Die Herausgeberin und aktuelle Chefredakteurin Eva Schütz in der kleinen Parkanlage im Innenhof des Gebäudes, in dem die "Exxpress"-Redaktion untergebracht ist.
Heribert Corn

Eva Schütz läuft durch den Flur der Exxpress-Redaktion. Der Teppichboden sei "etwas na ja", sagt sie, generell sei das Haus sanierungsbedürftig. Dabei ist die Lage beim Wiener Volkstheater "top", das Gebäude ein in die Jahre gekommenes Juwel mit Park im Innenhof. Die Redaktionsräumlichkeiten sind aber jedenfalls "etwas na ja", wenn die Bezugsgröße das Leben einer Multimillionärin ist.

Schütz wirkt in ihrer eigenen Redaktion wie ein Fremdkörper – in jeder Hinsicht. Ihr Auftreten wirkt aufgeräumt, freundlich, frisch. Eva Schütz ist aber auch als Mensch der Fremdkörper in ihrem eigenen Lebensprojekt: Sie ist eine höfliche, zurückhaltende Bürgerliche – und gleichzeitig Gründerin, Herausgeberin und inzwischen auch Chefredakteurin des wahrscheinlich reißerischsten Boulevardmediums Österreichs, eines gnadenlosen Krawallportals, das zuletzt vor allem durch Russlandpropaganda auffiel. Wie passt das zusammen?

Sie setzt sich auf die Couch in ihrem Büro. Die Möbel hier seien auch schon älter, sagt Schütz, bevor man darüber hätte nachdenken können. Sie befindet sich scheinbar konstant im Modus der Selbstreflexion. Allerdings nicht, weil sie unsicher ist, sondern weil sie gelernt hat, dass von nichts nichts kommt – bereits in ihrer Kindheit sei in ihr "der Leistungsgedanke" gekeimt, erzählt sie. Und in den Kreisen, in denen Schütz heute verkehrt, sind die Begriffe Leistung und Optimierung sehr eng miteinander verknüpft.

Laufen in Dallas und Wien

Schütz ist gerade 50 geworden und hat eine außergewöhnliche Karriere hinter sich. Sie hat Jus studiert, in Dallas einen Bachelor of Business Administrations gemacht, zehn Jahre lang als Scheidungsanwältin gearbeitet. Schütz war Leistungssportlerin und ist mehrfache Staats- und Vizestaatsmeisterin im Langstreckenlauf. Sie hat zwei Töchter, die inzwischen beide im Teenageralter sind. Sie hat in der Politik gearbeitet und dann eben ein Medium gegründet. Bis heute ist Eva Schütz aber vor allem auch dafür bekannt, die Frau von Alexander Schütz zu sein.

Alexander Schütz ist ein österreichischer Investor und zählt zu den 100 reichsten Menschen Österreichs. Um die Dimension klarzumachen: Das Ehepaar Schütz hat das Schloss Neuwaldegg gekauft und generalsaniert, als sich die Kirche den Erhalt nicht mehr leisten konnte. Das Schloss hat eine Wohnfläche von rund 1000 Quadratmetern, neben mehreren Hausangestellten soll es eine vollzeitbeschäftigte Restaurateurin geben, die sich um die historischen Gemäuer kümmert. Das ist im Magazin Schlosssseiten nachzulesen, in dem vor einem Jahr eine Homestory erschienen ist. Heute lebt Schütz mit ihren beiden Kindern in dem Schloss – und von ihrem Mann getrennt. Geschieden sind die beiden nicht.

Es war 2018, als das Berufsleben von Eva Schütz eine unerwartete Wendung nahm. Sebastian Kurz war zu dieser Zeit gerade Kanzler geworden. Schütz kannte und schätzte ihn und hatte für die ÖVP im Bereich Justiz das Regierungsprogramm mit den Freiheitlichen verhandelt. 2018 wechselte sie in die Politik, ins Finanzministerium. Sie wurde stellvertretende Kabinettschefin im Ressort von Minister Hartwig Löger, einem österreichischen Manager, den Kurz in die Regierung holte. Schütz wurde damit auch Stellvertreterin von Kabinettschef Thomas Schmid, der damals noch als treuer Gefolgsmann von Kurz auftrat. Heute versucht er, in der türkisen Inseratenaffäre Kronzeuge zu werden.

