Harald Vilimsky hört sich nicht ungern reden. Der Delegationschef der FPÖ im Europäischen Parlament, Ex-Generalsekretär und mehrfacher Wahlkampfleiter seiner Partei – und nun blauer Spitzenkandidat bei der Europawahl am 9. Juni – war diesbezüglich am Dienstag ganz in seinem Element. Wie immer zum Start der einmal im Monat in Straßburg stattfindenden Plenarsitzung nutzte der blaue EU-Abgeordnete die Gelegenheit zu einem Briefing mit Journalisten.

Das ist an sich nichts Besonderes – das tun alle Delegationen aus Österreich, auch die Vertreter von ÖVP und SPÖ, von Grünen und Neos seit Jahren und Jahrzehnten. Dabei wird in der Regel über die laufenden Vorhaben und Abstimmungen im Plenum informiert, über Anträge, Resolutionen, Gesetze in erster Lesung. Mehr oder (öfter) weniger spannend, trockene Materien. Gelegenheit zum Austausch sachlicher Informationen und politischer Positionen.

Harald Vilimsky, FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, hat Visionen.
APA/MAX SLOVENCIK

So geht das normalerweise dahin. Aber nicht einmal hundert Tage vor dem Wahltag (Vatertag!) ist in der Parteipolitik nichts normal – zumindest dann nicht, wenn Vilimsky, flankiert von seinen Abgeordnetenkollegen Georg Mayer und Roman Haider, die Medien zum Appell ruft. Wie diesmal am Dienstag.

Zum Auftakt begrüßte er die "freien Medien" – auch jene, die sonst in Straßburg praktisch nie zu sehen sind. Dazu gehörten etwa das – wie soll man sagen – eher rechts der FPÖ stehende Organ "Info-Direkt", flankiert auch von zwei Kameras, die das Geschehen in Filme verwandeln sollten, die möglicherweise in FPÖ-Wahlkampagnen einen guten Platz einnehmen könnten. Außerdem mit von der Partie: Der Eckart, der Heimatkurier und RTV.

"Frieden, Frieden, Frieden!"

Vilimsky fackelte jedenfalls nicht lange rum: Zum Aufwärmen ordnete er die Spitzenkandidatur von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gleich einmal als "Wahlbetrug der Sonderklasse" ein, weil sie gar nicht für das Parlament kandidiere. Aber wie sich bald herausstellte, war das doch nur eine Randnotiz. Das eigentliche Thema des blauen Spitzenkandidaten, sein ganzes Wollen, galt ganz in FPÖ-TV-Manier nur einem: "Frieden, Frieden, Frieden!" Nicht für die Welt, auch nicht in der österreichischen Politik – nein: Vilimskys Herzensanliegen ist der Frieden in der Ukraine. Sagte er immer wieder.

Das unterscheide ihn, laut Selbstbeschreibung, vom Rest des Sündenpfuhls in der ganzen Europäischen Union, den Kriegstreibern. Er argumentierte das so: Das Ziel der Union sei doch immer gewesen, dass sie für Friede, Freiheit und Wohlstand stehe. Aber: "Jetzt macht sie als Kriegstreiber das Gegenteil." Er trug das ohne Anflug von Ironie vor, sieht er sich und seine Partei doch offensichtlich als das Gegenteil des europäischen Gottseibeiuns im Krieg.

Kein Vergleich, kein Bezug ist Vilimsky zu groß, um den Charakter der Friedenspartei FPÖ zu erklären. Das klingt dann so: Wenn im US-Wahlkampf Joe "Biden die sechste Pflegestufe" erreicht habe und Donald Trumps "Zielorientierung Richtung Frieden" im Weißen Haus wieder eingezogen sein werde, spätestens dann werde sich durchsetzen, was die FPÖ in der Ukraine und mit Russlands Diktator Wladimir Putin vorhat: "Wir wollen das Ende des Sterbens sicherstellen", sagt er, schreit er fast, emotionalisiert von Papst Franziskus: "Wir haben sogar das Oberhaupt der Christenheit, das für Frieden ist."

Sogar der Papst ...

Ob der Papst sich freut über die blaue Eingemeindung, ist nicht bekannt. Der FPÖ-Spitzenmann für Straßburg sagt aber klar und deutlich: "Damit werden wir in die Wahl gehen." Wie bringe man wieder Vertrauen in die Politik zurück? Wie finde die USA "zurück in eine friedvolle Rolle"?

Nach so viel Friedenssehnsucht war dann doch die Zeit reif für konkrete Fragen der Journalisten, auch des STANDARD. Das mochte der FPÖ-Abgeordnete nicht so, denn er sprach von "links-linken War-Mongern", also journalistischen Kriegstreibern, die ihm gegenübersäßen. Egal. Frage: Was kann er bzw. die FPÖ denn konkret beitragen, dass es zum Frieden in der Ukraine kommt? Ob nicht Putin der Kriegstreiber sei? Wie solle man ihn zu Verhandlungen bringen? Wer solle das machen – und wo?

Mit dem Frieden in der Ukraine wäre das nach der Vilimsky-Doktrin eigentlich ganz einfach. Seine Antwort: "Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt." Es müsse die "Zielsetzung sein, beide Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen". Österreich möge "sich anbieten als Standort", um "auszuloten, ob Frieden ein gangbarer Weg ist". Es gebe "viele Stimmen, die sagen: 'Lasst uns das Töten beenden!'" Wenn die FPÖ die Wahl gewinne, könne sich Österreich anbieten. Man sei dabei nicht allein, referierte Vilimsky, denn "ich sehe, dass Trump die Wahl in den USA gewinnt. Er hat die klare Zielsetzung, Frieden herbeizuführen."

"Die Wahrheit stirbt zuerst ..."

Das ist nicht alles: Wenn im EU-Parlament nach den Wahlen eine erstarkte rechts-konservativ-freiheitliche Allianz im EU-Parlament agiere, eine freiheitliche Partei die Kanzlerschaft gewinne mit einem Herbert Kickl, der sich für den Frieden ausspreche ... dann könne es diesen Frieden geben. Von Putin – und dass dieser den Krieg begonnen habe – sagte Vilimsky zunächst nichts. Darauf angesprochen, dass der russische Präsident Europa zuletzt mit einem Nuklearkrieg gedroht habe und keine Anstalten mache, über Frieden auch nur reden zu wollen, sagte er: "Was im Krieg als Erstes stirbt, ist die Wahrheit." Die Bevölkerung werde in die Irre geführt. Putin könne nach Wien gebracht werden, indem "eine Staatengemeinschaft ihn einlädt".

So einfach sei das alles. Es müsse nur endlich jemand "das Wort Frieden in den Mund nehmen", meinte der FPÖ-Politiker. Vielleicht hat Putin bei seinem Pressegespräch ja ab- und zugehört. Eines scheint sicher: Die FPÖ wird dieses Thema im Europawahlkampf orgeln ohne Ende. Das Medien-Briefing in Straßburg war nur ein Testlauf – zumindest für FPÖ-TV. (Thomas Mayer aus Straßburg, 12.3.2024)