Marin Alsop, die US-amerikanische Dirigentin ist eine Vorreiterin in der Klassikszene.
Marin Alsop. Die US-amerikanische Dirigentin ist eine Vorreiterin in der Klassikszene.
JFV

"Unser Programm feiert die Macht der Frauen!" Zur Ankündigung von Marin Alsop beim Konzert des ORF RSO Wien konnte man natürlich nur jubeln – und das tat das Publikum am Donnerstagabend im großen Konzerthaussaal auch spontan. Ohne Frauen wäre die Welt nur halb so schön.

Stoff für Hollywood

Auch die Bibel feiert die Frau, wiewohl auf ihre eigene, etwas verschrobene Weise. Johannes von Patmos berichtet in seiner Offenbarung von einer Mutter, die von einem satanischen Drachen verfolgt wird; die himmlischen Heerscharen stehen ihr bei. Dieses endzeitliche Schreckensszenario schreit nach einer Verfilmung durch die Kreativgötter Hollywoods. Wenn eine solche geschähe, wäre Sir James MacMillans spektakulärer Halbstünder Woman of the Apocalypse die ideale Filmmusik einer Produktion, die sich Jerry Bruckheimer mit den Wachowskis teilt. Mehr für einen europäischen Arthouse-Streifen wäre Roxanna Panufniks Two Composers, Four Hands geeignet. Der mittlere Teil des familiengeschichtlich inspirierten Werks für Doppelstreichorchester wurde zum Herzstück des Abends, mit seinen schmerzenden und zugleich wärmenden Streicherklängen.

Patricia Kopatchinskaya, hier im Rahmen der Salzkammergut Festwochen 2015.
Patricia Kopatchinskaya, hier im Rahmen der Salzkammergut-Festwochen 2015.
imago/Rudolf Gigler

Und Aureliano Cattaneos Not Alone We Fly? Die österreichische Erstaufführung des Auftragswerks des RSO Wien und des Konzerthauses war bei Patricia Kopatchinskaja in besten Händen. Wucht, Finesse und tänzerische Lust wechselten sich in ihrer Interpretation des Violinkonzerts ab. Die Geige wurde immer wieder zur Impulsgeberin für das souverän agierende Orchester, der Italiener erschuf in dem zweiteiligen Werk so vielfältige wie präzise Klangszenerien. An dieses Niveau kam die Uraufführung von Hannah Eisendles no na nicht ganz heran.

Die "Tondichtung in fünf Bildern" ließ Anklänge an Strauss’ Eulenspiegel-Schalk erkennen; das miniepisodisch strukturierte Werk, das laut Eisendle "Frauen, die mit einer Selbstverständlichkeit sie selbst sind", beschreibt, bot von allem etwas: spätromantische Dramatik und Filmmusikfun zwischen Zeichentricklustigkeit und Indiana Jones-Schwung. Häppchenmusik für die Generation Tiktok? (Stefan Ender, 22.3.2024)