Vier Spitzenkandidaten und eine Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl (v.l.n.r.): Helmut Brandstätter (Neos), Reinhold Lopatka (ÖVP), Harald Vilimsky (FPÖ), Andreas Schieder (SPÖ) und Lena Schilling (Grüne).
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Eine Frau und vier Männer kämpfen an der Spitze ihrer Parteien um die Stimmen bei der Europawahl am 9. Juni. Wer kann wo punkten, und wo lauern für sie mögliche Fallstricke?

Harald Vilimsky: Rechter Vernetzer mit langjähriger EU-Erfahrung

Harald Vilimsky (FPÖ).
Foto: AFP/ANDREAS SOLARO

Harald Vilimsky bekundete schon im Mai des Vorjahres öffentlich Interesse daran, die FPÖ ein drittes Mal an der Spitze in die EU-Wahl führen zu wollen. Eine sogenannte g’mahte Wies’n war die Spitzenkandidatur für ihn allerdings nicht. Nicht weil es dem langjährigen EU-Parlamentarier an Erfahrung fehlte, sondern weil Parteichef Herbert Kickl mit dem Gedanken gespielt haben soll, seine Vertraute Petra Steger an die Spitze zu stellen – die Abgeordnete kandidiert nun auf dem zweiten Platz.

Vilimsky erarbeitete sich in den vergangenen Jahren den Ruf des internationalen Vernetzers rechter Parteien. Seit 2014 sitzt er im EU-Parlament und führt seither auch die freiheitliche Delegation an. Damals konnte die FPÖ um sieben Prozent zulegen. Auch 2019 wurden ihr in Umfragen starke Zugewinne prognostiziert – und obwohl nur wenige Wochen vor dem Urnengang das Ibiza-Video publik wurde, konnte Vilimsky die Verluste für die FPÖ in Grenzen halten. Diesmal könnte die Ausgangslage für den 57-Jährigen und die Partei besser nicht sein, die FPÖ steht auch in Umfragen zur EU-Wahl an der Spitze.

Reinhold Lopatka: Politroutinier, der das Geschäft in der ersten Reihe kennt

Reinhold Lopatka (ÖVP).
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Er war nicht die erste, nicht die zweite, auch nicht die dritte, bestenfalls war er die vierte Wahl. Reinhold Lopatka soll die ÖVP im Juni in die EU-Wahl führen. Viele Jahre stand er in der ersten Reihe der Volkspartei – als Generalsekretär, Staatssekretär und Klubchef. Als Sebastian Kurz die Partei übernahm, wurde der frühere Scharfmacher schließlich auf die hinteren Ränge verdrängt. Lopatka verharrte in den vergangenen Jahren allerdings nicht als Hinterbänkler im Nationalrat, sondern reiste in diversen Funktionen durch die Weltgeschichte – wodurch er außenpolitische Expertise sammeln konnte.

Dass die Volkspartei Lopatka noch einmal in die erste Reihe schickt, kommt nicht überraschend. Er ist in der Partei hervorragend vernetzt, ein Politroutinier und Außenpolitikexperte. Und man geht mit ihm keine Experimente mit ungewissem Ausgang ein.

Die Voraussetzungen für den 65-jährigen Steirer sind jedoch denkbar schwierig: Nach dem fulminanten Sieg bei der EU-Wahl 2019 droht der ÖVP Umfragen zufolge ein rigoroser Absturz. Lopatka hat kaum etwas zu gewinnen, aber auch nichts zu verlieren.

Andreas Schieder: Langjähriger Roter konnte Chancen in Europa nicht nutzen

Andreas Schieder (SPÖ).
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Er war 2019 der Lückenfüller für Christian Kern. Der Ex-Bundesparteichef der SPÖ hatte sich erst vom Chefposten verabschiedet und seine Kandidatur bei der EU-Wahl angekündigt, dann zurückgezogen. Andreas Schieder war erst kurz davor an der internen Wahl um den Wiener Parteivorsitz und Bürgermeistersessel gescheitert. Seinen Weg ins Europaparlament sehen viele als eine Art Trostpreis – ein Wegloben aus Wien.

