Der Chef der OMV-Kunststofftochter Borealis, Thomas Gangl
Thomas Gangl, seit knapp drei Jahren Chef von Borealis und davor knapp 23 Jahre im Mutterkonzern OMV tätig, bricht zu neuen Ufern auf.
Trend Wolfgang Wolak / VGN Medie

Ausschlaggebend sei die Nichtentlastung im vorigen Frühjahr durch den mehrheitlich vom Mutterkonzern OMV bestellten Borealis-Aufsichtsrat gewesen. Das hat gezeigt, auf wen sich Thomas Gangl (52), Chef von Borealis, verlassen kann und auf wen nicht. Auch wenn die Entlastung für das Geschäftsjahr 2022 kurze Zeit später nachgeholt wurde, habe er daraufhin begonnen, Angebote von Headhuntern ernster zu nehmen, heißt es aus dem Marktumfeld.

Außerdem ist zu hören, dass Gangl etwas gefunden habe, das wie auf ihn und seine Vorstellung von Gestalten zugeschnitten scheine. Mehr als dass seine künftige Tätigkeit kurze Entscheidungswege beinhalte, weil das an Mitarbeitern gemessen größere Unternehmen eigentümergeführt sei, nichts mit Kunststoffen zu tun habe und bisher nicht in Österreich vertreten sei, war vom STANDARD vorerst nicht in Erfahrung zu bringen.

Breiter Erfahrungsschatz

"Thomas Gangl ist eine Vorstandspersönlichkeit mit einem breiten Erfahrungsschatz bei der OMV, zuletzt als CEO von Borealis. Ich danke ihm für seine wertvollen Beiträge, die er in den vergangenen zwei Jahrzehnten für die OMV-Gruppe geleistet hat", teilte OMV-Vorstandsdirektorin Daniela Vlad, die zugleich Aufsichtsratsvorsitzende bei Borealis ist, in einer Aussendung mit. Aufsichtsrat und Gangl hätten sich einvernehmlich auf eine Beendigung des Mandats und des damit verbundenen Arbeitsvertrags zum 30. Juni geeinigt.

Details zur Nachfolge von Gangl an der Spitze von Borealis sollen zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben werden. Beobachter rechnen mit einer interimistischen Lösung, bis Klarheit über die künftige Struktur von Borealis und dem ebenfalls in der Petrochemie tätigen Unternehmen Borouge besteht.

Heikler Zeitpunkt

Der Abgang Gangls, der im April 2021 aus der Vorstandsetage der OMV an die Spitze von Borealis gewechselt ist, kommt tatsächlich zu einem heiklen Zeitpunkt. Seit einem Jahr schon versucht OMV-Chef Alfred Stern eine "Fusion auf Augenhöhe" zwischen der eigenen Kunststofftochter und dem Joint Venture Borouge aus den Emiraten hinzubekommen. Stern selbst hat vor Gangl Borealis geleitet. Borealis steht schon seit längerer Zeit wegen sinkender Kunststoffpreise unter Druck.

Der aus Oberösterreich stammende Gangl hatte, als es um die Nachfolge von Rainer Seele an der Spitze der OMV ging, Unterstützer, die ihn lieber als den aus der Steiermark stammenden Stern an der Spitze von Österreichs größtem Industriekonzern gesehen hätten. Seitdem ist das Verhältnis zwischen den beiden ein schwieriges.

Blick auf das Borealis-Werk neben der OMV-Raffinerie in Schwechat
Borealis, im Bild die Hauptproduktionsstätte neben der OMV-Raffinerie in Schwechat, soll mit Borouge aus den Emiraten zu einem größeren Ganzen zusammengeführt werden.
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Schwierig bis verwirrend sind auch die Überkreuzbeteiligungen der beteiligten Unternehmen, die zu einem größeren Ganzen zusammengeführt werden sollen. An Borouge, dem Kunststoff-Joint-Venture aus Abu Dhabi, hält Borealis 34 Prozent, 66 Prozent gehören dem staatlichen Ölkonzern Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc). Dieser ist seinerseits mit 25 Prozent an Borealis beteiligt und hält zudem 24,9 Prozent an der OMV. Diese wiederum ist mit 75 Prozent an Borealis beteiligt. Dann kommt noch die Staatsholding Öbag ins Spiel, die 31,5 Prozent an der OMV hält und ihr Aktienpaket mit jenem der Adnoc syndiziert hat.

Kurz vor Weihnachten schien der Zusammenschluss von Borealis und Borouge in trockenen Tüchern, bis die Verhandler von Adnoc im letzten Moment auf die Bremse traten. "In den Verhandlungen ist etwas passiert, was die Abus so erzürnt hat, dass sie die Stopptaste gedrückt haben," sagt ein Insider. Gangl selbst wurde, obwohl er sich angeboten habe, nie beigezogen und auch nicht konsultiert – was mit ein Grund sein mag, warum er jetzt geht.

Alte Rivalität

Gangl hatte einen Vierjahresvertrag, der Ende Mai kommenden Jahres ausgelaufen wäre – mit einer Verlängerungsoption bis Sommer 2028. Die Position als CEO eines fusionierten Unternehmens Borealis/Borouge wäre jedoch neu ausgeschrieben worden. Dass OMV-Chef Stern seinen alten Rivalen Gangl dort nicht allzu gern gesehen hätte, kann angenommen werden.

Vieles, was die in Transition befindliche OMV ausmacht, ist von Gangl auf den Weg gebracht worden. Dazu gehört die Wasserstoffelektrolyse, die heuer in Betrieb geht, ebenso wie die Erzeugung nachhaltiger Flugtreibstoffe oder die von OMV patentierte ReOil-Technologie, mit der Kunststoffe in synthetischen Rohstoff für die petrochemische Industrie umgewandelt werden kann.

Viele Aktivitäten

Darüber hinaus steuerte Gangl auch die Verlängerung der Joint-Venture-Vereinbarungen von Borealis mit Borouge, den Börsengang von Borouge an der Börse in Abu Dhabi sowie die endgültige Investitionsentscheidung für die Borouge-4-Anlage in Ruwais in den Emiraten. Sie wird nach Fertigstellung der weltweit größte Polyolefin-Komplex an einem Standort sein.

Gangl wolle für eine gute Übergabe bei Borealis sorgen und stehe dem Unternehmen, wenn gewünscht, noch bis Mitte des Jahres zur Verfügung. Bei welchem Unternehmen er andocke, werde zeitgerecht bekanntgegeben. (Günther Strobl, 15.3.2024)