"Der Pate" mit Marlon Brando als Mafia-Familienoberhaupt Don Vito Corleone gilt als einer der einflussreichsten Filme des 20. Jahrhunderts.
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Als Marlon Brando im September 1976 im Dschungel der Philippinen am Set von Apocalypse Now auftauchte, war Regisseur Francis Ford Coppola entsetzt. Seit dem letzten gemeinsamen Film Der Pate war der legendäre Charakterdarsteller nämlich stark übergewichtig geworden und hatte weder die Buchvorlage Herz der Finsternis von Joseph Conrad gelesen noch seinen Text auswendig gelernt. Weil der von ihm verkörperte, im Vietnamkrieg wahnsinnig gewordene Offizier Colonel Kurtz in der Vorlage als dünner Mann beschrieben wurde, musste Coppola den massigen Körper seines Stars in besonders dunklen und schemenhaften Kameraeinstellungen verstecken – heute gilt genau diese Entscheidung als besonders einprägsam und intensiv.

Brando war schon in seiner Schulzeit ein unangepasster, irgendwie introvertierter und schlechter Schüler, der Autorität verachtete und übermäßige Aggressionen zeigte. Nach dem Abbruch der Highschool besuchte er eine Militärakademie, die er aber auch ohne Abschluss verlassen musste. Durch finanzielle Unterstützung seiner Eltern ging Brando 1943 nach New York, wo er mit Stella Adler in Kontakt kam. Wie Lee Strassberg lehrte diese damals an der berühmten Schauspielschule The Actors Studio die nicht unumstrittene Methode des Method Acting, die auf den russischen Theatermacher Konstantin Stanislawski zurückgeht. Beim Method Acting greift der Schauspieler auf seine eigenen Erinnerungen zurück und verschmilzt so mit der Rolle.

Wo bitte geht's nach Hollywood?

Zuerst am Broadway, schnell aber auch in Hollywood wurde Marlon Brando mit Filmen wie Endstation Sehnsucht (1951) oder Die Faust im Nacken (1954) zum großen Star. Sein Method Acting ging so weit, dass er in der von heutigen Debatten um kulturelle Aneignung fast noch unentdeckten Komödie Das kleine Teehaus (1956), mit Prothesen und Make-up ausgestattet, sogar einen Japaner spielen konnte. Nach den großen Erfolgen der 1950er, in denen Brando sein Image als rebellischer und schwieriger Außenseiter manifestierte, waren die 1960er von Misserfolgen geprägt.

In der Filmkomödie
In der Filmkomödie "Zwei erfolgreiche Verführer" spielt Marlon Brando einen charmanten Hochstapler, der es sich zum Ziel gemacht hat, reiche Damen zu verführen.
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Auch gegen seine Besetzung als Don Vito Corleone in Der Pate gab es 1972 Einwände. Er sei zu unzuverlässig und außerdem sowieso zu jung, hieß es. Mit Watte in den Mundwinkeln, um den charakteristischen Bulldoggen-Look hinzubekommen, bewarb sich der damals 46-Jährige für die Rolle des 20 Jahre älteren Mafiabosses und machte Regisseur Francis Ford Coppola und den Produzenten damit ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnten. Der Pate und seine zwei Jahre später erschienene Fortsetzung gelten bis heute als bedeutendste Werke der Filmgeschichte und Brandos Performance als unübertroffen – den Oscar, den er dafür erhalten sollte, lehnte er jedoch ab.

Der politische Brando

Stattdessen schickte er die indigene Aktivistin Sacheen Littlefeather auf die Bühne. Als Zeichen des Protests gegen den Umgang Hollywoods mit amerikanischen Ureinwohnern wies sie die Auszeichnung für Brando zurück. Politisch engagiert war Brando auch für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung oder die Black Panther Party und schloss sich nach dem Attentat auf Robert Kennedy einem Komitee von Schauspielern an, das sich für Waffenkontrolle einsetzte. Abseits der Leinwand war Brando ein sexuell aktiver Lebemann, dem zahlreiche Affären mit berühmten Frauen wie Marilyn Monroe, Marlene Dietrich oder Joanne Woodward nachgesagt werden. In drei Ehen hat er elf Kinder gezeugt. Wie viele es sonst noch gibt, weiß niemand.

Seine dritte Frau, die polynesische Tänzerin Tarita Teriipaia, ließ sich zwar bereits 1972 scheiden, lebte aber bis zu seinem Tod 2004 mit ihm zusammen. Brandos gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich in den letzten Lebensjahren. In der Horror-Komödie Scary Movie 2 hätte er seine letzte Rolle spielen sollen: angeschlossen an einen Sauerstofftank, die Brüste von Natasha Lyonne haltend, als Parodie seiner selbst. Die Szene wurde gedreht, aber nie veröffentlicht. Wahrscheinlich ist das auch besser so. (Jakob Thaller, 3.4.2024)