König Charles, hier beim Gang zum Ostergottesdienst auf Schloss Windsor, lässt weitere royale Behausungen öffnen.
König Charles, hier beim Gang zum Ostergottesdienst auf Schloss Windsor, lässt weitere royale Behausungen öffnen.
AP/Hollie Adams

Fans des britischen Königshauses stehen in diesem Sommer zwei Leckerbissen ins Haus. Sowohl im schottischen Schloss Balmoral, seit dem 19. Jahrhundert im Familienbesitz, als auch im offiziellen Londoner Amtssitz, dem Buckingham-Palast, bekommen zahlende Besucher eine Reihe von Räumen zu Gesicht, die der Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich waren. Und Netflix-Abonnenten erhalten dieser Tage ihren ganz eigenen royalen Einblick: Der Film "Scoop" erzählt Prinz Andrews fatale Entscheidung nach, im Londoner Palast einer bekannten BBC-Interviewerin sein Herz auszuschütten.

Die weitere Öffnung der royalen Behausungen geht auf König Charles' vorsichtige Modernisierung der Monarchie zurück. Erklärtermaßen hat er sich ja nicht nur die personelle Verschlankung der ehrwürdigen Institution aufs Panier geschrieben; über die kommenden Jahre soll auch das gewaltige Immobilienportfolio der Windsor-Familie schrumpfen.

Ikonische Balkonauftritte

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht dabei der 775-Zimmer-Koloss im Herzen der britischen Hauptstadt. Bei Architekturkritikern ebenso unbeliebt wie bei beinahe allen Monarchen der vergangenen 150 Jahre, zählt der ursprünglich für den Herzog von Buckingham errichtete Palast inzwischen doch zum royalen Mobiliar. Vor allem die Balkonauftritte zu festlichen Anlässen, unweigerlich begleitet von einem Düsenjägerüberflug, möchten die Briten nicht missen.

Es ist jene Frontseite des Palastes, der sogenannte Ostflügel, der jetzt nach jahrelangen Renovierungsarbeiten für Besucher geöffnet wird. Wer im Juli oder August die Eintrittskarte für eine der speziellen Gruppenführungen ergattert, bekommt einen Einblick in den zur Mitte des 19. Jahrhunderts erbauten Wohnblock für die damals stark wachsende Familie von Königin Victoria (1837–1901). Die benötigten Finanzmittel stammten aus dem Verkauf einer Immobilie von Victorias Vorgänger George IV (1820–1833), und so spiegeln Mobiliar und Kunstwerke auch dessen Liebe zu chinesischem Design wider. Weiterhin zugänglich bleiben auch jene gut 20 repräsentativen Räume und Säle im Hauptgebäude. Zu ihnen zählt der 33 Meter lange Ballsaal, in dem bis heute Staatsbankette und Ordensverleihungen steigen, ebenso wie die Bildergalerie mit Gemälden von Rembrandt, Canaletto und van Dyck.

Beschränkte Besuchsperiode

Deutlich rustikaler geht es rund 800 Kilometer weiter nördlich zu. In den wildromantischen, von Wind und Regen gepeitschten schottischen Highlands schmiegt sich Schloss Balmoral in eine Landschaft, die Victorias früh verstorbenen Prinzgemahl Albert an seine thüringische Heimat erinnerte. Neugierige konnten bisher lediglich Teile des gewaltigen Grundbesitzes, die Gärten rund ums Schloss und dessen Ballsaal, besichtigen. Jetzt erhält, wer 100 Pfund (117 Euro) zahlt, Einblick in weitere repräsentative Räume sowie die Bibliothek des Hauses.

Freilich müssen sich royale Fans beeilen, wenn ihnen der Sinn danach steht, jenen "grünen" Saal samt heftig loderndem Kaminfeuer zu besichtigen, in dem die sterbende Queen Elizabeth II. vor 18 Monaten ihrer letzten Premierministerin Liz Truss die Amtsgeschäfte anvertraute. Die Besuchsperiode ist auf fünf Wochen vom 1. Juli an beschränkt, und täglich gibt es lediglich 40 Tickets.

Zu Millionen können hingegen Filmfreaks ihren eigenen Einblick in den Londoner Palast wagen: Es war nämlich im südlichen Zeichensaal, in dem Charles' jüngerer Bruder Andrew, heute 64, vor fünf Jahren ein BBC-Team zum Interview empfing. Andrew und seine PR-Beraterin hatten sich eingeredet, der Prinz könne mit einem offenherzigen Gespräch seine schwer angeschlagene Reputation reparieren.

"Wie dumm er ist"

Das Gegenteil war der Fall: Anstatt sich klar von zwei Sexualverbrechern in seinem Umkreis zu distanzieren, sprach der Royal hochmütig von seinem "besonders ehrenhaften" Verständnis von Freundschaft und leugnete jeden Kontakt mit einer damals 17-Jährigen, die ihn des sexuellen Missbrauchs bezichtigte. Dabei existierte ein Foto der beiden, und Virginia Giuffre erinnerte sich glaubwürdig an Details ihrer Begegnungen mit dem Prinzen.

Während Andrews Antworten auf die Fragen der erfahrenen Politikjournalistin Emily Maitlis "fällt einem das Kinn runter, weil man merkt, wie dumm er ist", glaubt die frühere BBC-Produzentin Sam McAlister, deren Erinnerungen dem Netflix-Film mit Gillian Anderson und Rufus Sewell in den Rollen der beiden Interviewprotagonisten zugrunde liegen. Unterdessen arbeitet Maitlis selbst an der dreiteiligen TV-Serie "A Very Royal Scandal" (Ein sehr königlicher Skandal).

Das unappetitliche Thema rund um seinen aller königlichen Titel und Schirmherrschaften entkleideten Bruder wird die Briten also auch in den nächsten Monaten begleiten – keine erfreuliche Aussicht für den König, dessen Krebsbehandlung dem Vernehmen nach bisher "positiv" verläuft. Dass es Charles den Umständen entsprechend offenbar gut geht, zeigten Fernsehbilder von seinem Gang zum Ostergottesdienst auf Schloss Windsor, dem ersten öffentlichen Auftritt seit zwei Monaten. Mag der Krebs auf die Strategie der Ärzte ansprechen – die Zukunftssorgen um den Buckingham-Palast und Andrews Rolle in der Familie wird der 75-Jährige so schnell nicht los. (Sebastian Borger aus London, 5.4.2024)