Polnischer Traktor bei einem Protest gegen ukrainische Getreideimporte
"Die Ukraine hat uns mit Getreide überschwemmt", klagt ein polnischer Bauer.
AFP/JOHN MACDOUGALL

Es war eine der ersten großen Hilfsmaßnahmen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022: Um das kriegsgebeutelte Land wirtschaftlich zu unterstützen, strich die EU kurz nach dem Überfall sämtliche Zölle für Importe. Jetzt, fast genau zwei Jahre danach, könnte es mit dem freien Warenfluss vorbei sein – zumindest teilweise.

Bereits vergangene Woche hatten sich die EU-Institutionen vorläufig auf neue Handelsbeschränkungen geeinigt. Geflügel, Eier, Zucker und manche Getreidearten dürfen demnach nur noch bis zu einer bestimmten Mengengrenze zollfrei in die EU importiert werden, so wie das bis zum Kriegsausbruch der Fall war.

Doch die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen – und die Liste an beschränkten Importgütern könnte länger werden. EU-Staaten wie Polen, Frankreich und auch Österreich treten nach massiven Bauernprotesten für weitere Handelshemmnisse gegenüber der Ukraine ein. Am Mittwoch wird in Brüssel beraten.

Getreidepreise im Sinkflug

Seit einem Rekordhoch im Februar 2022 sind die Preise für Weizen und andere Getreidesorten stark gesunken. "Derzeit stabilisiert sich der Weltmarktpreis auf dem niedrigen Niveau, das wir vor Ausbruch der Krise erlebt haben", sagt Franz Sinabell, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) dem STANDARD.

Grund für den starken Rückgang sei vor allem die gute Versorgungslage. "Die Ertragserwartungen sind in vielen Weltregionen dieses Jahr recht günstig", sagt Sinabell. Die ukrainischen Exporte haben mit den niedrigeren Weltmarktpreisen kaum etwas zu tun. Der Einfluss der Ukraine sei in den vergangenen Jahren sogar gesunken, weil die Lieferungen aufgrund des Angriffs insgesamt reduziert werden mussten.

Bei Geflügel und Eiern spielen die Weltmarktpreise dagegen eine geringere Rolle, hier liegt der Fokus stärker auf regionalen Märkten. Auch Sektoren wie die Zuckerproduktion beobachten die Situation sehr genau, sagt Sinabell. Liefert die Ukraine mehr nach Europa, könnten die Preise in bestimmten Bereichen stärker unter Druck kommen, und das spüren dann die Bauern. "Die Auswirkungen sind aus der Distanz betrachtet überschaubar. Für einzelne Unternehmen können sie aber einen Unterschied machen", sagt Sinabell. "Barrieren, die es der Ukraine erschweren, nach Europa zu liefern, sind da für Produzenten aus der EU natürlich ein Vorteil."

Rückschlag für Ukraine?

Die vorläufige Einigung der EU-Institutionen sieht Zölle für Geflügel, Eier, Zucker, Honig, Mais und Großgrieß vor – allerdings erst dann, wenn die durchschnittliche Importmenge der letzten beiden Jahre überschritten wird.

Laut Olga Pindyuk, Ökonomin am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (Wiiw), wäre diese Einigung "einigermaßen vorteilhaft" für die Ukraine. Aufgrund der Situation an den Schwarzmeerhäfen haben die ukrainischen Exporte in die EU in den vergangenen beiden Jahren nämlich deutlich zugenommen.

"Die Gerstenexporte der Ukraine in die EU stiegen im Jahr 2022 etwa um mehr als das Neunfache", sagt Pindyuk. Damit waren sie mehr als dreimal so hoch wie die Exportmenge, die vor dem Kriegsausbruch zollfrei importiert werden durfte. Die Ukraine dürfte also weiterhin deutlich mehr zollfreie Gerste in die EU exportieren, als das vor dem Angriff Russlands der Fall war. Ähnliches gelte für praktisch alle wichtigen Produkte, erklärt Pindyuk. "Werden die zollfreien Kontingente auf dem durchschnittlichen Niveau von 2022 bis 2023 festgesetzt, erfährt die Ukraine wahrscheinlich keine größeren Hindernisse für ihre Exporte in die EU."

Ergebnis offen

Fraglich ist nun, ob es bei der vorläufigen Einigung der EU-Institutionen bleibt, oder ob sich Länder wie Polen oder Frankreich mit ihrem Ruf nach stärkeren Importbeschränkungen durchsetzen.

Auf Anfrage des STANDARD heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium, dass sich "Österreich in den vergangenen Monaten für die Einführung von Schutzmaßnahmen für sensible agrarische Produkte eingesetzt hat". In der vorläufigen Einigung sehe man eine "Verbesserung" und eine "wichtige Maßnahme für unsere Bäuerinnen und Bauern".

Abgesehen davon schließe sich Österreich der Forderung größerer Mitgliedsstaaten wie Frankreich und Polen an, den jüngsten Vorschlag des Europäischen Parlaments zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu der vorläufigen Einigung von vergangener Woche sieht der Parlamentsbeschluss zusätzlich Beschränkungen für Weizen vor. Zudem soll bei der Berechnung der zollfreien Menge auch das Jahr 2021 mitberücksichtigt werden. Die Grenzen für die zollfreien Importe könnten also noch stärker herabgesetzt werden. (Jakob Pflügl, 27.3.2024)