KI, Kochen, Selbstversuch
Kann die KI die Koch-Monotonie ersetzten? Unsere Autorin machte den Selbstversuch. Fazit: durchwachsen.
Midjourney / Prompt vom Tobias Burger

Als ich das letzte Mal übersiedelte, schleppte ich drei Kisten mit Kochbüchern in die neue Wohnung. Der anschließend gefasste Vorsatz, sie schleunigst auszusortieren, verflog schnell. Ich liebe Kochen. Liebe es, in den kunstvoll illustrierten Bänden zu schmökern, mich von Aromen und Zutaten inspirieren zu lassen. Im Alltag hingegen sieht es meist so aus: Welche Reste gibt der Kühlschrank her? Ofentür auf, Gemüse rein. Nach einer halben Stunde (in der ich duschen oder die Wäsche machen kann) steht das Essen auf dem Tisch. Frühstück und Mittagessen sind ähnlich routiniert. Nichts gegen Brot, Salat und Ofen­gemüse (was ich vermutlich als Henkersmahlzeit wählen würde), aber ein wenig Abwechslung wäre manchmal doch ganz schön.

Hilfe im Kampf gegen die Kochmonotonie kommt von unerwarteter Seite: künstlicher Intelligenz. Wobei, so überraschend ist es ei­­gentlich nicht: KI malt Bilder, fällt Gerichtsurteile, entwirft Häuser. Auch dieser Text könnte mithilfe künstlicher Intelligenz geschrieben sein (keine Sorge, ist er nicht). Nun also Rezepte. Die gibt es im Internet schon seit langer Zeit. Der Unterschied aber ist: Die KI-Plattformen suchen nicht einfach bestehende Rezepte, sondern erstellen gänzlich neue, individuell auf Wünsche und Ernährungsgewohnheiten abgestimmt.

KI, was kochen wir heute?

Das Angebot an Plattformen ist groß, genau wie die Versprechen: eine ausgewogene, gesündere Ernährung. Weniger Lebensmittelverschwendung. Kulinarische Erweckungserlebnisse: "Entfesseln Sie Ihren inneren Chefkoch", heißt es da. Ich will es ausprobieren: einen Tag KI-Kochen, von Frühstück bis Abendessen. Innere Chefköchin, mach dich bereit!

Ich starte mit ChefGPT. GPT steht für "generative pre-trained transformer". Das Programm funktioniert wie ChatGPT und all die anderen KI-Anwendungen: Man füttert es kontinuierlich mit Daten – in diesem Fall Rezepte und Zutatenkombinationen –, wodurch das Ergebnis stetig besser wird. Die Kochkünste von ChefGPT werden immer ausgefeilter. Er hilft mir außerdem dabei, Pläne für Mahlzeiten zu erstellen, meinen Nährstoffhaushalt und meine Vorratshaltung zu optimieren. Der Modus "Pantry Chef" ist kostenlos, für alle anderen Modi wird eine monatliche Gebühr von knapp drei Euro fällig.

Beim "Pantry Chef" geht es darum, "schlauer zu kochen". Man kocht mit dem, was man in der Vorratskammer, also seiner "pantry", hat. Ich klicke mich durch die verfügbaren ­Lebensmittel. Morgendliche Überforderung. Was muss weg? Die Banane vielleicht ... Dazu wähle ich Joghurt und Trauben. Ziemlich uninspiriert. Dementsprechend uninspiriert ist auch das Rezept: ein Frühstücks-Smoothie. "Mixen Sie alles, bis eine glatte Konsistenz entsteht."

Es wäre einfacher, wenn man Schlagwörter statt genauer Zutaten eingeben könnte. Ich suche weiter. Bei DishGen geht das. Hinter der Plattform steckt ein Webentwickler/Foodblogger. War­um nicht beide Leidenschaften zusammenbringen, dachte er sich. Den Prozess beschreibt er als "aufregend und beängstigend". Über viele Jahre hinweg hatte er an die 400 Rezepte kreiert. "Mit KI kann ich Hunderte von Rezepten in einer Stunde erstellen." Die Plattform ist kostenlos, denn: Je mehr Leute sie nutzen, desto besser werden die Rezepte. Weil dahinter dennoch eine Menge menschlicher Arbeit steckt, liegt das Limit bei 15 pro Monat. Für alle weiteren muss man extra zahlen.

