Wien – Unter ihrer Führung arbeiten rund 370 Journalistinnen und Journalisten, die im multimedialen Newsroom täglich 100 News-Angebote für den ORF produzieren: Johannes Bruckenberger, Gabi Waldner-Pammesberger und Sebastian Prokop stehen seit 1. Dezember 2023 an der Spitze von Österreichs größter Redaktion.

Das Trio an der Spitze der ORF-Redaktionen - v.l.n.r.: Sebastian Prokop, Gabriele Waldner-Pammesberger und Johannes Bruckenberger.
Das Trio an der Spitze der ORF-Redaktionen (von links): Sebastian Prokop, Gabriele Waldner-Pammesberger und Johannes Bruckenberger.
ORF/Hans Leitner

Donnerstag vergangener Woche im ORF-Zentrum am Küniglberg: Knapp fünf Monate nach seinem Antritt absolviert das Trio einen Interviewmarathon. Das Interesse ist groß. Zehn Medien haben sich angesagt, die Journalistinnen und Journalisten haben jeweils eine halbe Stunde Zeit, um ihre Fragen zu stellen.

STANDARD: FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker hat kürzlich den ORF kritisiert, weil Bundeskanzler Karl Nehammer zu Gast im Newsroom des ORF war und neben der Chefredaktion angeblich auch die Stellvertreter und Ressortleiterinnen beim Hintergrundgespräch dabei sein mussten. Ist diese Kritik gerechtfertigt?

Bruckenberger: Das ist der Versuch, eine unabhängige Redaktion zu desavouieren sowie das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit zu unterminieren. Das ist halt Wahlkampf und gehört zur österreichischen Folklore dazu. Wir nehmen das gelassen und arbeiten unabhängig, objektiv und äquidistant. Wir finden es aber in Ordnung, wenn es einen professionellen Austausch mit der politischen Ebene gibt.

STANDARD: Zum Beispiel in Form von Hintergrundgesprächen?

Bruckenberger: Ja, die finden in allen Redaktionen statt. Wir haben anlässlich unseres Antritts die Vorsitzenden der Parlamentsparteien eingeladen, dass sie sich den ORF-Newsroom anschauen, um ihnen unser Wertekonzept zu erklären. Dass es hier unterschiedliche Rollen gibt. Die machen politische Öffentlichkeitsarbeit, wir machen kritischen Journalismus. Manche sind dieser Einladung gefolgt, andere wollten nicht kommen. Dann sind wir zu Gesprächen hingegangen, weil wir diesen Meinungsaustausch für selbstverständlich halten. Dass das in so ein Licht gerückt wird, damit müssen wir leben.

Waldner-Pammesberger: Das richtet sich von selbst.

Prokop: Dass wir dieses Gespräch mit Karl Nehammer in einem gläsernen Raum mitten im Newsroom veranstaltet haben, kann man schon so interpretieren, dass wir nichts zu verstecken haben.

"Ich denke, Herr Hafenecker wird sich noch daran erinnern, dass wir auch mit ihm gesprochen haben."

STANDARD: Im Falle der FPÖ waren Sie bei Parteichef Herbert Kickl zu Gast und nicht umgekehrt?

Waldner-Pammesberger: Herr Kickl und sein Generalsekretär Hafenecker waren selbstverständlich auch eingeladen, sie haben sich aber gegen einen Besuch im multimedialen ORF-Newsroom entschieden und haben im Gegenzug uns zu sich ins Parlamentsbüro eingeladen. Ich denke, Herr Hafenecker wird sich noch daran erinnern, dass wir auch mit ihm gesprochen haben.

STANDARD: Wer ist jetzt die richtige Ansprechperson, wenn zum Beispiel ÖVP-Kommunikationschef Gerald Fleischmann anruft, weil ihm eine Geschichte nicht passt? Bei wem meldet er sich?

Waldner-Pammesberger: Ich nehme an, dass er die Nummer von uns dreien hat. Genauso wie Menschen aus anderen Parteien die Nummern österreichischer Journalistinnen und Journalisten haben und sich ab und zu melden.

