An diesem Tisch durfte nur das Who's who des Staatsbesuchs Platz nehmen: Als der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im April 2018 nach Abu Dhabi reiste, war der Zugang zum "VIP-Tisch" mit Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan streng limitiert. Nur eine Handvoll Mitreisende aus Österreich speisten direkt neben Kurz, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und dem Herrscher von Abu Dhabi: OMV-Chef Rainer Seele, Fruchtsäfte-Hersteller Jürgen Rauch – und Signa-Gründer René Benko.

Kurz bei Benkos Törggelen, das der Unternehmer jährlich abhielt.
Andreas Tischler / picturedesk.c

Dessen Ziel? "Konkrete Verhandlungen mit Mubadala", dem milliardenschweren Staatsfonds aus Abu Dhabi, der auch an der OMV beteiligt ist. Der solle "mit 10% in Signa Prime Selection einsteigen", hieß es damals in internen Papieren des Bundeskanzleramts. Tatsächlich traf man im Rahmen der Reise in die Emirate auch auf den Mubadala-Chef, den der Scheich laut einer Zusammenfassung der Botschaft aufforderte, "die Themen zu prüfen".

Immer wieder Mubadala

Es war wohl der Beginn eines Deals, an dessen Ende verärgerte Emiratis und ein Schuldenberg in Höhe von hunderten Millionen Euro steht. 713 Millionen wollte sich Mubadala nach der Signa-Pleite über ein Eilschiedsverfahren zurückholen – das scheiterte.

Damit hat Mubadala nun schon zweimal schlechte Erfahrungen mit Benkos Signa gemacht. Zwischen 2012 und 2015 hatte sich zunächst die Schweizer Falcon Privatbank AG, die dem Staatsfonds gehört, schrittweise in Benkos Immobilienreich eingekauft. Im November 2016 geriet die Bank jedoch in den Mittelpunkt eines Geldwäscheskandals, die Benko Familienstiftung kaufte dem Institut seine Anteile an der Signa ab.

Mubadala-Chef Khaldoon al-Mubarak, von Thomas Schmid nur "Mr. Mubadala" genannt.
AFP/RYAN LIM

Der Gedanke an Geld aus den Emiraten ließ Benko aber offenbar nicht los. In Chats zwischen ihm und dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, war bereits im Sommer 2017 die Rede von einer geplanten Wirtschaftsdelegation. "Ich würde Mr. Mubadala anrufen", also den Chef des Staatsfonds, schrieb Schmid, der Benko mittlerweile Bestechung vorwirft – es gilt die Unschuldsvermutung.

Millionendeal

Im April 2018 ging es dann nach Abu Dhabi, inklusive VIP-Lunch – und vier Monate später unterschrieb Mubadala tatsächlich eine Absichtserklärung, in die Signa Prime Selection einsteigen zu wollen. Als Kurz im März 2019 wieder in die Emirate reiste, saß Benko bei mehreren Besprechungen mit am Tisch.

Bis Mubadala tatsächlich überwies, sollte es allerdings noch eine Weile dauern: Erst im Sommer 2021 vergab der Staatsfonds ein Darlehen in Höhe von mindestens 150 Millionen Euro an die Signa Development Selection AG – mit ungewöhnlich hohem Zinssatz. Welche anderen Investments noch abgeschlossen wurden, ist unklar.

Wenig später sorgte die Inseratenaffäre jedenfalls für Kurz' Rücktritt als Bundeskanzler. Fortan ließ er als Geschäftsmann seine guten Kontakte in den Nahen Osten spielen. Aus Honorarnoten geht hervor, dass seine SK Management GmbH einer Signa-Tochterfirma insgesamt 2,9 Millionen Euro brutto in Rechnung stellt. Eine ihrer Leistungen: das Vernetzen mit potenziellen Investoren in Europa, im Nahen Osten und in Asien.

Kurz und Benko
Kurz und Benko 2019 in Abu Dhabi.
APA/HELMUT FOHRINGER

Wie DER STANDARD bereits 2023 berichtete, soll Kurz unter anderem wegen frischen Gelds für die Signa Sports United in Abu Dhabi angeklopft haben. Offenbar klappte zudem die Vermittlung eines arabischen Investors, der hundert Millionen Euro Richtung Signa springen ließ.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass Kurz auf seine Forderungen gegenüber der Signa verzichten wolle – der organisatorische Aufwand sei im Vergleich zur Größe der erwartbaren Rückzahlung zu groß, hieß es.

"Das geht doch nicht"

Vonseiten der Opposition gab es in den vergangenen Monaten heftige Kritik daran, dass Kurz offenbar seine Kontakte aus der Zeit als Bundeskanzler "vergoldete". Dasselbe galt für Alfred Gusenbauer (SPÖ), der bei Benko ebenfalls Millionen verdient hat und nun als Gläubiger der Signa auftritt. Auch über die Intransparenz bei Wirtschaftsdelegationen regte sich Unmut. Diese sollen dabei helfen, den Standort Österreich zu stärken, indem heimische Unternehmen im Ausland vernetzt werden. Oft ist jedoch unklar, warum bestimmte Manager und Eigentümer eingeladen werden und andere nicht und welche Ziele die Regierung damit national verfolgt.

"Es ist Teil der Regierungsarbeit, die Interessen der österreichischen Wirtschaft im Ausland zu fördern. Dazu gehört, dass Vertreter großer und für den Standort wichtiger Unternehmen in Form von Wirtschaftsdelegationen offizielle Besuche im Ausland begleiten", sagt ein Sprecher von Kurz zum STANDARD. Das sei "vor, während und nach" der Regierungszeit Kurz so gewesen: "Hunderte Unternehmen haben in dieser Zeit an solchen Reisen und Staatsbesuchen teilgenommen, darunter auch – wie öffentlich bekannt – die Signa."

Ob die nach seiner Kanzlerzeit von der SK Management gelegten Honorarnoten mit Kontakten zu Mubadala zu tun hatten, beantwortete das Team Kurz nicht.

"Die Reisen nach Abu Dabi waren keine gewöhnlichen Wirtschaftsdelegationen, das Bundeskanzleramt unter Sebastian Kurz tritt eindeutig als Vermittler für ein privates Investment seines Freunds René Benko auf. Ich halte das für unangemessen", sagt hingegen die grüne U-Ausschuss-Fraktionsführerin Nina Tomaselli. "Ein besonderes 'Geschmäckle' bekommt die Sache, da durch das Insolvenzverfahren Unterlagen ans Tageslicht gekommen sind, dass Kurz als Unternehmer nach der Kanzlerschaft die Leistung 'Vorstellung potenzieller Investoren im Mittleren Osten' an Benko verrechnet hat", sagt Tomaselli.

"Würde ich nicht machen, Kurz dafür zu bezahlen, dass er mir Geldgeber bringt. Das geht doch nicht", sagte Signa-Sanierer Erhard Grossnigg vergangene Woche zum STANDARD. Er wird am 10. April abtreten. Davor könnte es noch zum ersten öffentlichen Auftritt Benkos seit dem Zusammenbruch seines Konzerns kommen. Er ist für nächsten Donnerstag in den Cofag-U-Ausschuss geladen und hat bislang nicht abgesagt. Die Chancen, dass Benko tatsächlich erscheint, stufen Abgeordnete allerdings als nicht besonders hoch ein. (Fabian Schmid, 2.4.2024)