Wenn das ölreiche Emirat Abu Dhabi in Erneuerbare Energien einsteigt, dann gleich im großen Stil. Man wolle "das globale Kraftzentrum für saubere Energie und grünen Wasserstoff" werden, liest man auf der Website von Masdar, dem staatseigenen grünen Vorzeigeunternehmen.

Gegründet wurde Masdar im Jahr 2006, um bei der Energiewende vorne dabei zu sein. Heute ist das Unternehmen laut Eigendarstellung "einer der weltgrößten Investoren im Bereich Erneuerbare Energien", tätig in mehr als 40 Staaten. Gesamtwert der Beteiligungen: rund 260 Millionen Euro.

Der Konzernsitz liegt in Masdar City, einer eigens errichteten Null-Emissions-Stadt nahe Abu-Dhabi-Stadt, die ökologisch alle Stücke spielt und an der seit bald zwei Jahrzehnten gebaut wird. Die Eigentümer von Masdar sind der milliardenschwere Staatsfond Mubadala und der staatliche Ölkonzern von Abu Dhabi, Adnoc (Abu Dhabi National Oil Company), der zugleich an der österreichischen OMV zu knapp einem Viertel beteiligt ist. Der Masdar-Vorstandschef: Sultan Ahmed Al Jaber, zugleich Chef von Adnoc sowie Industrie- und Technologieminister der Emirate.

Projekte von Polen bis Montenegro

Masdar hat auch eine Europa-Tochter, die Masdar Solar & Wind Kooperation, gegründet im März 2008, Sitz in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam nahe dem internationalen Flughafen Schiphol. Auch wenn diese Tochter formell nur drei Mitarbeiter beschäftigt, werden von hier aus die europäischen Projekte des Unternehmens verwaltet. Da wären unter anderem Solarkraftwerke in Polen, ein Offshore-Windpark vor der schottischen Küste und weitere Windparks nahe London, in Montenegro und ebenfalls in Polen.

Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – hier beim Prozess gegen ihn am Landesgericht Wien wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss Ende Februar – hat einen Job, von dem die Öffentlichkeit bisher nichts wusste
Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – hier nach dem Prozess gegen ihn am Landesgericht Wien wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss Ende Februar – hat einen Job, von dem die Öffentlichkeit bisher nichts wusste.
Heribert Corn

Laut niederländischem Firmenbuch zeichnen sieben Direktoren verantwortlich für die Masdar Solar & Wind Coöpertief, wie der Firmenname auf Holländisch lautet. Der Öffentlichkeit sind diese Personen allesamt kein Begriff – mit einer prominenten Ausnahme. Wie Recherchen des STANDARD und der niederländischen Investigativplattform "Follow the Money" zeigen, ist auch Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein Direktor der Europa-Tochter von Masdar.

Antritt sechs Monate nach Abtritt

Kurz trat diesen Posten laut Firmenbuch Ende April 2022 an, rund sechs Monate nach seinem Abtritt als Bundeskanzler und dem darauffolgenden Umsatteln in die Unternehmensberatungsbranche. Wie es zu dem Engagement kam, was genau seine Aufgabe bei Masdar ist und wie viel Kurz dort verdient, all das weiß man nicht.

Fest steht nur, dass der Öffentlichkeit bisher nichts davon bekannt war. Denn im Gegensatz zu anderen Tätigkeiten des Ex-Kanzlers – etwa der Beratungsaktivität für den umstrittenen US-Investor Peter Thiel oder der gemeinsamen Firma mit dem österreichischen Geschäftsmann Alexander Schütz – findet sich auf der Website von Kurz' Beratungsfirma SK Management GmbH kein Wort über die Tätigkeit für Masdar.

"Strategische Partnerschaft"

Dabei wurzelt die Zusammenarbeit in den Tagen von Kurz' Kanzlerschaft. Ende Juli 2021 – zwei Monate vor Kurz' Abtritt – vereinbarten die Republik Österreich und die Vereinigten Arabischen Emirate in Wien eine "strategische Partnerschaft" zur "engeren Zusammenarbeit im Bereich Wasserstoff", wie es damals auf der Website der Außenministeriums hieß. Für den Bereich Wasserstoff ist in den Emiraten eben vor allem Masdar zuständig.

Es gelte, "eine bilaterale Allianz bestehend aus den Spitzenbetrieben der österreichischen und der emiratischen Industrie" zu bilden, erklärte Kurz im Sommer 2021. Dementsprechend unterschrieb für Abu Dhabi Sultan Al Jaber die Vereinbarung, emiratischer Industrieminister und zugleich Masdar-Chef. Nur acht Monate später sollte derselbe Al Jaber zum neuen Arbeitgeber von Kurz werden.

Beratung für Benko

Die Arbeit für Masdar ist nicht die einzige Verbindung von Sebastian Kurz nach Abu Dhabi. Eine weitere, über die die Öffentlichkeit mittlerweile besser Bescheid weiß, betrifft René Benkos mittlerweile kollabierten Signa-Konzern. Bereits im Jahr 2018, noch während seiner Kanzlerschaft, soll er im Rahmen von Staatsbesuchen in Abu Dhabi für den Einstieg der reichen Emiratis bei der Signa lobbyiert haben, wie DER STANDARD am Dienstag berichtete. Später, nach seinem Rücktritt, versuchte Kurz erneut, sie als Signa-Investoren zu gewinnen. Das Engagement kam zwar zustande, war jedoch nicht von Glück gesegnet: Nach der Pleite verklagte Mubadala die Signa vor einem Schiedsgericht auf rund 700 Millionen Euro. Kurz fiel indes um sein eigenes Beraterhonorar von der Signa in der Höhe von 2,9 Millionen Euro um.

Was das Engagement des Ex-Kanzlers bei Masdar betrifft, hätten DER STANDARD und "Follow the Money" gerne gewusst, wie es dazu gekommen ist, wie viel Geld Kurz dabei verdient und ob ein Zusammenhang mit den energiepolitischen Vorstößen während Kurz' Kanzlerschaft besteht. Doch weder aus dem Büro des Ex-Kanzlers noch von dessen Arbeitgeber Masdar kamen Antworten auf die Anfragen. (Joseph Gepp, 5.4.2024)