Bruckenberger: Ich würde gerne mit dem Mythos des Anrufs aufräumen wollen. Wenn man politische Berichterstattung macht, gehört es zur Profession dazu, dass man auch mit politischen Öffentlichkeitsarbeitern in Kontakt ist. Manchmal rufen wir an, weil wir Informationen brauchen, manchmal rufen die an. Und dann muss man unterscheiden. Geht es um einen Austausch von Informationen? Geht es um Hinweise, die vielleicht auch berechtigt sind? Oder geht es um Interventionen? Hier gibt es eine klare und einfache Vorgangsweise: Wir geben keinen Interventionen nach. Wir lassen uns von niemandem etwas zurufen, und niemand kann sich etwas wünschen. Wir haben das Publikum im Auge, dafür wollen wir einen guten, kritischen Journalismus liefern.

STANDARD: Gibt es regelmäßig Interventionsversuche?

Bruckenberger: Aus den Erfahrungen der ersten Monate kann ich nicht sagen, dass es beim ORF massiv mehr wäre als vorher bei der APA, wo ich Chefredakteur war. Wir stehen erst am Anfang des Wahlkampfs, schauen wir mal, wie sich das weiterentwickelt.

STANDARD: Apropos Wahlkampf: 2024 ist ein Superwahljahr. Wie werden die TV-Duelle und -Konfrontationen geführt? Wieder nur mit den im Parlament vertretenen Parteien, oder werden beispielsweise auch die Bierpartei und die KPÖ Plus eingeladen, die Chancen auf den Einzug in den Nationalrat haben?

Bruckenberger: Aus heutiger Sicht werden wir die fünf im Parlament vertretenen Parteien in die Diskussionssendungen einladen. Wir planen eine Mischung aus Elefantenrunden, großen Interviews in Form der "Sommergespräche" und Zweiergespräche, wo jeder gegen jeden antritt. Im Detail entwickeln wir das aber noch.

STANDARD: Es gab Kritik, dass zum Beispiel nach dem Urteil gegen Sebastian Kurz keine Analyse darüber in der "ZiB 1" zu sehen war. Also dass sich die ORF-Journalistinnen und -Journalisten nicht so weit aus dem Fenster lehnen sollen oder dürfen.

Bruckenberger: Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass wir eine Einordnung hatten. Es gab etwa eine Schaltung ins Landesgericht, wo das Ergebnis eingeordnet wurde. Von den Journalen bis zu den "ZiB"-Sendungen wird man immer ganz viel an Einordnungen und Analysen finden. Von Korrespondenten über Journalisten aus den Fachressorts bis zu Gesprächen mit Expertinnen und Experten. Diesen Kritikpunkt kann ich nicht nachvollziehen.

Waldner-Pammesberger: Ich verstehe ihn überhaupt nicht. Ob das ein Ö1-"Morgenjournal" oder ein -"Mittagsjournal" war, eine "ZiB" oder die Ö3-Nachrichten, Sie hören doch laufend in allen Formaten Kontextualisierung, Hintergrund, Erklärungen – egal ob im Studio oder in Schaltungen.

Bruckenberger: Diese Kritik kann nur von jemandem kommen, der unsere Programme sehr selektiv wahrnimmt.

"Wir finden es nicht mehr zeitgemäß, einen männlichen Weltenerklärer zu haben, der durch alle Formate wandert und ex cathedra dem Publikum mitteilt, wie es etwas zu verstehen hat."

STANDARD: Die Kritik geht in die Richtung, dass es ein Entgegenkommen war, um die Kanzlerpartei ÖVP nicht zu verärgern.

Waldner-Pammesberger: Wer das behauptet, schaut und hört nicht unser Programm.

Prokop: Grundsätzlich ist zu sagen, dass Analyse und Einordnung ganz zentral zu unserem Auftrag gehören. Das liefern wir jeden Tag in zahlreichen Formaten. Das erwartet auch das Publikum von uns – von der jungen Zielgruppe bis zu den Älteren. Was wir aber nicht machen: Wir kommentieren nicht.

Waldner-Pammesberger: Wir finden es nicht mehr zeitgemäß, einen männlichen Weltenerklärer zu haben, der durch alle Formate wandert und ex cathedra dem Publikum mitteilt, wie es etwas zu verstehen hat. Wir wollen der komplexen Welt insofern gerecht werden, dass wir unsere Analysekompetenz erweitern und auf viele Schultern verlagern. Wir haben viele großartige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das alles leisten können. Vielleicht entsteht deswegen der Eindruck, es wird zu wenig kommentiert, weil das jetzt nicht mehr nur zwei, drei Männer machen, sondern viel mehr Personen.

STANDARD: SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer hat im "Kurier" beim ORF "Kommentar-Feigheit" geortet und kritisiert.

Bruckenberger: Das können wir nicht nachvollziehen.

