Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg plant ein 100-Milliarden-Paket für die Ukraine.
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Die Nato plant die Einrichtung eines Fonds, der die Militärhilfe für die Ukraine in den kommenden fünf Jahren garantieren soll. Dieser soll mit 100 Milliarden Euro dotiert sein und die militärische Unterstützung des Bündnisses für Kiew davon unabhängiger machen, was die einzelnen Mitgliedsstaaten an bilateralen Hilfen von sich aus leisten. Entsprechende Pläne will Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Treffen der 32 Außenminister der Allianz im Hauptquartier in Brüssel am Donnerstag erstmals offiziell präsentieren.

Anlass dieser Zusammenkunft ist das Jubiläum des 75-jährigen Bestehens der Allianz, die am 4. April 1949 mit der Unterzeichnung der Nordatlantikverträge in Washington gegründet wurde – von zwölf Mitgliedsländern, voran den USA und Kanada in Amerika, Großbritannien, Frankreich und den Beneluxstaaten in Europa.

Jubiläumsgipfel in Washington

Das Treffen dient nicht zuletzt der Vorbereitung des Nato-Jubiläumsgipfels der Staats- und Regierungschefs Anfang Juli in der US-Hauptstadt. Dort soll nicht nur das vor einem Jahr in Vilnius beschlossene neue strategische Konzept überprüft und bestätigt werden. Es sieht eine deutliche Aufrüstung an der Ostflanke zum Schutz vor einer möglichen russischen Aggression vor. Im Zentrum wird auch die weitere Vorgangsweise im Krieg in der Ukraine stehen.

Hintergrund der Pläne Stoltenbergs, die vor allem von den Europäern unterstützt werden, ist die Sorge, dass es nach den Präsidentenwahlen in den USA im November zu einem Umschwung kommt, Donald Trump erneut gewählt wird und den Europa- und Ukraine-freundlichen Joe Biden ablösen könnte. Trump hatte stets damit gedroht, dass die USA die Nato sprengen könnten, weil die Partner zu wenig leisteten. Und er stellt die Militärhilfe für die Ukraine infrage. Die EU-Staaten hingegen bemühen sich darum, das osteuropäische Nachbarland so gut wie möglich zu unterstützen, haben zuletzt auch einen eigenen EU-Militärfonds eingerichtet, der mit fünf Milliarden Euro dotiert ist.

Sorge vor Trumps Wiederwahl

Das ändert aber nichts daran, dass die militärische Führungsmacht USA aufgrund ihrer Stärke bei der Hilfe für die Ukraine den Ton angibt. Eine freiwillige Kooperation von rund 50 Staaten kümmert sich im sogenannten Ramsteinformat führend um die Abstimmung der Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine, trifft sich dazu auf dem gleichnamigen US-Stützpunkt in Deutschland.

Mit dem neuen Nato-Fonds könnte das westliche Bündnis eine von der Regierung in Washington etwas unabhängigere, koordinierende Rolle spielen, so die Überlegung. Beim Gipfel im Juli könnte das Konzept mit Joe Biden beschlossen werden, noch bevor der Intensivwahlkampf in den USA beginnt. Bisher hat sich die Nato auf die Lieferung von sogenannten nichtletalen Waffen beschränkt, die auf Verteidigung auf ukrainischem Gebiet beschränkt sind, um jede Eskalation mit Russland von vornherein auszuschließen.

Die Nato hat seit dem vor wenigen Wochen vollzogenen Beitritt von Schweden inzwischen 32 Mitglieder. Da Beschlüsse in der Regel einstimmig erfolgen, wird zur Umsetzung noch einige Zeit vergehen. Der US-Präsident hatte zuletzt Probleme, seine Hilfspakete für die Ukraine im US-Kongress durchzubringen.

Seitens der Europäer wird es Unterstützung für die Pläne geben, wie Außenminister gewichtiger Länder im Vorfeld deutlich machten. Der britische Chefdiplomat David Cameron hat die Mitglieder der Partnerstaaten aufgefordert, mehr für höhere Rüstungsausgaben zu tun. Grund: die andauernde "russische Aggression".

Die Ukraine solle laut Cameron auch mehr Marschflugkörper bekommen, was in Deutschland bisher von Kanzler Olaf Scholz vehement abgelehnt wird. In Vilnius beim letzten Nato-Gipfel war beschlossen worden, dass in Zukunft "mindestens zwei Prozent" der Wirtschaftsleistung eines Landes in die Verteidigung fließen müssen. Das erreichen viele abseits von USA, Polen und Großbritannien nicht oder nur mit Mühe.

Mehr Aufrüstung in Europa

Die drei Außenminister des sogenannten Weimarer Dreiecks bestehend aus Frankreich, Deutschland und Polen, Stéphane Séjourné, Annalena Baerbock und Radosław Sikorski, sprachen sich vor dem Nato-Treffen in einem Gastkommentar für "Politico" dafür aus, die Aufrüstung in Europa voranzutreiben. Dafür müsse "das gesamte industrielle Potenzial unseres Kontinents genutzt werden", heißt es darin, verkürzt oft als "Kriegswirtschaft" bezeichnet.

Ziel: die Verbesserung der eigenen militärischen Fähigkeiten. Dazu bedürfe es Abnahmegarantien der Regierungen für Rüstungsfirmen, langfristiger Verträge und Zeitpläne. Die USA hätten bisher weit mehr an Lasten getragen als die europäischen Partner. Die drei Außenminister bekannten sich neuerlich auch ausdrücklich dazu, die Ukraine mit allen Mitteln zu unterstützen. "Damit Europa in Frieden leben kann, muss der russische Imperialismus gestoppt werden", heißt es in ihrem gemeinsamen Text. Grauzonen und Zugeständnisse an Wladimir Putin wären "naiv", würden diesen nur zu noch mehr aggressivem Verhalten einladen. (Thomas Mayer, 3.4.2024)