Junge Frau steht in Lavendelfeld.
Er riecht nicht nur gut, er hat auch jede Menge positive Wirkung. Unter anderem ist Lavendel entzündungshemmend und stimmungsaufhellend.
Regine Hendrich

Er riecht blumig-krautig, entspannt, beruhigt, und der Duft erinnert an Frühsommer in der Provence: Lavendel. Dem Zwergstrauch aus der Familie der Lippenblütler werden viele positive Gesundheitseigenschaften zugeschrieben. Das daraus destillierte Öl soll antiseptisch und entzündungshemmend wirken, man wendet es gern bei Hautproblemen an, und es soll beim Einschlafen helfen, sagt die Aromatherapie. Außerdem soll es die Stimmung positiv beeinflussen.

Genau das wurde nun in einer wissenschaftlichen Studie untersucht. Die Erkenntnis: Eine bestimmte Formulierung von Lavendelöl hilft nicht nur gegen Angstzustände, sondern offenbar auch gegen milde bis moderate Depressionen. Die Wirksamkeitsstudie wurde vom Wiener Psychiater Siegfried Kasper vom Zentrum für Hirnforschung an der Med-Uni Wien mit deutschen und Schweizer Co-Autoren durchgeführt und im Journal "European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience" publiziert.

"Angststörungen und Depressionen haben überlappende Symptome und laufen über ähnliche neurobiologische Mechanismen ab. Antidepressiva haben sich auch bei Angstzuständen als wirksam erwiesen. Umgekehrt könnte es also sinnvoll sein, den möglichen Effekt von angstlösenden Medikamenten wie Silexan auch bei Depressionen zu untersuchen", schreiben Kasper und seine Co-Autoren, unter anderem von der psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in München und von der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich. In der EU weisen rund 15 Prozent der Menschen innerhalb eines Jahres Symptome einer Angststörung auf, rund sieben Prozent erleben eine depressive Phase.

Ähnliche Besserung wie mit Antidepressivum

Die Wissenschafter starteten deshalb eine Studie mit insgesamt 498 Patienten, die laut der international in der Psychiatrie gebräuchlichen Klassifikation nach der MADRS-Einteilung – das sind zehn Fragen, die jeweils mit Werten von null bis sechs bewertet und summiert werden, die höchste Punktezahl ist 60 – an einer leichten bis moderaten Depression litten. Nach MADRS bedeutet ein Wert von 19 bis 34 eine erste oder wiederholte depressive Episode.

170 Patientinnen und Patienten bekamen das Lavendelöl-Präparat Silexan mit einer Dosis von einmal 80 Milligramm pro Tag, 171 Erkrankte schluckten einmal pro Tag eine Tablette des klassischen Serotonin-Reuptake-Hemmers Sertralin mit 50 Milligramm, und 157 Probanden bekamen ein Placebo. Die Studie war doppelt verblindet, weder Patienten noch behandelnde Ärzte wussten, welche Probanden was einnahmen.

56 Tage lang wurde behandelt, nach diesen acht Wochen wurde die MADRS-Beurteilung wiederholt. Jene Personen, die das Lavendelöl-Präparat eingenommen hatten, wiesen im Vergleich zur Placebogruppe eine Verbesserung um 2,17 Punkte auf der MADRS-Skala auf. Die Patienten, die das Antidepressivum geschluckt hatten, zeigten einen vergleichbaren, etwas besseren Effekt, die Schwere ihrer Depression nahm um 2,59 Punkte ab. Hoch signifikant unter Verwendung von Silexan war auch die Fähigkeit der Behandelten, mit dem täglichen Leben wieder besser zurechtzukommen.

Qualität ist wichtig

"Die Studie bestätigt die antidepressive Wirkung von Silexan bei milder oder moderater Depression. Außerdem wurden beide Medikamente gut vertragen", schreiben die Forschenden.

Kasper beschäftigt sich schon länger mit Lavendel. Bereits im Jahr 2015, damals als Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Med-Uni Wien, schrieb er: "Lavendel (Lavandula angustifolia) ist seit Jahrhunderten als Arzneipflanze bekannt und weist unter anderem anxiolytische und beruhigende Eigenschaften auf (...) Das aus den Blüten der Pflanze durch Wasserdampfdestillation gewonnene Lavendelöl ist ein komplexes Vielstoffgemisch, in dem bisher mehr als 160 verschiedene Substanzen identifiziert werden konnten. Die angstlösenden Eigenschaften der Substanz werden auf verschiedene Inhaltsstoffe zurückgeführt, darunter Linalool und Linalylacetat."

Wichtig sei aber die Qualität von Lavendelöl-Präparaten, betont Kasper. Vor allem Öle aus Lavandula angustifolia mit hohem Ester-Gehalt eignen sich zur Herstellung von Präparaten mit pharmazeutischer Qualität.

Übrigens, Lavendel wächst nicht nur in der Provence, sondern auch in Wien. Was mit den lila Blüten aus Breitenlee passiert, darüber hat DER STANDARD hier berichtet. (APA, red, 3.4.2024)