Die gute Beziehung von René Benko (rechts) und Sebastian Kurz (links) sorgte schon während dessen Kanzlerschaft für Spekulationen.

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Sebastian Kurz (ÖVP) war nicht einmal zwei Wochen Bundeskanzler, als seine besonders enge Verbindung zum Immobilieninvestor René Benko zum ersten Mal für Schlagzeilen sorgte. In einer Hauruck-Aktion half die türkis-blaue Regierung kurz nach Weihnachten 2017 dabei mit, dass sich Benko fristgerecht vor dem Jahreswechsel das Leiner-Haus in der Wiener Mariahilfer Straße schnappen konnte. Von "serviceorientierter Verwaltung" sprach ein Kanzlersprecher später. Ein Ansatz, der sich durch die Ära Kurz ziehen sollte.

Mittlerweile ist Kurz zwar nicht mehr Kanzler, mit Benko soll er aber weiterhin zu tun haben. So soll der frühere ÖVP-Chef nach STANDARD-Informationen bei Benkos Geschäften mitmischen und ihm bei der Suche nach Investoren helfen. Etwa im Herbst 2022: Da soll sich Benko auf der Suche nach potenziellen Geldgebern für die Signa Sports United begeben haben. Das Unternehmen aus dem Signa-Reich ist kein besonders bekanntes, berühmt ist Benko vor allem für seine spektakulären Immobiliendeals.

"Weltweit führend"

Unbedeutend ist die Signa Sports United, die sich als "weltweit führende Sports-E-Commerce- und Technologieplattform" bezeichnet, aber keinesfalls. Der Umsatz lag 2022 bei über einer Milliarde Euro, allerdings wurde aufgrund hoher Wertberichtigungen auch ein Nettoverlust von 566 Millionen Euro geschrieben.

Um die knappe Liquidität der deutschen Sports United zu sichern, musste die Wiener Signa Holding GmbH einspringen. Im Oktober 2022 stellte sie im Zuge sogenannter Wandelschuldverschreibungen zunächst 100 Millionen Euro zur Verfügung. Im Februar dieses Jahres sagte die Signa Holding noch einmal 130 Millionen Euro zu, die im Bedarfsfall abgerufen werden können. Ein Unternehmen also, das Investoren braucht, um weiterzuexpandieren.

Und die suchte Benko offenbar auch im Nahen Osten. Genauer gesagt: in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), wo viel Geld darauf wartet, ausgegeben zu werden. Etwa bei Mubadala, dem Staatsfonds von Abu Dhabi. Dort werden Beteiligungen im Wert von mehr als dreihundert Milliarden Dollar verwaltet, etwa bei Ferrari, dem Chiphersteller AMD oder der Alphabet-Tochter Waymo, wo Google-Ingenieure an selbstfahrenden Autos basteln. In diesem Portfolio wollte Benko offenbar auch die Signa Sports United sehen – und bei den Verhandlungen soll er sich Unterstützung von Sebastian Kurz geholt haben.

Kurz: "Unterschiedliche Projekte"

Der dementiert das auf Anfrage nicht, sein Sprecher lässt nur allgemein ausrichten, dass Kurz’ Schwerpunkt im Nahen Osten liege und man "unterschiedliche Projekte und Transaktionen" begleite, dazu aber "keine Detailinformationen" kommuniziere. Die Signa-Gruppe gab keine Stellungnahme ab, Mubadala auch nicht.

Kurz und der Investmentfonds aus Abu Dhabi: Das ergibt durchaus Sinn. Einerseits, weil der Staatsfonds enge Beziehungen nach Österreich hatte. Er hielt jahrelang, auch während der Ära Kurz, rund ein Viertel der Anteile an der OMV (mittlerweile werden die OMV-Anteile von der staatlichen Ölgesellschaft Adnoc verwaltet).

Andererseits gibt es auch Verbindungen zu Kurz’ aktuellen Geschäftspartnern. Der Ex-Kanzler hat ja ein Start-up mit dem früheren Chef der NSO-Group, die hinter der Spionagesoftware Pegasus steht. Und Mubadala investierte schon 2019 rund 50 Millionen Dollar in jenen Fonds, dem die NSO-Group gehört. Deren Spionagesoftware soll auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Einsatz gekommen sein. Österreichs Botschafter in den VAE ist übrigens Etienne Berchtold, einst Kurz’ außenpolitischer Sprecher. Seine Bestellung sei "aus parteipolitischem Motiv" erfolgt, hieß es Ende 2022 in einem Schriftsatz der Gleichbehandlungskommission, an die sich ein unterlegener Bewerber um den Posten gewandt hatte.

