Prompt: illustration of a humanoid robot brewing a beer
Die KI kann beim Brauen des Bieres helfen. Trinken muss es noch immer der Mensch.
Midjourney/Stefan Mey

Ich liebe Bier. Und zwar so sehr, dass ich vor rund 18 Monaten begonnen habe, meinen Gerstensaft selber zu brauen, meine ersten Erfahrungen habe ich bereits in einem Artikel des STANDARD ausführlich beschrieben. Seitdem hat sich viel getan. Stellte ich zu Beginn noch fünf Liter pro Brauvorgang in einem Kochtopf auf der Herdplatte her, so habe ich recht bald in einen Braukessel investiert, der für diesen Zweck optimiert ist: Er erhitzt das Wasser auf die korrekte Temperatur, hält es durch eine Pumpe ständig in Bewegung, erleichtert auch das Läutern – also das Trennen des festen Malzes vom Bier – ebenso wie das Abfüllen in den Gärbehälter.

Bis zu 30 Liter Bier kann ich damit brauen. Theoretisch. Denn in der Praxis setze ich auf kleinere Mengen, weil für mich im Sinne der journalistischen Neugierde vor allem das Experimentieren mit verschiedenen Verfahren und Geschmäckern im Vordergrund steht. Dafür wühle ich mich durch Fachliteratur und Onlineforen, stets auf der Suche nach neuen Ideen. Mein Lieblingsthread ist dabei einer, in dem ein Wiener Hobbybrauer und Fußballfan um Tipps bat, wie er sein Bier violett färben könne, und andere Forenteilnehmer ihm daraufhin erklärten, wie er zu grünem Bier kommt. Ist witzig, zeigt aber auch: Der Mensch ist voreingenommen.

Brauanlage
Mit einer Brauanlage lässt sich unter anderem die Temperatur genau kontrollieren.
STANDARD/Stefan Mey

Nachdem Künstliche Intelligenz auch 2024 noch immer in aller Munde ist und damit neben diversen Medieninhalten auch Kindergeschichten und Kochrzepte generiert werden, drängt sich die Frage auf: Können KI-Tools auch brauchbare Rezepte fürs Bierbrauen liefern? Spezialisierte Apps für diesen Themenbereich gibt es noch nicht, daher habe ich klassische KI-Bots – ChatGPT 3.5 und Google Gemini – zurate gezogen. Und beim Brauen auch eindrucksvoll erlebt, an welchen Punkten diese Tools in der Praxis noch scheitern. Die finalen Rezepte werden in diesem Artikel in separaten Infoboxen zur Verfügung gestellt.

Tradition seit 1516

Mein erster Weg führt mich zu ChatGPT 3.5. Warum nicht das fortschrittlichere GPT-4-Modell? Ganz einfach: weil das 3.5er-Modell gratis ist und daher vermutlich auch von den meisten anderen Menschen genutzt wird, die sich von ChatGPT ihre Hausübungen schreiben oder Tipps für den nächsten Kindergeburtstag geben lassen.

Bierflaschen
Wer möchte, der kann auch Bieretiketten von einer Bilder-KI – in diesem Fall Stable Diffusion – erstellen lassen.
STANDARD/Stefan Mey

Im Gegensatz zum Abfragen von tagesaktuellen Ereignissen ist es für diesen Use-Case außerdem halbwegs irrelevant, wie aktuell die Trainingsdaten des Modells sind – denn immerhin gibt es das Reinheitsgebot seit 1516, und seitdem wird zumindest im deutschen Sprachraum konsequent mit Malz, Hopfen, Hefe und Wasser gebraut.

ChatGPT, die Bier-Expertin

Im ersten Schritt setze ich in ChatGPT das Thema der Konversation fest und schreibe: "Für diesen Chat hätte ich gerne, dass du als eine Expertin für das Brauen von Bier agierst. Du weißt Bescheid über Bierrezepte, Biersorten und die Geschichte des Bieres."