STANDARD: ARD und ZDF machen das viel stärker und kommentieren mehr.

Bruckenberger: Im ORF gibt es keinen Meinungskommentar, und dabei bleiben wir.

Waldner-Pammesberger: Diesen Unterschied leben wir seit Jahrzehnten. Wir glauben auch, dass das unser Publikum so will. Es ist in der Lage, sich weitgehend selbst eine Meinung zu bilden. Wir sehen es als unserer Aufgabe, das Publikum durch unsere faktenbasierte Berichterstattung und durch die Analyse sowie die Einordnung dazu zu ermächtigen, sich selbst ein Urteil zu bilden. Wir wollen das Publikum nicht bevormunden mit irgendwelchen Meinungskommentaren.

STANDARD: Was macht jetzt Hans Bürger, der als Innenpolitikchef jahrelang für Analysen zuständig war? Es gibt sogar eine Petition, die seine Rückkehr in die "ZiB 1" fordert.

Bruckenberger: Hans Bürger ist zu den Sendungs- und Plattformteams gewechselt. Er war 30 Jahre Mitglied des ORF-Innenpolitikressorts sowie Teil des "ZiB"-Teams. Es ist legitim, nach so vielen Jahren zu sagen, dass man etwas anderes macht. Das bedingt, dass es für Hans Bürger Zeit für Neues ist. Er präsentiert Erklärformate für andere Sendungen. Mit drei Auftritten pro Woche, wo er zu politischen und EU-Themen spricht und hintergründig Seherinnen- und Seherfragen beantwortet. Im Vorjahr hatte er ein bis zwei Auftritte in der "ZiB", jetzt hat er mehr Bildschirmpräsenz. Er ist ein ausgezeichneter, verdienter Journalist des Hauses, aber wir erfinden Hans Bürger noch einmal neu im ORF. Im Zuge der EU-Wahl wird er auch als Podcaster in Erscheinung treten.

Waldner-Pammesberger: Niemand muss sich um die Qualität der innenpolitischen Berichterstattung sorgen. Wir haben hier so viel Fachkompetenz wie kaum ein anderes Medium in diesem Land. Wie vorhin schon gesagt, es geht uns auch um die Vielfalt in der Einordnung, und wir haben auch tolle Frauen, die das können.

STANDARD: FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthaler hat kritisiert, dass der ORF in seine Sendungen Leute mit parteipolitischem Hintergrund – etwa von der KPÖ – einlädt und sie als Expertinnen und Experten auftreten lässt. Ist diese Kritik berechtigt?

Bruckenberger: Das muss man die Kirche im Dorf lassen. Natürlich muss man bei der Einladungspolitik darauf achten, dass man transparent ausschildert, wenn es Hintergründe gibt, und dass man auf eine gewisse Ausgewogenheit achtet. Ich warne aber auch davor, dieses Spiel der Politik mitzuspielen, dass man nach den Journalistinnen und Journalisten jetzt auch den Expertinnen und Experten die Vertrauens- und Glaubwürdigkeit abspricht. Noch dazu vor dem Hintergrund, dass sich die Politik selbst den Studioeinladungen immer wieder entzieht.

STANDARD: Ist die Kritik nicht berechtigt?

Bruckenberger: Wir hatten im Jahr 2023 in der "ZiB 2" und in der "ZiB 3" in Summe rund 350 Expertinnen und Experten eingeladen. Letztlich ist es um drei bis vier Fälle gegangen. Drei davon sind völlig unbestrittene Koryphäen und Fachleute auf ihrem Gebiet, die auch vom STANDARD schon unzählige Male interviewt wurden. In einem Fall haben wir das intern diskutiert. Einem von 350.

STANDARD: Der ORF evaluiert gerade die Diskussionsformate, sie könnten oder sollen reformiert werden. Was wird aus "Im Zentrum"?

Bruckenberger: Wir haben als ersten Schritt Sonntag am Vormittag das Format "Die Runde" eingeführt, um Abwechslung reinzubringen. Bei den anderen Diskussionssendungen wie "Im Zentrum", "Runder Tisch" oder "Drei am runden Tisch" sind wir mitten in der Evaluierungsphase. Ergebnisse werden wir wahrscheinlich im Herbst haben.

STANDARD: Erst nach der Nationalratswahl?

Bruckenberger: Am Bildschirm wird man das voraussichtlich erst nach der Wahl sehen.

STANDARD: Claudia Reiterer bleibt vorerst "Im Zentrum"-Moderatorin?