Die geschäftlichen Aktivitäten von Benko und Kurz dürften Kritikern der engen Beziehung zwischen der türkisen ÖVP und einigen Wirtschaftstreibenden neue Argumente liefern. So zeigen Chats, dass sich das Umfeld von Kurz auch massiv in Benkos Übernahme der Kika/Leiner-Kette im Sommer 2018 involviert hat. Eine wichtige Rolle soll dabei Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, gespielt haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) prüfte die Vorgänge, leitete dazu aber keine Ermittlungen ein.

Schwere Vorwürfe

Mittlerweile werden aber sowohl Benko als auch Kurz als Beschuldigte geführt – und dafür verantwortlich ist auch Thomas Schmid, der ja seit Frühjahr 2022 Kronzeuge werden will. Er warf Benko vor, ihn mit einem Jobangebot als "Signa-Generalbevollmächtigter" bestochen zu haben, damit Schmid ihm bei Steuerangelegenheiten helfe. Benko äußerte sich bisher nicht dazu. Kurz wiederum wird erstens vorgeworfen, im Ibiza-U-Ausschuss falsch über seine Involvierung in Schmids Bestellung zum Chef der Staatsholding Öbag ausgesagt zu haben. Kurz bestreitet das, demnächst soll über Anklage oder Einstellung des Verfahrens in der Sache entschieden werden.

Außerdem behauptet Schmid, für Kurz korrupte Deals mit der Mediengruppe Österreich, Heute und Krone abgeschlossen zu haben – Inserate gegen positive Berichterstattung. Da wird Kurz, zweitens, wegen Bestechlichkeit als Beschuldigter geführt. Auch das weisen alle Involvierten von sich, und es gilt die Unschuldsvermutung. Getrübt wurde das gute Verhältnis zu den Dichands vorübergehend im Herbst 2018 – und das hatte wiederum mit Benko zu tun, erzählte Schmid den Ermittlern der WKStA.

Bei "Krone"-Streit "zwischen den Stühlen"

Benko wurde damals bekanntermaßen durch einen Deal mit der deutschen Funke-Gruppe zum Miteigentümer der Krone, sehr zum Unmut der Dichands. Da Kurz und Schmid einerseits eng mit Benko, andererseits aber gut mit Krone-Chef Christoph Dichand waren, sei man plötzlich "zwischen den Stühlen gesessen", sagte Schmid in einer Beschuldigteneinvernahme. Im November 2018 hätten Kurz und Schmid dann jedenfalls Dichand getroffen, weil der damalige Kanzler laut Schmid dem Krone-Erben habe signalisieren wollen, "ein verlässlicher Partner zu sein, der nicht hinter diesem Anteilerwerb von Benko steckt, und dass er ihn auch weiterhin – auch in seinem Ansinnen, weiterhin Mehrheitseigentümer der Krone zu bleiben – unterstützen würde". Nach dem Termin ging es für Kurz und Schmid direkt zur "Gegenseite": zum traditionellen Törggelen-Erntedankfest, das Benko einmal im Jahr für die heimische Elite veranstaltete.

Die Gästeliste zeigte regelmäßig, wie gut Benko in Österreich vernetzt ist: Minister, Wirtschaftsbosse, aber auch Oppositionspolitiker wie Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) ließen sich dort blicken. Im Umfeld der Politik rekrutiert Benko auch gern. Im Beirat der Signa-Gruppe findet sich mit Alfred Gusenbauer (SPÖ) ein weiterer Altkanzler, mit Susanne Riess-Hahn (einst FPÖ) eine ehemalige Vizekanzlerin. Geschäftsführer der Signa Holding GmbH ist Christoph Stadlhuber, einst Kabinettschef von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP), dann Chef der staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Deren Geschäfte mit Benko waren auch im Ibiza-U-Ausschuss regelmäßig Thema.

Vor Gericht musste sich Benko heuer schon rund um den Verdacht der Bestechung verantworten. Da ging es um Spenden für den Verein des ehemaligen grünen Planungssprechers Christoph Chorherr, durch die auf Widmungen für Bauprojekte in Wien Einfluss genommen worden sein soll. Das Ergebnis: ein nicht rechtskräftiger glatter Freispruch. (Michael Nikbakhsh, Fabian Schmid, 7.4.2023)