Über den Anlass gibt es seit Monaten ein Tauziehen, das auf dem Verhandlungsweg keiner Lösung zugeführt werden konnte: das von Österreich unter dem Titel "Lkw-Dosiertage" bekannte System der Lkw-Blockabfertigung, mit dem die Zahl der Transit-Lkws über diverse Alpenpässe an im Vorhinein festgelegten, besonders verkehrsstarken Tagen reglementiert wird, sowie Wochenend- und Nachtfahrverbote auf der Inntalautobahn. Der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini trommelt seit Wochen gegen die von Österreich in Tirol verhängten "Transitverbote".

´Kufstein Staugefahr LKW-Blockabfertigung» steht auf der Autobahn A8 in Bayern kurz vor dem Inntaldreieck Richtung Kufstein.
Als Reaktion auf die Blockabfertigung in Tirol sperrt Bayern immer wieder Straßen abseits der Autobahnen für den grenzüberschreitenden Lastwagenverkehr.
APA/dpa/Peter Kneffel

Österreich will Kurs halten, betont Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) seit Wochen. Salvini stehe für die Profite der Frächterlobby und ignoriere die "unerträglichen Zustände" für die Tiroler Bevölkerung. Lärm, Staus und schlechte Luft – das EU-Grundprinzip des freien Warenverkehrs stehe nicht über der Gesundheit der Menschen.

Ob sich mit den Blockabfertigungen allein die angestrebte Verlagerung der Frachttransporte von der Straße auf die Schiene bewerkstelligen lässt, dafür gibt es bis dato freilich kaum Belege. Die jüngsten Transportzahlen im alpenquerenden Güterverkehr sprechen eine andere Sprache: Nach den jüngsten, im Spätherbst 2023 vom Bundesamt für Verkehr in der Schweiz für Frankreich, die Schweiz und Österreich veröffentlichten Zahlen stagnierte der Schienengüterverkehr über die wichtigsten Alpenübergänge in Europa: 2022 wurden über Österreichs Alpenpässe von Reschen bis Brenner und Tauern 14,7 Millionen Nettotonnen Bahnfracht transportiert, das sind 26 Prozent der insgesamt 55,8 Millionen transportierten Nettotonnen (ohne Tara). Im Jahr 2021 waren mit der Bahn noch 14,9 Millionen Nettotonnen transportiert worden.

Allzeithoch in Österreich

Der Straßengütertransport über Österreichs Alpenpässe hingegen erreichte 2022 mit 41,1 Millionen Nettotonnen ein Allzeithoch. Der bisherige Rekord von 40,8 Millionen Tonnen aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 wurde damit eingestellt. Über die Auslastung nach den einzelnen Pässen lässt sich daraus nichts ableiten. Die große Auswertung pro Alpenübergang wird nur alle fünf Jahre durchgeführt, die nächste sollte 2025 vorliegen.

Alpenquerender Güterverkehr in Österreich

Selbst in der Schweiz, die mit einem Modal Split von 74 Prozent als Musterland des Bahnfrachttransits gilt, ging der Güteranteil auf der Schiene von 28,4 auf 28,3 Millionen Tonnen leicht zurück. In Frankreich sowieso, aber dort setzte sich im Prinzip der vor 40 Jahren eingeleitete Niedergang fort. Denn zwar war der Straßentransit über Frejus (Richtung Turin) mit 22,1 Millionen Nettotonnen wieder leicht höher, blieb aber deutlich hinter den Werten von vor einem Vierteljahrhundert. Die Güterbahn durch den Mont Cenis ist mit 2,3 Millionen Tonnen ohnehin nur mehr ein Schatten ihrer selbst. Mitte der 1990er-Jahre wurden dort pro Jahr noch knapp zehn Millionen Tonnen transportiert.

Über die drei Alpenländer Frankreich, Schweiz und Österreich zusammen sind die Zahlen ernüchternd: Insgesamt wurde im Jahr 2022 mit 118,5 Millionen Nettotonnen so viel Fracht transportiert wie noch nie. Mit 63 Prozent Anteil am Modal Split hält der Straßengüterverkehr mit 73,2 Millionen Tonnen hartnäckig die Oberhand. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1980. Die Bahnfracht verzeichnet ebenfalls Zuwächse, zuletzt wurden 45,3 Millionen Nettotonnen transportiert. Seit 2016 reicht das aber nicht mehr für einen Vierer vor dem Komma. 45,3 Millionen Nettotonnen entsprechen gerade einmal 38 Prozent.

Zum Vergleich: 1980 brachte es die Schiene im alpenquerenden Güterverkehr mit 27,5 Millionen Nettotonnen noch auf einen Modal Split von 55 Prozent. Auf Straße und Schiene zusammen waren damals 49,8 Millionen Tonnen transportiert worden. (Luise Ungerboeck, 9.4.2024)