Seit 2019 hat sich Schieder dem EU-Parlament verschrieben. Besonders aufgefallen ist er in den vergangenen Jahren allerdings nicht. Statt in Brüssel und Straßburg zu reüssieren – wie es etwa Hannes Swoboda als Fraktionsvorsitzendem der SPE gelungen ist –, versank Schieder eher in der alltäglichen Routinearbeit. Die Chance, sich etwa beim Ukrainekrieg als rote Stimme in Europa einen Namen zu machen, konnte der 54-Jährige nicht für sich nutzen.

Aber auch abseits von Schieder bietet die SPÖ keine großen Neuerungen. Alle fünf Mandatarinnen und Mandatare kandidieren erneut. In Umfragen liegt die SPÖ knapp unter ihrem Ergebnis von 2019.

Lena Schilling: Klimaaktivistin mobilisiert für die Grünen

Lena Schilling (Grüne).
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Lena Schilling hat mehrere Alleinstellungsmerkmale unter den Listenersten: Sie ist jung, weiblich und in Österreich eigentlich als Aktivistin bekannt. Für die Grünen ist sie das ideale Aushängeschild ihres Kernthemas – Schilling und Klimaschutz, das gehört seit den Protesten von Fridays for Future zusammen.

Ein Single-Issue-Wahlkampf wird diesmal aber für die Grünen nicht funktionieren. Die europäische Asylpolitik, die Nachwehen von Corona, der Krieg in der Ukraine: All das sind Felder, die derzeit sehr viel stärker im Fokus der politischen Debatte stehen als der Umweltschutz. Die 23-Jährige wird sich also auch abseits ihres Steckenpferds Positionen zurechtlegen müssen.

Im Gegensatz zu ihren Konkurrenten hat die Aktivistin zwar noch nie ein politisches Mandat innegehabt, noch nie einen Wahlkampf geführt – und muss auch erst offiziell zur Spitzenkandidatin gekürt werden. Aber sie hat sich einen Namen gemacht und weiß, wie man Aufsehen erregt. Ob das für die EU-Wahl reicht, wird man sehen. Den Grünen wurde in Umfragen zuletzt jedenfalls ein Minus prognostiziert – da hatten sie aber noch keine Kandidatin.

Helmut Brandstätter: Ex-Quereinsteiger könnte Bürgerliche für Neos abholen

Helmut Brandstätter (Neos).
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Seit Samstag ist es bei den Pinken fix: Helmut Brandstätter geht für die Neos ins Rennen ums EU-Parlament. Er hat sich in der Vorwahl gegen rund 14 andere Bewerber um Platz eins durchgesetzt. Überraschend war das nicht: Brandstätter, der bei der Nationalratswahl noch als Quereinsteiger kandidierte, war unter den insgesamt 62 Personen, die auf die EU-Liste der Neos wollten, der Bekannteste und Erfahrenste, was parlamentarische Arbeit betrifft.

Neben Parteichefin Beate Meinl-Reisinger fiel Brandstätter als Nummer zwei der Neos innenpolitisch allerdings seit seinem Einzug ins Parlament wenig auf – Zugpferd war er keines. Als außenpolitischer Sprecher der Pinken ist der 68-Jährige jedenfalls inhaltlich für das EU-Parlament gewappnet. Brandstätter spricht sich für eine gemeinsame EU-Armee aus, will Wissenschaft und Forschung in Europa fördern.

Der ehemalige Herausgeber und Chefredakteur des Kuriers bezeichnete sich selbst als "Bürgerlichen mit christlich-sozialem Hintergrund". Er könnte nach dem Abgang von Othmar Karas also auch ein Angebot für enttäuschte ÖVP-Wählerinnen und -Wähler sein. (Oona Kroisleitner, Sandra Schieder, 29.1.2024)