Eva Schütz will sich nicht als reiche "Tussi" abstempeln lassen.
Heribert Corn

Schütz’ Sprung in die Politik hat einen Schönheitsfehler. Ihr Mann ließ Sebastian Kurz für dessen Wahlkampf fast 100.000 Euro an Spenden zukommen. Für viele Beobachter lag der Schluss nahe: Eva Schütz hat sich in die Politik hineingekauft. Sie selbst sieht das natürlich anders, als Anwältin sei sie für einen juristischen Kabinettsjob mehr als geeignet gewesen. Und ihr Mann habe Kurz über sie kennengelernt, nicht umgekehrt. Nach seinem Ausstieg aus der Politik hat Kurz mit Alexander Schütz ein Unternehmen gegründet.

Eva Schütz trägt einen schlichten dunkelblauen Anzug, die Haare sind perfekt geföhnt. Als reiche "Tussi" wolle sie sich nicht abstempeln lassen. Sie lege keinen Wert auf Chanel-Täschchen und teure Schuhe, betont sie. Schütz wollte immer Karriere machen – und "tatsächlich etwas verändern", wie sie sagt.

Aber warum Exxpress? Schütz habe nach ihrer Zeit in der Politik befunden: "Die Medienlandschaft in Österreich ist nicht vielfältig genug." Und so, erzählt sie, sei in ihr der Gedanke gewachsen, es brauche ein neues Medium. Ein "bürgerliches Boulevardmedium", in dem "bürgerliche Themen für die Masse heruntergebrochen werden" und Ideen zu Themen wie Eigentum, Leistung und Wirtschaftsstandort im Mittelpunkt stünden. Nicht einmal Eva Schütz bestreitet, dass der Exxpress für all das heute wahrlich nicht bekannt ist. Ist das Projekt aus dem Ruder gelaufen?

2021 startet der Exxpress. Und Schütz setzt auf den geschassten Krone -Online-Chef Richard Schmitt, der die Kronen Zeitung nach Aufkommen des Ibiza-Skandals verlassen musste. Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte auf der Urlaubsinsel auch über sein gutes Verhältnis zu Schmitt palavert. Es habe jemanden gebraucht, der Boulevard kann, erklärt Schütz das Zustandekommen der Zusammenarbeit. "Und für den Markteinstieg war es auch gut, jemanden zu haben, der polarisiert."

Neuausrichtung des "Exxpress"?

Schütz fungierte als Herausgeberin, Schmitt war Chefredakteur – und im Sinne der Polarisierung hat er geliefert. Der Medienwatchblog Kobuk analysierte im Jänner: Exxpress verharmlose Rechtsextremismus, dramatisiere Linksextremismus und berichte unvollständig oder "gar nicht über Fakten", um die gewünschte Botschaft zu transportieren. Gemeinsam mit dem Falter sah sich Kobuk vergangenes Jahr die Russland-Berichterstattung des Krawallmediums an. Das Fazit: Finanziert mit Steuergeld flute Exxpress "die öffentliche Arena mit Putin-Propaganda".

Mit Schmitt sei sie über die Zukunft des Mediums "nicht immer einer Meinung gewesen", rechtfertigt sich Schütz heute. Anfang des Jahres musste er als Chefredakteur gehen. "Mit Krawall habe ich gar nichts zu tun", meint Schütz. Jetzt wolle sie Exxpress "verbreitern und vergrößern" und wieder mehr ihren Plan von einst verfolgen: bürgerlichen Boulevard.

Schütz möchte das Medium "Exxpress" nun verbreitern und vergößern.
Heribert Corn

Aktuell würden zehn Vollzeitmitarbeiter redaktionell bei Exxpress arbeiten, einst waren es mehr als doppelt so viele. Auch die TV-Formate wurden kontinuierlich eingespart. Im klassischen Fernsehen sehe Schütz keine Zukunft mehr, sagt sie. Bewegtbild werde aber auch künftig ein fixer Bestandteil von Exxpress bleiben.

Aufgewachsen ist Schütz ganz anders, als sie heute lebt: in einer Genossenschaftswohnung in Wien. Der Vater war Eisenbahner, die Mutter Hausfrau. Ihr Kinderzimmer habe "circa drei Quadratmeter" gehabt, erzählt sie. Ein Bett, ein Schreibtisch. Es sei eine schöne Kindheit gewesen, sagt Schütz. "Wahrscheinlich auch, weil ich immer das Gefühl hatte: Da geht noch mehr." Sie sei auch gar nicht sicher, ob Reichtum dem Glück nur zuträglich sei, sagt Schütz.

In den Exxpress werde sie weiterhin auch privates Vermögen investieren. Sie hatte gehofft, dass sich das Projekt nach drei Jahren selbst finanzieren würde. Der Plan ging nicht auf. Schütz macht nicht den Eindruck, als würde sie das belasten.

Wahrscheinlich macht viel Geld zumindest etwas lockerer. (Katharina Mittelstaedt, 23.3.2024)