Der Fall des russischen Geschäftsmanns Arkadi Wolosch nimmt eine neue Wendung. Die Europäische Union hat die Sanktionen gegen den russischen Tech-Unternehmer aufgehoben. Das geht aus einer auf den 12. März 2024 datierten Durchführungsverordnung der EU vor, die dem STANDARD und dem deutschen "Spiegel" vorliegen. Auf Anfrage bestätigten Woloschs österreichische Rechtsanwälte der Wiener Kanzlei LGP, dass ihr Mandant von der Liste gestrichen wurde.

Arkadi Wolosch wurden von der EU-Sanktionsliste gestrichen
Arkadi Wolosch wurde von der EU-Sanktionsliste gestrichen.
AP/Alexander Zemlianichenko

Der Mitgründer des Digitalkonzerns Yandex war in den vergangenen Jahren zwischen die Mühlen der Weltpolitik geraten. Yandex galt als eine der wenigen modernen Erfolgsgeschichten der russischen Wirtschaft, als eine Art "russisches Google". Das Unternehmen entwickelte eine vielgelobte Suchmaschine, betrieb Lieferservices und Taxidienste. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 wurde Wolosch auf eine Sanktionsliste der EU gesetzt. Der Vorwurf lautete: Der Internetkonzern Yandex verbreite Propaganda im Sinne des Kreml und finanziere den Krieg über Steuerzahlungen.

Kritik an der "Atombombe des Rechts"

Dass Wolosch bereits 2014 nach Annexion der ukrainischen Krim seinen Lebensmittelpunkt nach Israel verlegt hatte, half ihm ebenso wenig wie sein sofortiger Rücktritt von der Spitze von Yandex. Auch als der Milliardär im Sommer 2023 Russlands "barbarische Invasion" kritisierte, beließ ihn Brüssel auf der Liste. Präsident Wladimir Putin hingegen wünschte dem Unternehmer daraufhin – eindeutig zweideutig – "gute Gesundheit". Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nannte Wolosch sogar einen "Verräter".

Anfang Februar dann wurde bekannt, dass Wolosch auch seine geschäftlichen Verbindungen nach Russland kappt: Kreml-treue Investoren übernahmen das Russlandgeschäft von Yandex für einen Spottpreis. Teile der Cloud- und KI-Entwicklung hingegen, die sich bereits im Ausland befinden, will Wolosch zur Keimzelle eines neuen, global agierenden Tech-Konzerns formen. Zahlreiche Russland-Experten hatten die Aufhebung der Sanktionen gegen Wolosch gefordert.

Woloschs Wiener Anwälte begrüßten die Brüsseler Entscheidung, sparten aber auch nicht mit Kritik. "Es tut gut zu sehen, dass der Rat der Union zumindest dort Einsehen hat, wo die Sanktionen nicht nur unbegründet und sinnlos sind, sondern für die EU sogar eindeutig schädliche Auswirkungen haben", sagte Rechtsanwalt Philip Goeth zu STANDARD und "Spiegel". Sein Partner Gabriel Lansky erklärte, Sanktionen seien "Atombomben des Rechts".

Wolosch wollte sich zunächst nicht zu der Entscheidung äußern. Eine Anfrage von STANDARD und "Spiegel" blieb bislang unbeantwortet. Doch nun, da er wieder in die EU reisen darf, könnte er womöglich bald wieder als aktiver Unternehmer in Erscheinung treten. Das Hauptquartier des abgespaltenen Yandex-Teiles befindet sich schon in Amsterdam. Wolosch hat sich dort schon vor Jahren eine Wohnung gekauft. (Benjamin Bidder, Oliver Das Gupta, 13.3.2024)