Bruckenberger: Claudia Reiterer macht das gut, und die Frage stellt sich derzeit nicht. Die Frage der Moderation stellt sich ohnehin immer erst am Ende eines solchen Strategieprozesses.

"Transparenz ist grundsätzlich wichtig. Gut wäre, wenn sie nicht nur selektiv für ein Medienunternehmen erfolgen würde."

STANDARD: Der ORF muss bis Ende März 2024 seinen Gehaltstransparenzbericht veröffentlichen und jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter namentlich nennen, die mehr als 170.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Werden Ihre Namen auch auf der Liste sein?

Prokop: Wir werden nicht auf dieser Liste stehen.

Bruckenberger: Ich bin erst seit Dezember 2023 beim ORF und verdiene hier etwas weniger, als ich vorher verdient habe. Punkt. Transparenz ist grundsätzlich wichtig. Gut wäre, wenn sie nicht nur selektiv für ein Medienunternehmen erfolgen würde, man könnte das auch wie in Skandinavien machen.

Waldner-Pammesberger: Das wird datenschutzrechtlich noch interessant.

Bruckenberger: So hat das den Beigeschmack, dass man sich nur ein Medienunternehmen herausgreift, und stellt das so in die Auslage. Noch dazu mit namentlicher Nennung.

STANDARD: Wird das die Neiddebatte befeuern und schüren?

Waldner-Pammesberger: Da muss man kein großer Prophet sein.

Bruckenberger: In Österreich kann man davon ausgehen.

Prokop: Transparenz kann in verschiedenen Stufen erfolgen. Nach der namentlichen Nennung wird man sehen, welche Reaktionen kommen. Der Gesetzgeber wollte das so, und nachdem es geltende Rechtslage ist, wird das der ORF umsetzen.

"Was wir auf der blauen Seite machen, ist rechtskonform."

STANDARD: Kürzlich wurde das ORF-Gesetz erneuert, was Änderungen für ORF.at gebracht hat. Nicht unbedingt im Sinne der Verleger. Sie kritisieren etwa die Regelung, dass die Unterseiten von ORF.at nicht vom Wochenlimit von 350 Meldungen erfasst sind. Wie hat sich ORF.at entwickelt?

Prokop: Wir sind zufrieden. Unser Auftrag ist es, ein breitenwirksames Informationsangebot anzubieten. Dafür zahlen die Menschen auch den ORF-Beitrag. Wir garantieren, dass wir uns an die Gesetze halten. Diese Kritik der Verleger richtet sich nicht an die Redaktion, sondern an die Rahmenbedingungen. Was wir auf der blauen Seite machen, ist rechtskonform. Das Publikum gewöhnt sich langsam an das Videoangebot und nützt es immer mehr. (Der ORF veröffentlicht aktuell keine Zugriffszahlen für ORF.at, auch nicht auf Nachfrage. Ein Vergleich mit den Abrufen, die ORF.at vor dem erneuerten ORF-Gesetz hatte, ist derzeit nicht möglich, Anm.)

STANDARD: Ein Damoklesschwert ist die Reparatur des ORF-Gesetzes, die bis Mitte nächsten Jahres notwendig wird und die womöglich erst die neue Regierung in Angriff nimmt. Fürchten Sie um die gerade implementierte Struktur oder gar um Ihre Jobs?

Waldner-Pammesberger: Wir haben keine Zeit, uns zu fürchten. Aber auch wenn wir die Zeit hätten, würden wir uns nicht fürchten. Wir schauen, was kommt, und machen mit vollem Enthusiasmus unseren Job. Über das ORF-Gesetz entscheidet der Gesetzgeber und nicht wir. Wir orientieren uns am Publikum und wollen nicht davor erstarren, was die Politik möglicherweise tut oder eben nicht tut.

STANDARD: Sehen Sie beim Publikum ausreichend Akzeptanz für die Haushaltsabgabe, die seit 1. Jänner 2024 an die Stelle der GIS-Gebühren getreten ist?

Bruckenberger: Die Akzeptanz des Publikums, das zeigen auch Umfragen, ist viel höher, als es in der politischen und medialen Diskussion mitunter suggeriert wird. Ich habe selbst 20 Jahre Medienjournalismus gemacht und sehe eine gewisse Diskrepanz in der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung. Viele Medienberichte richten sich danach, dass der ORF als Konkurrenz gesehen wird. Und dann gibt es noch in der Politik Strömungen, die unabhängigen Qualitätsjournalismus desavouieren und attackieren wollen. Manche Medienberichte zum ORF finde ich abenteuerlich und verwunderlich.

