Die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete Müllverbrennungsanlage in Wien-Spittelau ist mit ihrem Turm mit goldener Kappe aus weiten Teilen der Stadt nicht zu übersehen.

Achtung, Lieferung: Vergangenes Jahr wurde die Rauchgaskondensationskolonne eingebaut.
Wien Energie / Johannes Zinner;

Im Sommer des Vorjahres gab es hier aber noch einmal mehr zu schauen: Damals wurde ein zylinderförmiges Gerät mit dem sperrigen Namen Rauchgaskondensationskolonne geliefert. Für die acht Tonnen schwere Gerätschaft musste erst das Dach des Gebäudes geöffnet werden. Acht Stunden dauerte es, bis das grünliche Objekt an Ort und Stelle platziert war. Damit war ein wichtiger Baustein für eine neue Großwärmepumpe gelegt, mit deren Hilfe die Wien Energie ihre Fernwärme bis 2040 dekarbonisieren will.

Nutzung von Rauchgas

Denn in Spitzenzeiten, also in der Heizsaison im Winter, braucht es für die Produktion heute noch Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die mit Erdgas betrieben werden. Abhilfe soll in den kommenden Jahren die stärkere Nutzung von Tiefen-Geothermie liefern – und eben auch Großwärmepumpen mit einer Leistung über zehn Megawatt. Die dritte Wiener Großwärmepumpe entsteht aktuell in der Müllverbrennungsanlage Spittelau, wo bereits heute Wärme und Strom für rund 50.000 bzw. rund 60.000 Haushalte produziert wird. Mit dem Großwärmepumpen-Projekt kommt Wärme für weitere 16.000 Haushalte dazu.

Eine wichtige Rolle spielt dabei das Rauchgas, das bei der Verbrennung des Mülls in der Anlage entsteht und das bisher, mehrfach gereinigt, mitsamt der Abwärme über den Schlot in die Wiener Luft abgegeben wurde. Dabei könne man diese Wärme nutzen, sagt Holger Huschka, der Projektverantwortliche der Wien Energie, die 40 Millionen Euro in die Anlage investiert. "Das Rauchgas hat nach der zweiten Reinigungsstufe rund 60 Grad", sagt er. "Da setzen wir an."

Die Großwärmepumpen sind das "Herzstück" der Anlage. Ab dem Sommer wird die Anlage in einen Testbetrieb gehen, ab dem Beginn der Heizsaison soll hier Wärme produziert werden.
Wien Energie

Das funktioniert, indem man das Kondensat nutzt, das sich bei der Abkühlung dieses Rauchgases bildet – übrigens nach dem gleichen Prinzip, nach dem sich im Winter Kondensat auf kalten Fenstern bildet, auf die warme Heizungsluft trifft. Mittels Wärmetauschern werden diesem Kondensat rund zehn Grad entzogen und dann zu einer Großwärmepumpe geführt, wo der Rücklauf der Fernwärme – also das, was nach dem Beheizen der Häuser noch an Wärme übrig ist – wieder erhitzt wird. Das aufgeheizte Wasser fließt dann wieder zurück ins Fernwärme-Netz.

Das Kondensat wird danach in der Müllverbrennungsanlage weitergenutzt. Damit wird Wasser, das andernfalls dem Donaukanal entnommen wird, eingespart. 125.000 Kubikmeter an Wasser sind das pro Jahr. Das klingt alles einigermaßen kompliziert, "aber die Ideen an sich sind nicht neu", sagt Huschka.

"Das Herzstück"

Baustart war vor gut einem Jahr. Eine große Herausforderung war bereits die Planung. Denn die Wärmepumpen-Anlage musste in die bestehende Müllverbrennungsanlage hineingepasst werden, ein Aus- oder Zubau des Gebäudes war nicht möglich.

Und nicht nur die Lieferung der tonnenschweren Gerätschaften war eine Herausforderung, gleichzeitig musste nämlich auch bereits überlegt werden, wie diese im Fall des Falles aus dem Gebäude auch wieder abtransportiert werden könnten.

Auch statisch musste das Bestandsgebäude ertüchtigt werden, erklärt Huschka – allein schon für die Lieferung der eingangs erwähnten Rauchgaskondensationskolonne. Damit der dafür nötige Kran nämlich überhaupt aufgestellt werden konnte, mussten wiederum die unterirdischen Garagen verstärkt werden.

Wo heute die beiden Wärmepumpen und damit laut Huschka das "Herzstück der Anlage" stehen, waren zuvor ein Stahlbau und eine Betonplatte, die platzbedingt in Kleinarbeit zerstückelt und abtransportiert werden mussten.

Derzeit laufen noch die Verrohrungsarbeiten. An die hundert Arbeiter sind aktuell im Einsatz. Viele der Rohre, die hier später nötig sein werden, verlaufen derzeit noch ins Leere. Und damit die Pumpen dann später auch wirklich ordnungsgemäß laufen, müssen noch viele Kilometer an Kabeln durch die Anlage gezogen werden.

Probedurchlauf startet

In einigen Wochen muss das Dach der Müllverbrennungsanlage noch ein weiteres Mal geöffnet werden. Dann wird eine zweite Rauchgaskondensationskolonne geliefert. Danach wird es langsam ernst: Ab dem Sommer wird mit einem Probedurchlauf der Anlage gestartet, bei dem unter anderem überprüft wird, ob die Pumpen sich überhaupt in die richtige Richtung drehen und der Druck in den Leitungen stimmt. Dass von Anfang an alles zu 100 Prozent funktioniert, sei bei einem solchen Projekt auszuschließen, weiß Huschka aus Erfahrung.

Bis Anfang 2025 soll die Wärme dann aber in die Netze gespeist werden. Weitere Projekte sollen folgen. (Franziska Zoidl, 29.3.2024)