VW Touareg eHybrid und Kia EV9 GT Line in friedlicher Eintracht nebeneinander. Hie traditionelles VW-Design, da progressives von Kia.
Stockinger

Sie werden jetzt gleich mit dem Äpfel-und-Birnen-Hinweis kommen. Aber ich sage Ihnen was: Schon der legendäre Moar z' Neapl – Gott hab ihn selig – in meiner oberösterreichischen Heimat wusste, dass Äpfel und Birnen, richtig gemischt, den besten Most ergeben.

Im vorliegenden Fall ist es ein Vergleich von VW Touareg und Kia EV9, einmal Plug-in-Hybrid, einmal rein elektrisch. Beide aber sind sie große Kaliber, beide fraglos Premium, und damit gehen wir gleich in Kreksamer Res – nein, natürlich in medias res.

Der Touareg war 2002 VWs Eintrittskarte in die Premiumliga. 22 Jahre später versucht das Kia mit dem EV9.
Stockinger

Mit dem SUV Touareg schaffte VW vor 22 Jahren auf Anhieb den Einstieg in die Oberklasse; der Luxuslimousine Phaeton blieb dieser Erfolg verwehrt. Die dritte Generation gibt es seit 2018, 2023 frischte ein Facelift äußeres Erscheinungsbild und technische Inhalte auf, und der R eHybrid ist das neue Topmodell.

Der noble VW setzt auf den wuchtigen Auftritt und auf ergonomische Gestaltung. Ein bisschen klobig wirkt das aber schon.
Stockinger

Bedeutet: Plug-in-Hybrid, bestehend aus Dreiliter-V6-Turbobenziner (250 kW) und 100-kW-E-Maschine, die Systemleistung liegt bei 340 Kilowatt und 700 Nm Drehmoment, und an der 14,3-kWh-Batterie (netto) und der damit verbundenen elektrischen Normreichweite von 47 bis 51 Kilometer sieht man, dass das noch "alte" Ausbaustufe ist: In die neuen Tiguan und Passat sind bereits Akkus mit über 100 Kilometer Reichweite verbaut, und der mit dem Touareg technisch verwandte Porsche Cayenne schnappte sich bei der ebenfallsigen Modellpflege einen deutlich gehaltvolleren mit netto 22 Kilowattstunden.

Heckgestaltung des Touareg. Beim Plug-in-Hybrid ist übrigens aus Bauraumgründen keine Allradlenkung möglich. Im Vergleich mit dem EV9 wirkt der trotzdem viel wendiger.
Stockinger

Wie dem auch sei, im lauwarm winterlichen Testbetrieb kamen wir stets um die 40 Kilometer weit lokal emissionsfrei, für den Benziner ergab sich im Singulärbetrieb ein Verbrauchswert von ziemlich genau neun Litern auf 100 Kilometer. Nochmals: Artgerecht gehalten, sprich regelmäßig aufgeladen, wird man den Großteil der Woche elektrisch unterwegs sein, und sollte es einmal nötig sein, garantiert der Zusatz "R" eindrucksvolle Leistungsentfaltung.

Fast durchgehend nachteilig bei Plug-in-Hybrid: ein kleinerer Kofferraum als bei "normalen" Versionen.
Stockinger

Die Innenanmutung ist nobel, das Cockpit ergonomisch, aber etwas klobig wirkt das schon, und die Touch-Temperaturbedienung ist halt echt ein Unsinn, generell bei VW, eh schon oft geschrieben. Die Kopfstützen lassen sich (anders als beim Kia) so weit nach hinten stellen, dass man aufrechte Haltung einnehmen kann und nicht gleich einen Termin beim Orthopäden braucht. Mit dem Facelift hat auch die äußere Erscheinung gewonnen, der "Gleich fress ich dich"-Kühlergrill ist weg, satt und selbstbewusst steht der SUV auf der Straße, das e-Wort – e wir elegant – ist dennoch, wie bei fast allen Fahrzeugen dieses Kalibers und Zuschnitts, nicht wirklich angebracht.

Doppelte Sonnenblende wie bei Bentley: Ein Teil lässt sich zum Seitenfenster schwenken, hilfreich bei tiefstehender Sonne.
Stockinger

Angebracht aber ist ein Hinweis auf Fahrwerk und Komfort. Für 4,90 Meter Länge und 1,98 Meter Breite fährt sich der Riese richtig agil. Die 2,48 Tonnen merkt man zwar in den Kurven, an Abrollkomfort und Lenkgenauigkeit ist aber nichts auszusetzen. Die Luftfederung kompensiert nicht nur die Masse gekonnt, sie ermöglicht auch, das Fahrzeug höherzustellen, wenn es auf Schotter- oder Waldwege geht, weil man die eigenen Latifundien wieder einmal besucht. Auf der Autobahn senkt man dann ab bzw. lässt automatisch absenken.

Anders als bei den Nicht-Plug-in-Touaregs lässt sich im R keine Allradlenkung unterbringen (der aktive Wankausgleich auch nicht), schade, statt 11,2 Metern beträgt der Wendekreis folglich 12,2 und der des Kia EV9 übrigens 12,4. Und jetzt die schlechte Nachricht für Touareg-Fans: Es wird aus jetziger Sicht keinen Nachfolger geben, auch auf der Premium-Elektroplattform PPE ist kein ID.Touareg in Sicht – wohingegen der EV9, und damit sind wir bei Birne und Kia, gerade erst loslegt.