Bitte ein gesundes Frühstück

Ich tippe "healthy warming breakfast with nuts" in das Suchfeld (anders als ChefGPT gibt es die Plattform derzeit nur auf Englisch). Als gesundes, wärmendes Frühstück mit Nüssen wird mir eine "Nussige Bananen-Hafer-Bowl" vorgeschlagen. Dafür werden Haferflocken und Bananen mit Gewürzen in Mandelmilch gekocht und mit gerösteten Nüssen und Honig serviert. Klingt gut – unterscheidet sich aber nicht wirklich von meinem bisherigen Frühstück.

KI, Kochen, Selbstversuch
80 Prozent der Menschen kochen maximal zehn verschiedene Rezepte pro Jahr. Warum sich also nicht von KI inspirieren lassen?
Midjourney / Prompt vom Tobias Burger

Zweiter Versuch: "gesundes Frühstück mit Karotten und Ziegenjoghurt" (ein Rest ist noch im Kühlschrank). Der digitale Koch schlägt mir Karotten-Pfannkuchen mit Ziegenjoghurt vor. Die Zutaten sind schnell zusammengerührt: Mehl, Backpulver, ein Ei, geraspelte Karotte, Zucker, etwas Öl, Salz, Zimt und Muskatnuss. Zum Schluss noch das Ziegenjoghurt und Milch. Obwohl ich anfangs skeptisch bin – sie gehen in der Pfanne zwar schön auf, sehen aber ziemlich trocken aus –, bin ich vom Geschmack überzeugt. Habe ich direkt in mein digitales Rezeptbuch gespeichert.

Fürs Mittagessen probiere ich eine andere Plattform: cookAIfood. Leider gibt es nur einen kostenlosen Credit, den man wahlweise für ein Überraschungsrezept oder ein individuell auf Basis ausgewählter Zutaten erstelltes verwenden kann. Ich will mein altes Brot verwerten, daher entscheide ich mich für Option zwei. Vorab kann ich noch den Küchenstil (karibisch) und Extrawünsche (von vegetarisch über Paleo bis laktose- und glutenfrei) auswählen.

Fazit: Ausbaufähig!

Bei den Zutaten lasse ich mich von meinem Kühlschrank leiten. Außer Brot klicke ich Karotten, Salat, Joghurt und Bananen an. Wenige Sekunden später schlägt mir das Programm einen karibischen Bananen-Brot-Salat vor. Das Versprechen: schnell gemacht und mit 300 Kilokalorien auch sehr gesund. Zutatenliste und Kochaufwand sind überschaubar: Zwei Scheiben Brot würfeln und im Ofen rösten. Währenddessen eine reife Banane in Scheiben schneiden, eine Karotte raspeln und grünen Salat rupfen. Das "Salatdressing" besteht aus zwei mit Salz und Pfeffer verrührten Esslöffeln Joghurt.

Fazit: schöne Idee, aber in der Umsetzung ausbaufähig. Das Dressing pimpe ich mich Gewürzen, Öl und Limette. Die Banane könnte man karamellisieren, vielleicht noch geröstete Nüsse obendrauf ... Auf der Darstellung (ebenfalls mit KI erzeugt) sieht das Ganze auch deutlich aufwendiger aus. Aus Spaß probiere ich noch das "Surprise"-Rezept, doch den Aufwand mit dem zweiten Account hätte ich mir sparen können: gegrillte Makrele mit Zitrone und Kräutern. Auf die Idee kommen selbst absolute Kochneulinge von selbst.

Beim Kochen geht es um Erfahrung und Talent. Daneben aber auch, weniger romantisch, um Wissenschaft. Salz, Hitze, die Kombination von Zutaten – das alles setzt chemische Prozesse in Gang, die bestimmen, wie mein Essen am Ende schmeckt. Auch die Frage, welche Aromen miteinander harmonieren, lässt sich wissenschaftlich beantworten: Je mehr gemeinsame Aromenkomponenten zwei Lebensmittel aufweisen, umso besser passen sie zusammen. Food-Pairing ist seit einigen Jahren in aller Munde. Gerade auf diesem Gebiet – angesichts der schier endlosen Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten – hat der Einsatz von künstlicher Intelligenz Potenzial. Ich nutze dafür meinen "Geschmacksthesaurus", einen 500 Seiten starken Wälzer, in dem überraschende Kombinationen für unzählige Lebensmittel vorgestellt werden. Doch die entsprechende KI-gestützte Plattform gibt es bereits.

