Der Messerangriff auf einen prominenten Journalisten hat die in London ansässigen iranischen Dissidenten in Angst und Schrecken versetzt. Nachdem Pouria Zeraati am Karfreitag vor seiner Wohnung im gutbürgerlichen Stadtteil Wimbledon niedergestochen wurde, riet Scotland Yard umgehend Kolleginnen des Moderators bei Iran International zum Wohnungswechsel.

Der 36-Jährige hatte sich zum Zeitpunkt des Angriffs am Nachmittag gerade auf den Weg zur Arbeit gemacht. Offenbar hatten ihm die Täter aufgelauert. Während ein Mann den Journalisten in ein Gespräch verwickelte, stach ein zweiter auf ihn ein, ehe beide unerkannt die Flucht ergriffen. Das Opfer wurde umgehend notärztlich versorgt und mit Stichverletzungen in den Beinen ins Spital gebracht. Bereits einen Tag später konnte der Journalist bereits ein Foto vom Krankenhausbett aus verschicken, am Ostersonntag wurde er zur weiteren Rekonvaleszenz nach Hause entlassen.

Teheran weist Schuld von sich

Zeraati lebt seit gut fünfzehn Jahren auf der Insel und besitzt neben der iranischen auch die britische Staatsbürgerschaft. Abseits seiner journalistischen Tätigkeit war er auch in der Immobilien- sowie der Finanzbranche tätig. Ein Angehöriger der iranischen Botschaft in London bestritt jegliche Beteiligung an dem blutigen Angriff.

Zum Weltfrauentag wurde in London an die Lage von Frauen im Iran erinnert.
REUTERS/Hollie Adams

Der Londoner Club der Auslandspresse FPA zeigte sich solidarisch mit Zeraati und dessen Kolleginnen bei Iran International, die der FPA teilweise als Mitglieder angehören: "Pouria, Du bist nicht allein." Der Angriff werde auf Exil-Journalistinnen bei persisch-sprachigen Medien, darunter auch BBC Persia, eine abschreckende Wirkung entfalten. Die Chefin des auswärtigen Ausschusses im Unterhaus äußerte sich "zutiefst erschüttert" über den Anschlag. Zwar seien dessen Hintergründe noch nicht aufgeklärt; sie sei aber "nicht davon überzeugt", dass der Westen eine klare Strategie gegen das iranische Regime habe, teilte die Konservative Alicia Kearns auf X mit.

Sorge vor Attacken

Iran International sendet seit 2017 von London aus, das Programm ist im Iran über Satellitenfernsehen sowie im Internet abrufbar. Im vergangenen Jahr verlegte der Sender für einige Monate seinen Sitz nach Washington, weil sich der Standort mit rund 100 Bediensteten im West-Londoner Stadtteil Gunnersbury als allzu anfällig für mögliche Terror-Attacken herausgestellt hatte. Inzwischen wird Iran International an anderer Stelle produziert.

Der Sender finanziert sich überwiegend mit Geld aus Riad. Er ist damit Teil der Dauer-Rivalität zwischen dem überwiegend schiitischen Iran und dem überwiegend sunnitischen Saudi-Arabien im Nahen Osten. Den Machthabern in Teheran ist der TV-Sender ein Dorn im Auge, weil er über Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen, Homosexuelle und Angehörige ethnischer Minderheiten im Iran berichtet und von den Bürgern dort als Quelle unabhängiger Berichterstattung geschätzt wird. Das hat zu offenen Drohungen des Mullah-Regimes geführt. Im November 2022 brandmarkte der iranische Geheimdienstminister Esmaeil Khatib die Firma als "terroristische Organisation" und kündigte Strafmaßnahmen gegen dessen Mitarbeiter an.

Österreicher in Haft

Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 sowie der polizeiliche Staatsschutz vermuten das Mullah-Regime hinter 15 aufgeflogenen Attentats- und Entführungsplänen gegen Dissidenten, deren Firmen und Medien in den vergangenen beiden Jahren. Dazu gehörte das Ausspionieren von Iran International. Ein im Februar 2023 deshalb festgenommener Österreicher tschetschenischer Herkunft erhielt im Dezember eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Der Verteidiger bezeichnete seinen Mandanten als "nützlichen Idioten". "Wir machen uns seit geraumer Zeit Sorgen über Bedrohungen, die aus dem Iran ins Königreich gelangen", berichtete Dominic Murphy von der Antiterror-Abteilung SO15 anlässlich der Verurteilung des Islamisten. (Sebastian Borger aus London, 1.4.2024)