Nach dem dreht man sich um: Der EV9 ist ein Schrank von einem Elektro-SUV, die Designsprache kommt gut an.
Stockinger

Beim Design geht der Touareg keine Experimente ein, er ist bei aller behutsamen Weiterentwicklung eindeutig ein VW. Von dort stammte auch jener Mann, der Kia vom Koreabarock befreite und den Fahrzeugen der Marke ungemeine Sympathien zuführte und Begehrlichkeit weckte: Peter Schreyer.

Der Mann, der Kia die ersten entscheidenden Designimpulse gab: Peter Schreyer, einstiger VW-Mann.
Hyundai-Kia

Inzwischen rauscht seit seinem Abgang bereits die zweite Designwelle durch, anders als VW setzt Kia statt auf den evolutionären auf den revolutionären Weg. Dazu gleich einmal eine grundlegende Beobachtung: Ich habe noch keinen Kia erlebt, der solche Aufmerksamkeit erregt hätte wie dieser, nicht einmal der Stinger.

Wie außen betont der Kia auch innen Geradlinigkeit und Kanten. Und es gibt viele durchdachte Ablagen.
Stockinger

Klare Kante, wohin man schaut, und damit setzen wir uns rein in den ersten Kia, der so richtig in die Oberklasse drängt. Zur Oberklasse passt gleich das Sitzkonzept. Im Testwagen Sechserbestuhlung. Hinten ein Fall für Kinder, die Reihen zwei und eins für Erwachsene mit höchstem Komfortanspruch. Selbst der Fahrersitz lässt sich in einen Business-Halbliegestuhl verwandeln, sollte man sich beim Laden einen Powernap genehmigen wollen.

Für das Auflade-Schläfchen zwischendurch: Selbst der Fahrerinnensitz lässt sich in der Sechssitzerkonfiguration in einen Loungestuhl verwandeln.
Stockinger

Ich hätte das gerne gemacht bei der Ionity-Station in Pinkafeld, aber erst einmal musste ich alle Ladesäulen durchprobieren, aufgrund ei­ner Softwareverweigerung wurde ich immer wieder mit der Meldung bespaßt: "Ladefehler. Kommunikationsproblem. Die Zündung des Autos ausschalten" (sie war ausgeschaltet) oder "Ladefehler. Kommunikationsproblem. Bitte prüfen Sie (fehlendes Komma) ob die Zündung aus ist und versuchen es erneut". Als es nach 35 Minuten dann doch noch klappte, blies der Saft immerhin und auch dank Kias 800-Volt-Technologie mit 190, 195 Kilowatt in den Akku. In Summe eine Stunde liegen lassen.

Bei aufgestellter dritter Sitzreihe bleibt nicht viel Spielraum für Gepäck.
Stockinger

Bisschen merkwürdig, fiel mir dabei auf, dass sich die Fensterscheiben vorn beim Öffnen nicht ganz versenken lassen, da ragt dann noch ein knapper Zentimeter Glas heraus.

Beim Allrad-EV9 fasst der Frunk 52 Liter, beim Hecktriebler 90.
Stockinger

99,8 kWh groß ist die Batterie, bis zu 505 Kilometer Reichweite ergäbe das laut Normtest, zwischen 420 und 440 traute uns der Bordcomputer vollgeladen stets zu, und bei reichlich Autobahnfahrt im Österreich-üblichen Tempo genehmigte sich der EV9 um die 27 kWh/100 km Testverbrauch. Allrad, wie im Touareg (Heckantrieb gäb's auch), 282,6 kW und 700 Nm sind fraglos imposant in ihrer Wirkung.

Der diametral entgegengesetzte Formwille reicht bis zum Fahrzeugschlüssel.
Stockinger

Kurz noch zum Fahrkapitel. Dem Kia merkt man sein Fünfmetergardemaß an, da rangiert man behutsam in Garagen rein und raus, die Lenkpräzision oder -direktheit wäre ein ganz leises Desideratum. Allradlenkung würde eindeutig dazupassen, würde die Unhandlichkeit entschärfen, gibt's aber nicht. Auf der Autobahn ist der 2,6-Tonner ausgesprochen komfortabel, geschmeidig rollt der große Wagen ab – und zudem sind die Windgeräusche hervorragend weggedämmt, Kompliment an Kia.

Ionity-Station in Pinkafeld: Wenn die Software muckt, kann Laden zur Geduldsprobe werden. Nach 35 Minuten erbarmte sich Ladepunkt 5 dann endlich.
Stockinger

Ob der Einstieg in die Premiumliga glückt? Mit der E-Mobilität sind die Karten ohnehin neu gemischt. Es spricht nichts dage­gen, dass Kia oben mitspielt, technisch tun sie's ja auch. VW oder Kia, welchen ich nehmen würd'? Ich geh schnell Most holen beim Moar z' Neapl. Und meinen Bruder lass ich vorkosten. (Andreas Stockinger, 13.3.2024)