KI, Kochen, Selbstversuch
Künstliche Intelligenz wird künftig verstärkt in Küchen mitmischen – schon allein durch die neuen Gerätschaften, die damit ausgestattet werden.
Midjourney / Prompt vom Tobias Burger

Google oder Chatbot?

Nach und nach, da sind sich Experten einig, wird künstliche Intelligenz zum festen Bestandteil in unseren Küchen werden. Schon heute gibt es Backöfen, die wissen, wie lang ein Gericht bei welcher Temperatur im Ofen brutzeln muss, und Kühlschränke, die mir sagen, wie viel Marmelade noch im Glas ist. Welche (negativen) Folgen und Risiken der Einzug von KI in unseren Alltag birgt, wird derzeit noch hitzig diskutiert. Auch ich mache mir da so meine Gedanken, während ich durch die vielen Angebote scrolle: Bei Plant Jammer setzt man auf vegetarische Zutaten und "Em­power­ment": "80 Prozent der Leute machen maximal zehn verschiedene Rezepte pro Jahr." Wenn wir alle etwas abwechslungsreicher kochen und essen würden, so die Theorie, wäre das Lebensmittelsystem ein nachhaltigeres. Auf Spaß und bunte Bilder setzt man bei Tasty. Die Plattform gehört zum Medienriesen Buzzfeed. In der App-Variante kann man den Chatbot Botatouille um kulinarischen Rat fragen.

Was ist das Geheimnis eines perfekt gegrillten Lachsfilets? Oder: Wie mache ich ein gutes Joghurtdressing? Er gibt sich Mühe, aber die Antwort findet sich auch schnell per Google-Suche. Am Abend suche ich noch einmal Rat bei ChefGPT. Ich will wissen, wie gut KI in Sachen Food-Pairing ist. Nachdem man die Zutaten ausgewählt hat (in meinem Fall eine wilde, zufällige Mischung), kann man zwischen zwei Modi wählen: "All-in" – für all jene, "die Überraschungen mögen und einen robusten Magen haben" – oder "Gourmet", wobei nur die harmonierenden Zutaten berücksichtigt werden. Ich klicke auf Gourmet und erhalte: Sardellen-Marillen-Salat mit Kaffeedressing. Marille und Kaffee. Absolut. Sardelle und Aprikose. Warum nicht. Aber Sardelle und Kaffee?

Cremiger Kürbis-Tofu-Eintopf

Ich wechsle zu DishGen, der mir schon die Karotten-Pancakes vorgeschlagen hat. Ich habe Lust auf Kürbis und Tofu. Cremiger Kürbis-Tofu-Eintopf, lautet der Vorschlag. Mmh ... vielleicht noch Pilze dazu ... Und die Eier und das restliche Brot müssten auch noch weg ... Die Lösung: mit Tofu und Kürbispüree gefüllte Pilze. Die Brotwürfel werden mit Ei, Parmesan und Sellerie gemischt und mit den Pilzen im Ofen gebacken. Wieder Ofengemüse, aber dennoch einmal etwas anderes.

Wie lautet nun das Fazit nach einem Tag KI-Kochen? Es macht Spaß, mit den Plattformen herumzuspielen, und ein paar Inspirationen sind auch dabei – vor allem, wenn es darum geht, Kühlschrankreste gezielt aufzubrauchen. Echte Köchinnen und Rezepteschreiber, die Gerichte unzählige Male Probe kochen, ersetzt die KI jedoch nicht. Und das ist ja auch irgendwie gut so. Am Wochenende werde ich mal wieder meine Kochbücher durchstöbern. Und sobald es wieder Marillen gibt, werde ich dann auch den Sardellen-Kaffee-Salat ausprobieren. (Verena Carola Mayer, 11. 11. 2023)

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