Der Familienhund beschnuppert den unbekannten Besuch. Von der Tür des Einfamilienhauses grüßt Michaela Rziha, mit herzlichem Lächeln und in eine grüne Schürze gekleidet. Nachdem die Schuhe ausgezogen sind, führt sie ums Eck in die offene Wohnküche, wo am blumengeschmückten Tisch Wasserkaraffe und Gläser bereitstehen und in der Mitte des Raumes, auf dem blankgeputzten Tresen, der Grund der Zusammenkunft: der TM6, das neueste Modell des Thermomix.

Weil sie "gern redet" und von dem Gerät überzeugt ist, hat Finanzbuchhalterin Michaela Rziha eine Zweitkarriere als Thermomix-Vertreterin gestartet.
Verena C. Mayer

"Den habe ich mir über das 4U-Programm verdient", erzählt Rziha. Wer es schafft, in den ersten 100 Tagen seiner Beratertätigkeit vier Geräte zu verkaufen, bekommt das neueste Modell geschenkt. So will Hersteller Vorwerk Verkaufstalente anwerben und motivieren. Die 49-jährige Rziha ist Bilanzbuchhalterin, arbeitet schon lange bei einem Steuerberater. Da das aber eher ruhig sei "und i red so gern", begann sie 2019 ihre Nebenkarriere als Thermomix-Beraterin. Das erste Gerät war schnell verkauft, an die beste Freundin. Nummer zwei, drei und vier folgten rasch: Die Begeisterung, mit der sie im Büro und in der Schule ihrer Kinder davon redete, war ansteckend.

Lange aber gehörte Rziha selbst zu den Skeptikern, nach dem Motto: "Ich kann eh kochen, ich brauch keinen Thermomix." Bis ihre Schwägerin ein paar Sommerwochen zum Housesitting kam, ausgerechnet als all das Obst und Gemüse im Garten reif wurde. Als Rziha zurückkam, war alles eingekocht. Ihre Sorgen ("Du hattest ja gar keinen Urlaub.") wischte die Schwägerin beiseite. Dafür hätte sie ja ihren Thermomix.

"Ich wurde eines Besseren belehrt", sagt Rziha lachend. "Der Thermomix macht die Vorratshaltung, aber auch das tägliche Kochen so viel leichter." Vorwerk setzt auf die Begeisterung von Kunden wie Michaela Rziha.

Nun lädt Rziha Bekannte zum Kochen nach Hause.
Verena C. Mayer

Aus begeisterten Kundinnen werden überzeugende Verkäuferinnen. Rund 60 Prozent der Geräte, schätzt Rziha, werden über Direktvertrieb verkauft. Ein geschicktes Verkaufsmodell für technische Geräte, deren unzählige Funktionen zwar verlockend klingen. Nur: Wer hat schon Lust, sich seitenweise durch die Bedienungsanleitung zu quälen? Beim Showkochen mit Freundinnen und Freunden wird das Gerät step by step vorgestellt, Fragen können geklärt und am Ende die Speisen genossen werden.

Kneten und Dämpfen

Heute soll es Germknödel geben. Bevor es aber losgeht, gibt es eine kurze Einführung in Geschichte (erste Vorläufermodelle gab es bereits Anfang der 1970er-Jahre) und technische Details: 500 Watt Motorleistung. Maximale Drehzahl des Messers: 10.700 Umdrehungen pro Minute. Integrierte WLAN-Verbindung. Mixtopf aus rostfreiem Edelstahl. Was dem einen sein Auto, ist dem anderen sein Thermomix. Weiter geht es mit den Funktionen: Pürieren kann er, mixen, mahlen, sous-vide garen, fermentieren, Eier kochen, Erdäpfel schälen. Und, wichtig für die Germknödel, natürlich auch kneten und dämpfen.

Bei der Zubereitung dürfen die Gäste selbst Hand anlegen. Viel falsch machen kann man nicht: Mohn und Zucker mittels integrierter Waage abwiegen. Auf Vollgas drehen. Mixtopf ausleeren. Milch, Zucker und Germ zugeben. Warten, während das Ganze bei exakt 37 Grad vermischt wird. "Das Geheimnis, warum Germteig im Thermomix so gut wird", meint Rziha. Fehlt nur noch Mehl, Butter, Ei und Salz, und eineinhalb Minuten später kommt der Teig geschmeidig duftend aus dem Topf. Lediglich beim Formen und Füllen der Knödel muss man dem Thermomix unter die Arme greifen.

