Eine Comac C919
Comac präsentierte die C919 auch bei der Airshow in Singapur im Februar.
REUTERS/EDGAR SU

Die Turbulenzen bei Boeing sorgen für einige Bewegung im Markt der Flugzeugbauer. Nach einem Beinahe-Absturz einer Boeing 737 Max im Jänner ist die Produktion in den amerikanischen Werken stark gesunken – vor allem weil die US-Luftfahrtbehörde FAA verschärfte Kontrollen durchführt und eine monatliche Obergrenze von 38 Jets gesetzt hat.

Bisher ist die globale Flugzeugproduktion von zwei Konzernen dominiert – Airbus in Europa und eben Boeing in den USA. Wobei sich Airbus schon vor Boeings jüngsten Pannen leicht absetzte. Im Jahr 2023 lieferte Airbus 735 Passagierflugzeuge aus, Boeing nur 528. Der Trend geht laut Analysten aber noch viel stärker in Richtung Airbus. Der Flugzeugbauer mit Sitz in Toulouse könnte in einem Jahrzehnt bis zu 80 Prozent der Aufträge von Fluglinien bekommen, so aktuelle Prognosen.

Aber auch andere Flugzeugbauer wollen von Boeings Krise profitieren. Neben Brasilien mit dem Konzern Embraer ist mittlerweile auch China eine Nation mit einem Flugzeugbauer. Comac heißt das Unternehmen, eine Abkürzung für Commercial Aircraft Corporation of China.

Aufholjagd in der Luft?

Ihre Hoffnungen setzen die Chinesen insbesondere auf das Flugzeug C919. Der Jet soll dem A320 von Airbus und der Boeing 737 ernste Konkurrenz machen. Kann China mit Comac auch im Luftverkehr die Flughöhe von Europa und den USA erreichen, wie es der Volksrepublik ja auch mit Smartphones, Fernsehern und E-Autos gelungen ist?

Der Luftfahrtexperte Michael Santo von der Münchner Unternehmensberatung H&Z sieht in Comac auf globaler Ebene keine mittelfristige Konkurrenz für Airbus und Boeing. "Comac braucht noch eine gewisse Lernkurve, um große Stückzahlen zu produzieren. Man muss in dieser Branche auch Lieferantenstrukturen aufbauen", sagt er. Dies habe auch bei Airbus einst Jahrzehnte gedauert. Aber: Die C919 sei ein solides Flugzeug, das Airbus und Boeing "im asiatischen Markt sehr wohl Schmerzen bereiten kann", sagt Santo.

Ein Manko aus chinesischer Sicht: Die C919 ist bisher vorwiegend äußerlich ein chinesisches Produkt. Die wesentlichen technischen Komponenten bis hin zu Triebwerken stammen laut Santo aus europäischer und amerikanischer Produktion. Damit bleibt nicht nur die Wertschöpfung, sondern auch das Know-how im Westen.

Lob vom mächtigen Xi

Es gibt zwei Gründe, warum Comac dennoch Potenzial hat, mit der C919 weltweit Marktanteile auf der Kurz- und Mittelstrecke zu gewinnen. Erstens bietet China auch im Luftverkehr einen riesigen Markt. Zweitens sieht das Regime in Peking im Flugzeugbau ein Vehikel, sein Ansehen in der Welt zu stärken. Präsident Xi Jinping nannte die C919 einen Triumph chinesischen Innovationsgeistes. "Die chinesischen Fluglinien werden verpflichtet, die bisher vorhandenen Flugzeuge von Comac zu kaufen. Erst dann dürfen sie wieder Airbus oder Boeing bestellen", erklärt der Luftfahrtkenner Kurt Hofmann.

Eine C919 der Fluglinie China Eastern beim Erstflug über Hongkong
Eine C919 der Fluglinie China Eastern bei ihrem Erstflug über Hongkong im vergangenen Dezember.
REUTERS/TYRONE SIU

Allerdings: Bisher sind in China nur fünf Maschinen der C919 im kommerziellen Flugbetrieb. In diesem Jahr sollen laut chinesischen Medienberichten weitere sieben Flugzeuge gebaut werden – im Vergleich mit Airbus und Boeing geringe Stückzahlen. Laut dem Hongkonger Analysten Tianfeng Securities sei es für Comac trotzdem möglich, bis 2027 drei Prozent der weltweiten Nachfrage an Schmalrumpfjets zu decken. "Das Ziel ist schon sehr ambitioniert", sagt Hofmann.

Langer Lebenszyklus

Im Wachstumsmarkt der E-Autos ist es China gelungen, auf die Überholspur zu kommen. BYD liegt beim globalen Absatz schon vor Tesla und VW, auch Autobauer wie Nio und Leapmotor wollen expandieren. Könnte China ein vergleichbares Manöver in zehn oder 15 Jahren mit Flugzeugen gelingen?

"Die Komplexität eines Flugzeugs ist doch einen Tacken höher als jene eines E-Autos", hegt Santo Zweifel an einer solchen Zeitenwende in der Luft. Die Automobilbranche und der Flugzeugbau seien schwer vergleichbar. "Während beim Auto der Kaufpreis eine entscheidende Rolle spielt, ist das bei einem Flugzeug nicht in dem Maße der Fall", sagt Santo. "Ein Flugzeug ist ein Produkt mit einem Lebenszyklus von oft 30 Jahren. Hier geht es um Betriebskosten und Beständigkeit." (Lukas Kapeller, 6.4.2024)