Zehn Milliarden US-Dollar (9,22 Milliarden Euro) – laut "Ahram online" gar 15 Milliarden – sind schon angekommen: Das Geld aus dem 35-Milliarden-Dollar-Deal, den Ägypten Ende Februar mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) abgeschlossen hat, hat zu fließen begonnen. Wirtschaftsleute sind sich darüber ziemlich einig, dass der Influx von Cash in die leeren ägyptischen Kassen den gewünschten Effekt haben wird, auf den die Menschen in Ägypten während des Ramadans noch dringlicher warten als zuvor: dass die Lebensmittelpreise sinken. Die Dynamik in der Lieferkette setzt sich jedoch nur langsam von oben nach unten fort, meldete eines der wenigen verbliebenen kritischen ägyptischen Medien, "Mada Masr", vor wenigen Tagen.

Auch Ramadan-Dekorationen sind heuer für viele Menschen in Ägypten nicht leistbar. In einem Workshop einer privaten NGO lernen Kinder in Giza aus recycelten Materialien selbst etwas zu basteln.
REUTERS/Amr Abdallah Dalsh

Vom Dilemma, in das der Ramadan heuer die normalen Menschen stürzt, berichten aber auch die Staatsmedien. Wie immer haben die staatlichen "Ahlan Ramadan"-Märkte vor dem Fastenmonat aufgesperrt, in denen Grundnahrungsmittel zu gesenkten Preisen abgegeben werden. Aber auch die sind für viele noch zu teuer. "Al-Ahram" gibt die Zahlen der offiziellen Statistikagentur wieder: Um 60 Prozent wären demnach Lebensmittel von Dezember 2022 bis 2023 teurer geworden, Geflügel und Fleisch sogar um fast 74 Prozent. Wer kann, hat sich rechtzeitig vor dem Ramadan Hühnerküken gekauft, die, wenn sie groß sind, geschlachtet werden. Auf den Dächern von Kairo wachsen Obst und Gemüse. Aber auch die ägyptische Kreativität hat irgendwann einmal ein Ende. Und die Stimmung wird zusätzlich getrübt durch das palästinensische Leiden im Gazastreifen.

Das ist die Situation, in der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit einigen europäischen Politikern, darunter auch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer, am Wochenende in Kairo ein Investitions- und Hilfspaket von 7,4 Milliarden Euro bis 2027 vorstellte. Nicht wenig, aber dennoch ein Tropfen auf den heißen Stein. Dem europäischen – und dem österreichischen – Wahlvolk wird das als "Migrationspaket" schmackhaft gemacht. Für Ägypten geht es jedoch um viel mehr, als ein paar Leute davon abzuhalten, nach Europa zu kommen.

Freigabe des ägyptischen Pfunds

Wer Dienstagfrüh die Homepage von "Ahram online" aufrief, hatte den Eindruck, auf Ägypten gehe ein wahrer Geldregen nieder: sechs Milliarden US-Dollar von der Weltbank, 7,4 Milliarden Euro von der EU, acht Milliarden Dollar vom Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie die Ankunft der ersten Tranche der emiratischen Milliarden. Um den IWF-Kredit zu bekommen, musste das ägyptische Pfund freigegeben werden. Dagegen hatte sich die Zentralbank lange gewehrt. Das bedeutete die fünfte Abwertung seit 2022, aber immerhin gibt es nun realistische Wechselkurse.

Der IWF verlangt jedoch auch noch andere Reformen – unter anderem Transparenz bei der Vergabe von Staatsaufträgen –, die politisch nur schwer durchzusetzen sind. Denn sie betreffen die direkten wirtschaftlichen Interessen der Armee, die außerhalb der zivilen Kontrolle steht. Zuletzt sind öffentliche Auftritte von Staatspräsident Abdelfattah al-Sisi aufgefallen, in denen er sich sogar dem Verteidigungsminister – den der Präsident nicht einmal allein ernennen darf – pampig autoritär zeigt. Immer wieder betont Sisi, der fast zehn Jahre im Amt ist, dass er selbst nicht an den wirtschaftlichen Problemen schuld ist. In den vergangenen Jahren war er eher durch Predigten an seine Bevölkerung aufgefallen, in denen er verkündete, dass sie für die Entwicklung des Landes Opfer zu bringen hätte.

"Big Spender" Abu Dhabi

Der "Big Spender" in Ägypten ist derzeit Abu Dhabi, das gemeinsam mit Saudi-Arabien bereits 2013 die Machtkonsolidierung Sisis nach dem Sturz des erratisch agierenden Muslimbruderpräsidenten Mohammed al-Morsi finanziert hatte. Im Morsi-Jahr 2012/13 war das Emirat Katar dafür in Verruf gekommen, Ägypten aufzukaufen. Damals war das noch Stoff für Kabarettisten. Bei der heutigen Repression kämen sie in Schwierigkeiten, würden sie sich über die Deals zwischen Sisi und den Vereinigten Arabischen Emiraten lustig machen. Den VAE wurde – zu einem günstigen Quadratmeterpreis, schimpfen manche – ein Küstengebiet am Mittelmeer zwischen Alexandria und Marsah Matruh überlassen, das touristisch entwickelt werden soll. Das ist für die VAE auch wegen der Lage am Mittelmeer strategisch interessant.

Es wäre nicht die arabische Welt, würden nicht auch politische Verschwörungstheorien gesponnen: Dem unter Druck geratenen Sisi werde deshalb international geholfen, um ihm doch noch die Aufnahme – und Ansiedlung – von Flüchtlingen aus dem Gazastreifen auf der Halbinsel Sinai zu versüßen. Auch die USA sollen an den Überredungsversuchen beteiligt sein, obwohl die offizielle US-Linie jede Absiedlung von Palästinensern aus Gaza ablehnt. In diesem Zusammenhang wird an den Erlass ägyptischer Schulden durch die USA anlässlich des Golfkriegs gegen den Irak Saddam Husseins 1991 erinnert, für den die arabische Kooperation nötig war. An den abenteuerlichen Theorien stimmt eines: Der enorme Schuldendienst, den Ägypten leisten muss, wird einiges der finanziellen Erleichterung zunichtemachen, die der derzeitige Fluss von Investitionen, Hilfen und Krediten verschafft. (Gudrun Harrer, 20.3.2024)