Kürbis von Pilz befallen
Nicht nur Pflanzen wie dieser Kürbis kämpfen mit Pilzbefall: Auch für Menschen werden Pilze neben Bakterien und Viren als Krankheitserreger immer mehr zur Gefahr.
AP/Gerald Holmes, Strawberry Center, Cal Poly San Luis Obispo, Bugwood.org

Eine Pandemie der Zombiepilze, wie sie in der apokalyptischen Serien- und Videospielwelt von "The Last of Us" vorkommt, dürfte nicht drohen. Aber trotzdem werden Pilze als Risikofaktor stark unterschätzt, sagt Martin Hönigl von der Medizinischen Universität Graz. Der Pilzforscher oder Mykologe warnte allerdings bereits im ausführlichen STANDARD-Gespräch davor, dass uns künftig massivere pilzbedingte Gesundheitsprobleme blühen, als dies derzeit bereits der Fall ist. Pilze sind "uns eigentlich sehr ähnlich", sagt Hönigl – zumindest im Vergleich zu Viren und Bakterien. Daher ist es umso schwieriger, Gegenmittel zu entwickeln, die nicht auch unsere Körperzellen stark angreifen.

Mit einer neuen internationalen Studie, die Hönigl initiierte, macht er deutlich: Nach Waldbränden, Stürmen, Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Überschwemmungen kommt es zu mehr Fällen von Infektionen durch krank machende Pilze. Durch Wind und Rauch nach Naturkatastrophen werden Sporen weiter verbreitet, Feuchtigkeit begünstigt die Vermehrung. Es brauche daher flächendeckende Diagnose- und Therapiemöglichkeiten bei Pilzinfektionen.

Lebensbedrohliche Fälle

Infektionen durch Pilze, die teilweise lebensbedrohlich sein können, seien laut Hönigl lange nicht im Fokus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewesen. "Das ändert sich jetzt. Dafür war diese Arbeit einmal notwendig", unterstrich der Infektiologe. Bei der Studie wurden über 50 wissenschaftliche Arbeiten zusammengetragen, die einen Zusammenhang zwischen Naturkatastrophen, größtenteils in den USA und Südostasien, und Pilzansteckungen prüften, die beispielsweise Atemwegserkrankungen auslösen können.

Durch Stürme wie Hurrikans oder den Rauch nach Waldbränden und Vulkanaktivitäten werden Pilzsporen weitläufig verteilt. Hinzu kommt, dass nach tragischen Ereignissen schwere Verletzungen bei Menschen wie Platzwunden oder Abschürfungen das Infektionsrisiko erhöhen, ist in der Studie zu lesen, die im britischen Medizinjournal "The Lancet" publiziert wurde. Im Ausnahmezustand können Medizinerinnen und Mediziner Pilzbefall übersehen. Weiters begünstigen Feuchtigkeit und Nässe infolge von Überschwemmungen die Vermehrung der Pilze. Ein hohes Risiko stellen in diesen Fällen modrige und schimmlige Gebäude dar, wenn sie nicht getrocknet werden.

Überflutungsrisiko

"Überflutungen gibt es bei uns in Österreich genauso, hier kann mehr getan werden", sagte Hönigl im Gespräch mit der APA. Zwar sei Europa in der glücklichen Lage, weniger etablierte Pilzerkrankungen zu haben, "das kann sich aber in den nächsten Jahrzehnten ändern". Heute sei Pilzbefall in unseren Breiten vor allem für immungeschwächte Menschen, etwa Diabetiker, gefährlich. "Auf der Lungenambulanz sehen wir schon zunehmende Patientenzahlen", so Hönigl, noch sei die Lage in Österreich aber nicht dramatisch.

Die nun veröffentlichte Studie soll ein Anstoß sein, die Pilzdiagnostik nach extremen Naturereignissen zu verbessern und Behandlungen weltweit zugänglich zu machen. Die Daten bezogen sich bisher fast ausschließlich auf Nord- bis Mittelamerika und Südostasien. Dort treten gehäuft Naturkatastrophen auf, es fehlt aber in vielen Teilen der Welt auch die Dokumentation. Laut Hönigl sei nach dem türkisch-syrischen Erdbeben 2023 keine einzige Infektion gemeldet worden – "das ist absolut unrealistisch", befand der Mediziner, der sechs Jahre lang Präsident des Europäischen Verbands für Medizinische Mykologie war.

Stille Krise

Zukünftig sei geplant, das Infektionsgeschehen in Echtzeit zu überwachen, um rascher Konsequenzen ziehen zu können. Gesundheitspersonal in Krisengebieten wie jenes von Ärzte ohne Grenzen soll künftig schnell und einfach auch Pilzinfektionen erkennen und behandeln können. "Ich würde die Studie definitiv als Startschuss sehen, wir wollen weiterhin bei Diagnostik und Überwachung involviert bleiben", sagte Hönigl.

Teil der Studie waren neben Naturkatastrophen als Folge des Klimawandels auch direkte Auswirkungen der Erderwärmung auf Pilzpopulationen. Diese können sich rasch an die gestiegenen Temperaturen anpassen, sie werden resistenter gegen Medikamente und das menschliche Immunsystem. Im Extremfall passen sie sich an die menschliche Körpertemperatur an, wodurch Ansteckungen wahrscheinlicher werden.

Um das künftige Risiko zu verkleinern, müsste mehr in die Forschung an Antipilzmitteln, also Fungiziden, investiert werden. Pilzinfektionen müssten aus dem Schatten heraustreten – bezeichnend nennt die WHO sie die "stille Krise". (APA, red, 29.3.2024)