Scooter
Er sagt Party – und die Party geht ab. H.P. Baxxter hat sich mit seiner Böllerbeatband Scooter einen Lebenstraum erfüllt: Nix scheißen!
APA/FLORIAN WIESER

Möglicherweise verhält es sich ja so, dass erst mit Scooter und Hyper Hyper der deutsche Techno ganz zu sich selbst gekommen ist. Techno musste vor 30 Jahren endlich raus aus stinkigen Kellerlokalen und Fabrikhallen. Er musste weg von der Exklusivität des Rammelns in Darkrooms hin zu bei grellem Tageslicht gefilmten Youporn. Kurz nachdem Kurt Cobain sich und den Gitarrenrock im April 1994 erschossen hatte, machte sich damals Techno im Wonnemonat Mai mit Hyper Hyper endgültig auf den mit Duracell-Hoppelhasen-Batterien statt mit den üblichen schnellen Sachen befeuerten Weg hin zum Bierbecher, in die Festzelte und in den Vergnügungspark mit angeschlossener Großraumdisco.

Dort wurde er vom Undergroundspaß und körperlichen wie geistigen Belastungstests zum Marschrhythmus der mit christlicher Jungschar und Kegelclubs bestückten Faschingssause der Love Parade. Er wurde zur originären deutschen Volksmusik. Begünstigend kam damals natürlich der Mauerfall dazu. Alles so schön bunt hier! Leute, so billig kommen wir nicht mehr zusammen. Kann man so sehen.

Scooter

Der Reiseführer nennt sich jedenfalls bis heute Hans Peter Geerdes alias H. P. Baxxter. Damals waren die Leute aus einer gewissen Konträrfaszination heraus noch fassungslos gefesselt von der ungeniert bescheuerten Musik und den dadaistischen Texten eines ostfriesischen Poeten mit Megafoneffekt auf dem Mikro. How much is the fish?! Harder, faster, Scooter! Move your ass! I want to see you sweat!

H. P. Baxxter wird am 16. März seinen 60. Geburtstag sehr wahrscheinlich ravend mit Leuten verbringen, die seine Kinder sein könnten und deshalb konstitutionell noch gut aufgestellt sind. Immerhin gilt bei Scooter nicht nur auf der Bühne strikter Partybefehl. Wie man in der 2023 erschienenen, überaus hervorragenden Netflix-Doku FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter sehen kann, hat die Gaudi bei einer Verweigerung seiner auch aus gesundheitlichen Gründen gern wechselnden Musiker schnell einmal ein Loch. Die Kunst mag heiter sein, bei der Party wird es ernst.

Scooter

Nächste Woche erscheint mit leichtem Hangover von der Geburtstagsfeier das 21. (!!!) Album von Scooter. Es trägt den schönen Titel Open Your Mind and Your Trousers und böllert bewährte Tagada- und Autodromdisco-Bretter aus den Boxen. Die sägenden Synthies machen einen auf Halligalli. Diverse namenlose Frauen, die auf der Bühne mit Opi auch sexy tanzen dürfen, quietschen immer etwas gequält klingende Kinderliedmelodien wie Waste Your Youth, For Those About To Rave, Techno Is Back, Berliner Luft oder Children of the Rave auf Autotune. Die Trommel landet um die 160 Magenboxer pro Minute. Der Bass muss ficken!

Weg mit den Hemmungen

Eines muss man H. P. Baxxter lassen: Im Gegensatz zu anderen verheißungsvollen Befreiungskonzepten in der Geschichte der Popmusik werden bei Scooter zumindest geschmacklich sämtliche Hemmungen fallengelassen. Man kann es natürlich schade finden, dass es heute längst als cool gilt, Scooter cool zu finden. Wahrscheinlich sind wir noch nicht wirklich im postironischen Zeitalter angekommen. Als die Leute Scooter offiziell scheiße gefunden haben, waren sie jedenfalls irgendwie ... geiler. Alles Gute! (Christian Schachinger, 13.3.2024)

Scooter live: 12. 4., Stadthalle Wien

Zum Weiterlesen:

"FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter": Kinodoku über die deutsche Technoband