"Dagegen sind die Märchen der Gebrüder Grimm ein faktenbasiertes Chronikjournal."

STANDARD: Zum Beispiel?

Bruckenberger: Ich nenne keine Beispiele, aber wie hier einzelne Dinge hochgejazzt, skandalisiert werden und in eine generelle Kampagne gegen den ORF eingebaut werden, das hat mit Journalismus nur mehr wenig zu tun. Dagegen sind die Märchen der Gebrüder Grimm ein faktenbasiertes Chronikjournal. Die gesamte Medienbranche ist von zunehmenden Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsfragen betroffen, geschürt durch das Auseinanderdriften der Mitte und die Polarisierung in den sozialen Netzwerken und Medien. Damit müssen wir uns selbstkritisch auseinandersetzen in der täglichen Berichterstattung.

Vertrauenswürdigkeit ist das höchste Gut, das wir haben, sie sichert auch unsere Unabhängigkeit. Wir müssen auch schauen, wie wir der Tendenz des Nachrichtenvermeidens entgegenwirken, weil alles so schrecklich ist, indem wir mehr konstruktiven Journalismus liefern und produzieren. Diese Hausaufgaben müssen wir alle gemeinsam erfüllen.

STANDARD: Wird es einmal ein eigenes Format für Investigativjournalismus geben?

Bruckenberger: Die Magazine sind nicht in unserem Bereich. Wir schauen darauf, dass wir in unseren Sendungsformaten möglichst investigativen, gut recherchierten Journalismus liefern.

Waldner-Pammesberger: Investigativ ist ein großes Wort. Unser großes Ziel muss sein, dass wir uns so gut organisieren, dass wir der Armada an Pressearbeiterinnen und Pressearbeitern im politischen Bereich großartigen, kritischen Journalismus gegenüberstellen können. Und dass wir uns selbst durch kluge Maßnahmen Raum verschaffen, um gut und intensiv recherchieren zu können. Investigativ kommt dann als Krönchen on top. Die tägliche Recherche muss gewährleistet sein. Wir müssen sehr viele Formate bespielen, bekommen aber nicht mehr Leute. Wir sollen und müssen jeden Tag investigativ arbeiten.

STANDARD: Sie sind seit 1. Dezember in Amt und Würden. Wie oft gab es bereits Auffassungsunterschiede, wer was entscheidet?

Prokop: Tatsächlich noch nie. Wir passen und arbeiten gut zusammen. Zwischen uns passt kein Löschblatt. Wir sind in der täglichen Arbeit sehr eng verzahnt und vernetzt. So wie unsere Aufgaben verteilt sind, ist diese Vernetzung systemimmanent. Wir sitzen auch im Newsroom nebeneinander. Das ist intern ein Zeichen an die Redaktion, dass wir einen positiven, neuen Stil der Zusammenarbeit in der Chefredaktion vorleben wollen.

Waldner-Pammesberger: Das Nein auf die Frage kam deswegen unisono, weil wir auch Grundsätze teilen in der journalistischen Annäherung, im Arbeits- und Führungsstil. Das macht es leichter. Hätten wir große Auffassungsunterschiede, hätte es sicher schon geknirscht, aber die haben wir nicht. So gesehen muss man dem Generaldirektor gratulieren, er hat uns gut zusammengewürfelt.

Bruckenberger: Wir stehen für einen unabhängigen, objektiven, faktenbasierten und kritischen Qualitätsjournalismus und pflegen einen kooperativen Führungsstil. Unser Ziel ist es, den bestmöglichen Journalismus und die bestmöglichen Sendungen für unser Publikum zu liefern – auf allen Kanälen. Von Fernsehen über Radio bis in die digitale Welt hinein.

STANDARD: Das heißt, ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat als letzte Instanz, wenn es Auffassungsunterschiede in der Chefredaktion gibt, noch nicht eingreifen müssen?

Waldner-Pammesberger: Nein, und wir haben auch nicht vor, ihn anzurufen, weil wir im Clinch sind. Das wird nicht passieren.

Prokop: Wir wurden zwar einzeln bestellt und ausgewählt, wir sind aber auch als Team angetreten. Mit dieser Verzahnung gibt es keine Möglichkeit mehr, dass Silos entstehen könnten. Wir haben eine Struktur der Checks und Balances. (Oliver Mark, 26.3.2024)