellung zu anderen würden laut ihm Kontaktbrücken gebaut und ausgebaut oder zwischenmenschliche Gräben aufgeworfen und vertieft: "Beides lässt sich im betrieblichen Alltag unschwer beobachten, sowohl im führenden als auch im kollegialen Miteinander. Doch die kommunikativen Verhaltenstaktgeber sind die Führungskräfte. Mangelt es ihnen an verbaler Achtung vor anderen, zerstören sie ja nicht allein die intrinsische Motivation um sich herum, sondern beeinträchtigen über ihr Verhalten auch die Gesundheit der anderen. Insofern sagt die Zahl der betrieblichen Fehltage auch etwas über die Kommunikationsqualität des Führungspersonals aus." (Hartmut Volk, 25.3.2024)