Österreich-Flagge weht in der Luft an einem wolkigen, aber sonnigen Tag
Was ist wichtig, um wirklich eine Österreicherin oder ein Österreicher zu sein? In manchen Dingen scheiden sich die Geister mehr, in anderen weniger.
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Man kann trefflich darüber streiten, was dazugehört, ein "richtiger" Bürger eines Landes zu sein. Diese Leitkultur-Diskussion wird in Österreich zwar mit großem Engagement von der ÖVP angestoßen – die Volkspartei greift dabei allerdings eine in vielen Ländern aufgeflammte Diskussion auf. Eine Debatte, auf die in unterschiedlichen Ländern auch unterschiedliche Antworten gefunden werden, wie eine vergleichende Studie des amerikanischen Pew Research Center ergibt. Die US-Meinungsforscher erhoben im Vorjahr in 21 Ländern, was für wichtig gehalten wird, um zur jeweiligen Nation zu gehören, und veröffentlichten die Ergebnisse heuer im Jänner (Global Attitudes Survey – Language and Traditions Are Considered Central to National Identity).

Im Schnitt sagten 91 Prozent, dass es sehr oder auch noch wichtig sei, die dominierende Landessprache zu sprechen. Am stärksten wird diese Aussage in Ungarn vertreten, wo 74 Prozent die Beherrschung der Landessprache für sehr wichtig und weitere 22 Prozent für auch noch wichtig halten. Es folgen in der Liste die Niederlande, Frankreich, Polen und Deutschland. Den geringsten Wert auf Beherrschung der Landessprache legen Befragte im von Immigration geprägten Israel und im bei Immigration sehr zurückhaltenden Japan, wo jeweils 42 bis 43 Prozent die Landessprache für sehr und 37 bis 38 Prozent für auch noch wichtig dafür halten, ein richtiger Israeli beziehungsweise Japaner zu sein.

Und wie ist das in Österreich? DER STANDARD ließ diese und einige weitere Fragen auch in Österreich vom Linzer Market-Institut stellen. Tatsächlich sehen die befragten Wahlberechtigten in Österreich die Landessprache als identitätsstiftendes Merkmal für die Landeszugehörigkeit: 71 Prozent ist das sehr wichtig, 21 auch noch wichtig. Die daraus resultierenden 92 Prozent entsprechen in Summe etwa dem von Pew in Deutschland erhobenen Ergebnis – jedoch sagen dort nur 62 Prozent, dass Deutsch sehr wichtig sei (30 Prozent sagen, es sei auch noch wichtig).

Ältere sind besonders streng

Ein näherer Blick in die Market-Zahlen zeigt: Je älter die Österreicher, desto eher sind ihnen Deutschkenntnisse sehr wichtig. FPÖ- und ÖVP-Wähler sind besonders streng – die Wählerschaften von Grünen und Neos besonders wenig, die zur SPÖ Neigenden liegen etwa im Bevölkerungsschnitt. An zweiter Stelle jener Merkmale, die in den Augen der heimischen Bevölkerung einen "richtigen" Österreicher ausmachen, steht "der österreichischen Verfassung und den Gesetzen treu zu sein". Das halten 60 Prozent für sehr, 32 Prozent für auch noch wichtig. Dieser Verfassungspatriotismus ist besonders den Wählerinnen und Wählern der ÖVP wichtig. Von Pew wurde er international nicht erhoben, daher gibt es keine Vergleichsdaten.

Das drittwichtigste Merkmal ist die Staatsbürgerschaft: 55 Prozent sehen sie als sehr wichtig, 26 Prozent als auch noch wichtig an, um richtig dazuzugehören. Besonderen Wert legen die Befragten aus FPÖ- und ÖVP-Wählerschaften auf die Staatsbürgerschaft – am wenigsten Neos- und Grünen-Wähler. Auch unter jungen Befragten spielt das Thema Staatsbürgerschaft für österreichische Identität eine geringere Rolle.

