Hinten ist das neue Vorne, die Modesünde Arschgeweih gilt wieder als heiße Sache.
Hinten ist das neue Vorne, die Modesünde Arschgeweih gilt wieder als heiße Sache.
imago/blickwinkel

Wie viele Menschen unwissentlich die aus der Gastronomie kommenden chinesischen Schriftzeichen für Huhn mit Zitronengras auf ihrem Körper tragen, muss trotz des Alters dieses Witzes weiterhin Vermutung bleiben. Als gesichert gilt aber, dass es auch unter Tätowierern Menschen gibt, die gerne Unfug treiben.

Wenn wir diesen Donnerstag, am 21. März, nicht nur den jährlichen Tag des Baguettes oder den Welttag der Poesie, sondern auch den World Tattoo Day feiern, muss man auch eine weitere alte These berücksichtigen: Tattoos müssen nicht nur dem Träger eine gewisse Stärke oder ein gesteigertes Selbstbewusstsein verleihen – oder, an den richtigen Stellen platziert, die sexuelle Attraktivität steigern (na, ja). Auch die Mitgliedschaft in einer religiösen Vereinigung wie Mutter Kirche, Rapid oder Ottakringer Bier wird so speziell in der warmen Jahreszeit durchaus als "Körperschmuck" nach außen getragen.

Wie ein Verkehrsunfall

Immer wieder bestätigt ein kurzer Rundblick im Freibad und auf Open-Air-Festivals eines: Tattoos sollen mitunter richtig hässlich sein. Das bannt beim Träger und der Trägerin den bösen Blick. Die Faszination des Schreckens, bei einem Verkehrsunfall nicht wegsehen können, Gänsehaut wider Willen: Vor einiger Zeit waren im Kabelfernsehen nicht ohne Grund Sendungen beliebt, die davon handelten, wie man die hässlichsten Tattoos der Welt wieder wegkriegt. Anders als mit dem Lasern wurde dort die Flucht nach vorn angetreten und auf eine missglückte Bletschn eine noch größere, neue draufgesetzt. Auch das bewirken Tattoos. Man ist gezeichnet für sein Leben. Ein Tipp: Wie bei Skischuhen, der Matratze und Lebensmitteln soll man auch bei Tätowierern nicht sparen.

Die aktuell beliebten kleinteiligen und gewollt schiachen Sticker-Tattoos bei jungen Leuten, die im besten Fall an die Aufnäher auf Rennfahrer-Overalls und im schlimmsten an eine Angelegenheit für den Hautarzt erinnern, scheinen jedenfalls langsam ins Out zu driften. Die noch mit guten alten Ankern oder Jolly Rogers, dem lieben Herrn Jesus, Schlangen und Monstern, Namen von Metal-Bands oder der großen Ex-Ex-Jugendliebe "Gabi" und dem Zusatz "ist doof" tätowierten Großeltern aus den 1970er-Jahren, die sich vor einem Vierteljahrhundert über die Arschgeweihe ihrer Söhne und Töchter geärgert haben, werden seit neuestem auf jeden Fall abgefeimter auf die Palme getrieben. Führende Fachmagazine wie Vogue, RTL und Cosmopolitan berichten aktuell, dass sich die Enkerln angesichts ihrer modischen und musikalischen Verehrung für die wirklich schlimmen späten 1990er-Jahre derzeit wieder Steißtattoos pecken lassen. Es war nicht alles gut an der Love Parade!

Huhn mit Zitronengras

Erstmals medial erwähnt wurde der Begriff "Arschgeweih" laut dem Nachrichtenmagazin Profil im März 1999, also vor 25 Jahren. Ein Datum, das zum World Tattoo Day wie die Faust aufs Auge passt. Höchste Zeit also für ein Comeback des wenige Jahre später schon wieder despektierlich als "Unterschichtphänomen" verhöhnten Körperschmucks. Was an einem Peckerl gut sein soll, das man selbst nur unter Verrenkungen vor dem Spiegel bewundern kann, bleibt ebenso ungeklärt wie die Sache mit dem Huhn und dem Zitronengras. Vielleicht kann man sich ein Arschgeweih ja als Ergänzung zum Landing Strip vorstellen. Die Medaille hat zwei Seiten. Immer diese Erotik! (Christian Schachinger, 21.3.2024)