Ausstellungsansicht Holbein Birgkmair Dürer
KHM-Museumsverband

Was für ein sauertöpfisch dreinblickendes Volk! Ein bisschen verklemmt, verbissen, bekümmert und hin und wieder auch mieselsüchtig schauen diese Ausgburger drein schon in jungen Jahren. Auch müde und teigige Gesichter findet man aus Pelzkrägen und Goldgeschmeiden ragend zuhauf. Dabei hätten gerade diese Gezeigten Grund zum Lachen, stammen sie doch alle aus reichen Patrizierfamilien.

Frühling ist’s, und das Kunsthistorische Museum widmet sich ab Dienstag der Renaissance. Aber es zeigt nicht die aus Italien, sondern deren deutsche Vertreter stehen auf dem Programm. Genauer gesagt: die Anfänge des Stils nördlich der Alpen. Holbein Burgkmair Dürer prangt es also statt Botticelli oder Leonardo auf dem Plakat. Im Haus ist man sich der Zugkraft des Titels sicher. Zu Recht? Weniger Hartgesottenen werden bei "Burgkmair" und "Augsburg" nicht gleich Bilder vorm inneren Auge erscheinen.

Es stehen dahinter aber nicht nur "solide, langjährige, wissenschaftliche Forschungen", wie Hausherrin Sabine Haag verrät. Sondern auch eine solide Erklärung, ist es doch so, dass um 1500 die Kaufmannsfamilien Fugger und Welser mit ihren Geschäften die Kunstströmung aus Italien in die Region nördlich der Alpen brachten. Ab dem vorherigen Jahrhundert importierte man neben Waren auch Kunstwerke. Die "welschen" Motive und Ornamente griffen nun allmählich auf ansässige Künstler über und mischten sich mit den "teutschen", wurden übernommen bis adaptiert.

Federzeichnung von Albrecht Dürers Entwurf für das Grabmal von Jakob und Sibylla Fugger (um 1510).
Federzeichnung von Albrecht Dürers Entwurf für das Grabmal von Jakob und Sibylla Fugger (um 1510).
Christ Church Picture Gallery

Hans Holbein der Ältere (um 1464–1524), Hans Burgkmair der Ältere (1473–1531) und Albrecht Dürer (1471–1528) bilden in Folge für die deutsche Renaissance den Ausgang. Zwar ist Letzterer Nürnberger, doch schuf auch Dürer für die Fugger. Weswegen man in Wien – die mit dem Städel erstellte Schau lief zuvor in Frankfurt – seine Rolle nicht nur auf dem Plakat stärker betont.

Zugkräftiges Dreigestirn

Ein bisschen ist das eine Flunkerei: Mehr als 170 Exponate zeigt das KHM. Federzeichnungen wechseln mit handkolorierten Drucken, Skulpturen und Gemälden, mittlere hängen neben kleineren Formaten, weshalb eine Wand die Schausäle teilt und gelungen Intimität schafft. Dürers Beitrag beschränkt sich auf nur eine gute Handvoll Werke, Holbein liegt im Mittelfeld. Das Gros der Exponate stammt von Burgkmair.

Warum? Weil er als Allrounder vom Altarbild zum Porträt, vom Tafelbild zum Druck seinen Auftraggebern alles anbot, sagt Guido Messling. Als Kurator für Deutsche Malerei am Haus hatte er die Idee zu dieser Schau, die auch alles anbietet: In den letzten Räumen dominieren Porträts von Bürgern, zuvor mit Maria, Heiligen, dem kleinen und gekreuzigten Jesus sakrale Szenen. Als Deutscher mit italienischen Wurzeln zeigt Messling sich beim Pressetermin aber auch persönlich von der Kulturkreuzung fasziniert.

Blick in den Teil der Ausstellung
Blick in den Teil der Ausstellung "Holbein Burgkmair Dürer" mit sakral motivierten Werken.
KHM-Museumsverband

Für Haag liegt es angesichts des KHM-Bestands "auf der Hand, endlich diese Arbeiten zu zeigen", lange wollte man das bereits, schon die Künstlernamen garantieren für sie bereits Qualität. Dem mag man nicht widersprechen: Zu den drei affichierten Künstlern gesellen sich in der Schau weitere, reizend etwa Hans Schäufleins Darstellungen eines Melancholikers und einer Sanguinikerin. Burgkmairs Holzschnitte König von Gutzin künden von der damaligen Faszination fürs Fremde.

Etwas vermisst man beim Gang durch die kleinteilige Schau jedoch eine über die Namen hinausgehende These. Und ist sie als große Frühjahrsschau nicht doch etwas zu brav? Ist Renaissance im Norden doch eher Spezialinteresse jener, die den Namen Burgkmair schon kennen?

"Italienisch" statt perfekt

Was zu der Frage führt: Warum tut das kaum noch jemand? Und das, obwohl Burgkmair den neuen Stil am stärksten aufgriff und, während der im spätgotischen Stil wurzelnde Holbein zeitlebens mehr in die Niederlande schaute, auch neue Farbdrucktechniken vorantrieb. Er war, räumt Messling ein, vielleicht letztlich "zu italienisch" für den Norden. Steht man vor den dicken Linien der Kreuzigung Christi, versteht man andererseits gleich, was Messling meint, wenn er auch sagt, Burgkmair hätten Dürers Finesse, Perfektion gefehlt. Was seine Bedeutung nicht schmälert, aber den Blick doch weniger fesselt.

Die
Die "Hl. Katharina" (um 1509/10) von Hans Holbein dem Älteren.
Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

Es war eine glückliche Fügung aus Handelsrouten und Geld, die die Renaissance nach Augsburg und beide ab 1500 zur Blüte brachte. Dank der Teilnehmer an den Reichstagen Maximilians I. verbreitete sich die Renaissance von hier aus weiter, wegen des Habsburger-Kaisers verfügt das KHM auch über viele dieser Werke. Womöglich ist das Naheliegende und Solide der Hemmschuh, der die Schau letztlich mehr Pflichttanz als Kür sein lässt. (Michael Wurmitzer, 17.3.2024)