Dieser Input wird vom Bot sogleich bestätigt, und auch die Frage, ob er genug Informationen über Hefe, Malz und Hopfen habe, um Vorschläge für Bierrezepte zu liefern, wird vom Bot bejaht. "Je nachdem, welchen Stil du anstrebst, kann ich dir Rezepte für verschiedene Biersorten vorschlagen", antwortet der Bot. "Bist du auf der Suche nach etwas Bestimmtem? Ein helles Lager, ein IPA oder vielleicht ein belgisches Ale?"

Belgisches Bier mit viel Hopfen

Im ersten Schritt möchte ich ein Bier mit einer starken Hopfennote brauen, das aber eher fruchtig als bitter schmeckt, und frage nach einem Belgian Ale. Der Bot gibt sich kooperativ und bestätigt, dass dies "definitiv eine gute Wahl" sei. Empfohlen werden auch bestimmte Hopfensorten und die Verwendung belgischer Hefe für "eine gewisse Fruchtigkeit".

Auf Anfrage nach einem Rezept für 20 Liter Belgian Ale liefert ChatGPT eine Liste der Zutaten ebenso wie eine Anleitung zum Brauen. Fehlen tun allerdings konkrete Angaben, zu welchem Zeitpunkt welcher Hopfen hinzugefügt werden muss. Auch die Idee des "Kalthopfens" – also das Hinzufügen des Hopfens erst während des Gärprozesses – kommt vom Menschen, hier fehlt es dem Bot an Kreativität.

Weiters ist die Menge des Malzes zu hoch angesetzt, was einen zu hohen Alkoholgehalt bewirkt hätte – spätestens hier zeigt sich, dass einer KI nie blind vertraut werden darf, sondern jegliche Outputs eine menschliche Kontrolle durchlaufen müssen. Das gilt nicht nur fürs Homebrewing, sondern auch zum Beispiel für die Verwendung von KI in Bürojobs. Beibehalten wird hingegen die von ChatGPT vorgeschlagene doch recht hohe Menge von insgesamt 144 Gramm Hopfen: Das Ziel ist ja ein starker Geschmack.

Fataler als zu viel Malz ist allerdings die Tatsache, dass die KI die Menge des Wassers nach mehrmaligem Überarbeiten des Rezepts zu niedrig ansetzt – und das, obwohl ich mehrmals nachfrage, ob die Menge tatsächlich stimmt. Ein solcher Fehler kann zu Schäden an der Brauanlage führen beziehungsweise durch Überhitzung im schlimmsten Fall das Malz in Brand setzen.

Rauchbier: Was passiert mit fünf Kilo Malz?

Ein Problem, welches das ebenfalls kostenlose Google Gemini nicht hat, als ich um ein Rezept für 20 Liter Rauchbier bitte – ganz im Gegenteil: Hier schlägt der Bot vor, die 35 Liter fassende Brauanlage zu Beginn mit 50 Liter Wasser zu befüllen. Ein blindes Befolgen dieses Ratschlags hätte zu einem Wasserschaden durch Dummheit geführt – zum Glück verfügt der Mensch im Gegensatz zur KI über ein paar Augen und die Fähigkeit, Zusammenhänge zu verstehen.

Im Fall des Rauchbiers ist die Aufgabenstellung jedoch auch eine andere als beim vorherigen Beispiel des Belgian Ale: Hier sage ich beiden KIs, dass ich über fünf Kilogramm leicht getorftes Gerstenmalz verfüge, und bitte um Vorschläge, was man damit brauen kann – vergleichbar damit, dass man nach dem Blick in den Kühlschrank diverse Zutaten entdeckt und sich nun fragt, was man zum Abendessen kochen soll.

Sowohl ChatGPT als auch Gemini liefern diverse interessante Vorschläge für Biersorten, die mit dem genannten Malz gebraut werden können. In einem Detail zeigt sich aber, dass das neuere Gemini gegenüber ChatGPT 3.5 einen Vorteil durch einen größeren Trainingsdatensatz hat: Während OpenAIs ChatGPT anschließend stumpf ein Rezept für Rauchbier vorschlägt, warnt Googles Gemini erstens vor einem entsprechend intensiven Rauchgeschmack in einem Bier und zweitens vor einer möglichen Verkleisterung der Maische.