Was in der Leitkultur-Diskussion – wo immer sie stattfindet – stets wichtig genommen wird: dass Menschen, die zum jeweiligen Land dazugehören wollen, auch dessen Bräuche und Traditionen hochhalten. Dies wird laut Pew-Studie in Indonesien, Ungarn, Mexiko und Polen von jeweils neun unter zehn Befragten für mehr oder weniger wichtig gehalten. In Österreich sind es 72 Prozent (34 Prozent sehr wichtig, 38 Prozent auch noch wichtig, 20 Prozent weniger, sechs Prozent gar nicht wichtig).

Traditionen nicht allen gleich wichtig

Market-Forscher Pfarrhofer sieht Österreich dabei im unteren Mittelfeld: "Wir liegen da im selben Feld wie die Franzosen, Engländer oder Spanier – Deutschen, Schweden, Brasilianern oder gar Israelis ist das Thema nationaler Bräuche und Gepflogenheiten noch weniger wichtig als Österreichern. Was für die österreichische Diskussion aber wichtig ist: Freiheitlichen und ÖVPlern sind die Traditionen besonders wichtig, relativ viele Wähler anderer Parteien und auch eine große Zahl der politisch Unentschlossenen können damit nichts anfangen. Die wird man mit einer Leitkulturdiskussion auch nicht so leicht abholen können."

Muss man in Österreich geboren sein, um in den Augen der Mitbürger als Österreicherin oder Österreicher zu gelten? 33 Prozent halten das für sehr wichtig, 28 Prozent für auch noch wichtig. Für 24 Prozent ist es weniger und für 13 Prozent gar nicht wichtig. Besonders unter jungen und unter höher gebildeten Befragten ist der Geburtsort von Mitbürgern von relativ geringer Bedeutung, auch in Wien ist die Herkunft nur für die Hälfte der Befragten ein wichtiges Merkmal. Sehr wichtig ist es erwartungsgemäß für FPÖ-Wähler, schon deutlich weniger für ÖVP-Anhänger und für derzeit in ihrer Parteipräferenz Unentschlossene.

Auch bezüglich der Bedeutung des Geburtsorts gibt es einen internationalen Vergleich in der Pew-Studie. Dort heißt es: "Nationen mit geringem BIP pro Kopf neigen dazu, größeren Wert auf den Geburtsort als Schlüsselelement nationaler Identität zu legen. (…) Länder mit einem größeren Anteil an Migranten sind eher geneigt, im Ausland Geborene als echte Mitbürger zu akzeptieren." Besonders wichtig nehmen Indonesier, Mexikaner und Kenianer das Geburtsortprinzip, in Europa halten es vor allem Polen hoch. Besonders wenig Bedeutung wird dem Geburtsort in Schweden (Summe aus sehr und auch noch wichtig: 19 Prozent), Australien (27), Deutschland (30) und Kanada (33) zugemessen. Österreich ist laut Market-Daten mit 61 Prozent auf einem ähnlichen Niveau wie Griechenland oder Italien.

Religion für Viele unwichtig

Schließlich die Religion: Knapp zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung bekennen sich zu einer der christlichen Religionen – aber nur ein Drittel (besonders FPÖ-Wähler) hält es für mehr oder weniger wichtig, dass man als Österreicher dem christlichen Glauben angehören muss. Die Bedeutung der Zugehörigkeit zur größten Religionsgemeinschaft ist international sehr unterschiedlich: Wiederum führt das (muslimische) Indonesien mit 86 Prozent die Liste an vor dem christlichen Südafrika (79 Prozent) und dem jüdischen Israel (71 Prozent). Mit seinen 33 Prozent liegt Österreich auf ähnlichem Niveau wie USA (37 Prozent), Großbritannien (29 Prozent) oder Deutschland (27 Prozent). (Conrad Seidl, 1.4.2024)