"Jeder kann damit kochen", ist Rziha überzeugt. Man wird mutiger und traut sich, Neues auszuprobieren, sagt eine Freundin, die spontan zum "Fortbilden" vorbeigekommen ist. In Österreich kam der Thermomix erst 1999 und damit relativ spät auf den Markt. "Weil wir das Land von Schnitzel und Schweinsbraten sind", vermutet Rziha. Backrohr und Fritteuse kann das Gerät schwerlich ersetzen. Erst in der Pandemie begann hierzulande der große Thermomix-Boom. Auch Rzihas Freundin lernte das Gerät im Lockdown kennen und lieben. Die Einführung erfolgte über Videomeetings.

Der Thermomix kann auch kneten und dämpfen.
Verena C. Mayer

Willkommen in der Showküche

Rziha veranstaltet mindestens ein Showkochen pro Woche. 105 Geräte hat sie letztes Jahr verkauft. Eine hohe Erfolgsquote – für die sie von einer Freundin mit selbstgebasteltem goldenen Thermomix-Spatel und von Vorwerk mit einer Glastrophäe ausgezeichnet wurde. Wie viel Provision die Berater bekommen, will das Unternehmen nicht verraten. Im Internet kursieren Zahlen von zehn bis fünfzehn Prozent. Bei 105 verkauften Geräten (1359 Euro kostet das aktuelle Modell) wären das rund 14.000 bis 21.000 Euro pro Jahr. Daneben arbeitet der Direktvertrieb mit Zuckerln, wie Rziha sagt.

Nur wenige laden wie Rziha zum Showkochen ins eigene Heim, wo Küchen mit Familienfotos geschmückt sind und zwischendurch Kinder und Mann vorbeihuschen. Meist kommen die Berater zu den Interessenten nach Hause. Der Effekt ist derselbe: Es fühlt sich an, als sei man zum Kochen mit Freundinnen und Freunden verabredet, die Stimmung ist ausgelassen, das Geschäftliche zweitrangig. Wer am Ende angesichts des hohen Preises skeptisch ist, kann sich den Thermomix erst einmal ausleihen. Nur überzeugte Kundinnen und Kunden machen Werbung für das Gerät. Daher darf man Rziha auch immer anrufen, wenn nach dem Kauf Fragen auftauchen. Persönliche Beratung statt nervtötender Hotlines.

Breites Kundenspektrum

Das Kundenspektrum ist breit: Die jüngste Kundin war ein Mädchen, das sich Thermomix und Showkochen zum Kindergeburtstag gewünscht hat. Es gehe aber bis ins hohe Alter. Und die Männer? "Die kaufen sehr gerne!", auch wenn sie ob des Preises meist skeptischer seien. Dann fragt Rziha gerne beiläufig, was denn der Grill gekostet habe und wie oft er zum Einsatz komme. "Im Vergleich dazu steht der Thermomix, der tagtäglich genutzt werden kann, ziemlich gut da." Nicht nur unter der Kundschaft, auch unter den rund 4.200 Vertreterinnen und Vertretern, die es österreichweit gibt, fänden sich zahlreiche Männer, erzählt Rziha. "Ich hab auch einen im Team."

Und fertig sind die Germknödel!
Verena C. Mayer

Die Germknödel sind fertig gegangen, die Vanillesauce gekocht. Während die Teigkugeln im Dampfaufsatz garen, stellt Rziha das digitale Rezeptbuch vor: per App auswählen, mit Freunden teilen, Online-Einkaufslisten erstellen. "Ach, diese Karotten-Ingwer-Suppe soll sehr gut sein", meint ihre Freundin. "Hab ich gespeichert! Probiere ich gleich aus."

Die Begeisterung steckt an. Man will auch zu dieser Community gehören, in der kochen immerzu Spaß macht und Rezepte geteilt werden wie einst Musik-CDs. Wo ist sie hin, die der objektiven Berichterstattung verpflichtete Reporterin? Das Piepen beendet die Thermomix-Träumereien. Essen ist fertig. "Danke fürs Kochen", sagt Michaela Rziha. Und vermutlich auch für den Kauf. (Verena Carola Mayer, 10.2.2023)