Das Naturhistorische Museum Wien wurde in den Jahren 1872 bis 1881 unter Kaiser Franz Joseph erbaut und ist eines der bedeutendsten Naturmuseen der Welt. Heute soll es ein Begegnungsort zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sein.
Das Naturhistorische Museum Wien wurde in den Jahren 1872 bis 1881 unter Kaiser Franz Joseph erbaut und ist eines der bedeutendsten Naturmuseen der Welt. Heute soll es ein Begegnungsort zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sein.
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So einen 220 Millionen Jahre alten Plateosaurus aus der Obertriaszeit zusammenzubauen ist gar kein einfaches Unterfangen. Da muss man behutsam Wirbelknochen ineinanderfügen, die Mittelhandknochen richtig positionieren, hämmern, schrauben und einfädeln.

"Der Dinosaurier wirkt zu känguruartig, mit seinem Schweif nach unten", sagt jemand. Bis vor ein paar Jahrzehnten dachte man sowieso, der Plateosaurus sei ein Vierbeiner gewesen. Heute weiß man: Er ist auf zwei Beinen gelaufen. Morgen kann die Wissenschaft das schon wieder anders sehen.

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Joerg Burgers Dokumentarfilm Archiv der Zukunft wirft einen Blick hinter die Kulissen des Naturhistorischen Museums in Wien, in dem über Jahrhunderte hinweg mehr als 30 Millionen Objekte aus den verschiedensten Zeiten und Orten angesammelt wurden. Da gibt es aufgespießte Käfer mit imposanten Geweihen in allen Farben und Formen, bunte Reptilien und Vögel und längliche Glasbehältnisse, gefüllt mit konservierenden Flüssigkeiten und drachenartigen, längst ausgestorbenen Leguanarten.

Ausgestopft und präpariert

Das Naturhistorische Museum hat sich der Grundlagenforschung verschrieben, die keinen Anwendungsbereich hat, außer Wissen zu kumulieren – und welches Wissen wir in Zukunft brauchen können, lässt sich nicht voraussagen.

Der liebevolle Blick, den Joerg Burger auf diesen Mikrokosmos institutioneller Forschung wirft, ist ein ungewöhnlicher: Alles, was man sieht, ist tot. Als Mensch wird man damit konfrontiert, in welchem Verhältnis wir selbst zur Natur stehen, wie eingebunden wir in Prozesse sind, die größer sind als die Menschheit selbst. Das gesamte Haus spiegelt die Evolution wider. Weil die Naturwissenschaften dafür nicht ausreichen, muss man dafür auch die Geisteswissenschaften ins Boot holen, um sich existenziellen Sinn- und Bedeutungsfragen anzunähern.

Ein ausgestopfter Papagei im NHM.
Ein ausgestopfter Papagei im NHM.
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Archiv der Zukunft beschäftigt sich aber auch kritisch mit der Geschichte des Museums. Teile der Sammlung wurden in kolonialen Zeiten durch gewaltvolle Prozesse akquiriert. Diese Berge an Daten und Exponaten systematisch zu kategorisieren und zu archivieren, scheint ein nie endender Prozess zu sein. "Egal wie viel Arbeit ich reinstecke, ich werde es nie schaffen", sagt ein Museumsmitarbeiter an einer Stelle. Hier werden nicht nur prähistorische Arten konserviert, sondern auch Wissen – und das scheint ein nie endender langwieriger und schwer verständlicher Prozess zu sein.

Wissen für die Zukunft

Schwer verständlich an der Dokumentation ist leider die Entscheidung, die Museumsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter weder namentlich nochin ihrer jeweiligen Funktion zu nennen. Dadurch wird die kindliche Begeisterung, die Archiv der Zukunft entfacht, etwas geschmälert.

Trotzdem ist dem Regisseur ein Film gelungen, der das Vergängliche für die Nachwelt dokumentiert. Die Sammlung des Museums wird wohl auch noch da sein, wenn wir längst verschwunden sind. Und wer weiß: Vielleicht wird der Mensch dann auch ausgestopft und in Schaukästen präsentiert. (Jakob Thaller, 16.3.2024)