Der daraus resultierende Tipp der Google-KI deckt sich mit dem, was echte Menschen in Onlineforen schreiben: besser das besagte Malz mit anderen Sorten kombinieren. Einen Fall von "Halluzinieren" – also Wiedergeben falscher Fakten – zeigt Gemini hingegen bei der Wahl der Hefe: Nach Rücksprache mit einem Experten im Fachhandel zeigt sich, dass diese eigentlich für Weißbier gedacht ist, das Rauchbier hätte damit einen Geschmack von Banane entwickelt. Unpassend, und auch hier zeigt sich: Menschliche Expertenkontrolle schützt vor maschinellen Halluzinationen.

Gescheiterte Versuche: Wein

Probleme zeigen sich schließlich bei den Versuchen, mit Wein- anstatt mit Bierhefe akzeptable Ergebnisse zu erzielen. So etwa bei einem Versuch mit Malzextrakt: Dabei handelt es sich um eine klebrige Masse in Konservendosen, die lediglich mit warmem Wasser verrührt und anschließend vergoren werden muss – ein Zugang, der sich vor allem für Anfänger gut eignet. Mir ist das zu langweilig, und daher frage ich ChatGPT, ob sich die Gärung eines Stout-Malzextrakts auch mit Weinhefe durchführen lässt.

Hier wurde die KI offensichtlich genügend mit Forenbeiträgen und Fachliteratur trainiert, um mich mehrmals darauf hinzuweisen, dass die beiden Hefesorten unterschiedlich reagieren, der Gärprozess intensiv beobachtet werden muss und das Ergebnis eventuell etwas eigen ist. Es hilft nichts, ich schlage diese Warnungen alle in den Wind und erhalte schließlich ein tiefdunkles Bier mit Rotweinaroma. Oder, um es weniger eloquent mit den Worten Crocodile Dundees auszudrücken: Man kann es trinken, aber es schmeckt beschissen.

Gärbehälter
Blick in den Gärbehälter: Hier entsteht ein dunkles Bier mit Rotweinaroma.
STANDARD/Stefan Mey

Google Gemini hingegen wird um ein Rezept für Cider gebeten. Dieses ist eigentlich vergleichsweise simpel, Apfelsaft und Zucker werden mit Weißweinhefe vergoren. Interessant ist hier aber, was die KI in puncto Quellenangaben macht: Es wird auf Seiten verlinkt, die es nicht gibt. Gerade bei Nischenthemen wie diesem zeigt sich klar, dass die KI-Bots tatsächlich nicht auf ihre eigenen Quellen verlinken, sondern nachträglich im Netz nach themenverwandten Websites suchen. Das Zitieren wird hier also nur vorgetäuscht.

Fazit: Viel gelernt – und schmecken tut's auch

Der Weg zum selbstgebrauten KI-Bier ist somit letzten Endes ein beschwerlicher. Die auf diesen Anwendungsbereich nicht ausgelegten Bots müssen mit genauen Instruktionen gefüttert und die Ergebnisse anschließend genau kontrolliert werden – sonst schmeckt im besten Fall das Bier ein wenig komisch, im schlimmsten Fall entsteht ein ernsthafter Schaden.

Auch wird durch eben eine solche Praxisanwendung deutlich, wo auch im Jahr 2024 noch die Stolpersteine bei der Nutzung von KI liegen. Neben den genannten Halluzinationen fallen darunter auch die unterschiedlich großen Datensätze, mit denen die Modelle trainiert wurden, und der mangelhafte Umgang mit Quellenangaben.

All das führt erneut vor Augen, was auch in Bezug auf die Verwendung von KI am Arbeitsplatz immer wieder betont wird: Künstliche Intelligenz kann dem Menschen die Arbeit unter Umständen erleichtern, ihn aber nicht ersetzen. Jeder Schritt muss vom Menschen geprüft werden, er macht weite Teile der manuellen Arbeit, stellt gedankliche Assoziationen her – und ist vor allem derjenige, der das Bier schließlich mit seinen Freunden verkostet. Apropos: Schmecken tut es gut, sofern man auf die entsprechenden Sorten steht. Und das ist ja letztlich die Hauptsache. (Stefan Mey, 6.4.2024)