Alles begann mit einem Weihnachtsgeschenk. Es war eine Reisetasche für seine Frau, die er selbst hergestellt hatte. Sie sei begeistert gewesen, ebenso wie ihre Freundinnen – die Tasche sei leicht, fühle sich gut an, sehe gut aus. Seine Frau habe ihn bestärkt, noch weitere Taschen herzustellen und sie auch zu verkaufen, sagt Rupert Stockinger. Das war vor circa sieben Jahren.

Mittlerweile fertigt Stockinger mit seiner Firma 2g8er rund 1.000 Geldtaschen und 500 Handtaschen pro Jahr. Das Material erzeugt eine Maschine, ansonsten erledigt er alle Arbeitsschritte selbst. Auf den ersten Blick sehen die Produkte des 35-Jährigen aus, als seien sie aus gewöhnlichem Leder, doch das stimmt so nicht. Es handelt sich um Holzleder – ein Begriff, den Stockinger inzwischen hat patentieren lassen.

Die Herstellung von Holzleder funktioniert ähnlich wie die von einer Leimverbundplatte: Schichten werden aufgetragen und gepresst.
2g8er

Wie wird Holzleder hergestellt? "Es funktioniert im Endeffekt ähnlich wie mit einer Leimverbundplatte", erklärt der Unternehmer. "Es ist genau das Gleiche – nur auf einem halben Millimeter." Aus Holzfasern wird eine Art Brei erzeugt, der in mehreren Schichten vernetzt und dann gepresst wird. Damit das Material stabil ist, müssen Bindemittel beigefügt werden. Das Ziel sei allerdings, so wenig wie möglich davon zu verwenden, weil es sich um Kunststoffe handelt. "Derzeit sind wir bei unter zehn Prozent." Für eine feine Haptik und damit die Taschen resistent gegen Wasser sind, wird am Ende noch die Oberfläche versiegelt. "Dafür probiere ich Verschiedenes aus, zum Beispiel Farben, die man für Holzspielzeug verwendet, aber etwa auch Wachs von alten Kerzen."

Holzleder anfangs steif

Seine Taschen bietet er in einem Online-Shop an, doch am liebsten verkaufe er auf Märkten, sagt Stockinger. Er wird auch an diesem Wochenende mit einem Stand auf der Wefair, einer Nachhaltigkeitsmesse in Wien, vertreten sein. Der Grund, weshalb er seine Produkte bevorzugt persönlich verkauft: "Sie sind erklärungsbedürftig." So müsse er den Kundinnen und Kunden etwa vermitteln, dass Holzleder "Geduld verlangt". Zu Beginn sei es sehr steif, erst durch das Tragen und Benutzen werde es weich. "Erst dann fühlt es sich wirklich an wie Leder."

Das Holzleder, das Rupert Stockinger herstellt, ist hauchdünn.
2g8er

Stockinger ist überzeugt, dass sein Leder im Vergleich zur tierischen Variante nachhaltiger ist. Es kämen keine giftigen Stoffe zum Einsatz, er achte genau darauf, dass die Farben so umweltfreundlich wie möglich sind. Außerdem erfolge die Produktion in Europa. Die meisten Arbeitsschritte erledigt Stockinger in einer Lagerhalle in Niederösterreich. Die Versiegelung übernehme mittlerweile eine italienische Firma. Um die Lebensdauer der Taschen zu verlängern, biete er auch einen Reparaturservice an. Hat ein Produkt endgültig ausgedient, könne es zurückgeschickt und recycelt werden.

"Vielversprechendes" Produkt

Jia Min Chin von der Universität Wien hält Holzleder für ein "vielversprechendes" Produkt. Sie ist Expertin für anorganische Chemie und Materialchemie und beschäftigt sich mit der Entwicklung einer besseren Materialeffizienz und -nutzung. Chin sagt: "Es ist vegan und damit ethisch natürlich die bessere Wahl, aber auch was Umweltbelange angeht. Produkte aus tierischem Leder sind extrem schlecht für die Umwelt." Grund dafür sei das Gerben und Färben, "damit das Leder weich und widerstandsfähig wird, die richtige Farbe hat und nicht verrottet". Dabei kämen zumeist schädliche Chemikalien zum Einsatz, und große Mengen an Wasser würden benötigt. Fraglich ist für die Expertin jedoch, wie langlebig Holzleder tatsächlich ist, also wie gut es der Abnutzung durch den täglichen Gebrauch standhält.

Ungefähr tausend solcher Geldbörsen fertigt Stockinger in einem Jahr.
2g8er

Laut Stockinger sind seine Produkte sogar sehr langlebig. "Kürzlich bin ich auf einem Markt einer Frau begegnet, die noch immer eine Tasche verwendet, die sie vor sieben Jahren bei mir gekauft hat." Er selbst sei überrascht, dass das Leder so lange halte.

Riecht wie Tierleder

Seit kurzem arbeitet Stockinger übrigens auch mit einem Holzleder, das nicht nur aussieht wie das tierische Pendant und sich so anfühlt – sondern auch danach riecht. Woher das rührt? Die italienische Firma, die das Holzleder für ihn versiegelt, verwende ein bestimmtes Wachs, das auch bei Schuhen zum Einsatz kommt. "Jeder Mensch kennt den Geruch und verbindet ihn automatisch mit Leder, obwohl er eigentlich von dem Wachs kommt." Das fänden aber nicht alle gut, einige Kundinnen und Kunden irritiere die Ähnlichkeit. Sie würden die anderen Produkte bevorzugen.

Rupert Stockinger mit seinem neuesten Material. Es wird mit einem Wachs versiegelt, das auch für Schuhe verwendet wird. Dadurch erinnere der Geruch an echtes Leder.
2g8er

Stockinger ist davon überzeugt, dass Lederalternativen in Zukunft immer wichtiger werden. Viele würden derzeit allerdings noch einiges an Kunststoff beinhalten. Leder aus Ananas oder Kaktus zum Beispiel bestehe bis zu 80 Prozent aus Kunststoff. Ein Material, von dem er begeistert ist, ist Pilzleder. Für die Herstellung werde kaum Kunststoff benötigt, Pilze würden schnell nachwachen, das Material könne nach Angaben der Hersteller einfach verrotten. Stockinger selbst bleibt dennoch beim Holzleder, da Holz in Österreich leicht verfügbar ist.

Sein Plan ist, künftig noch mehr Arbeitsschritte auszulagern. So möchte er mit Firmen zusammenarbeiten, die die Taschen für ihn zusammennähen. Außerdem will er sein Sortiment erweitern und auch Rucksäcke oder Reisetaschen herstellen – vielleicht ähnlich jener, die er damals zu Weihnachten seiner Frau geschenkt hat. (Lisa Breit, 11.4.2024)