Ein Plakat mit einem Foto von Hedy Lamarr, dahinter die Baustelle fürs gleichnamige Signa-Projekt
Die Baustelle an der Wiener Mariahilfer Straße wird es noch länger geben, gebaut wird freilich nicht.
Foto: Regine Hendrich

Die zwei riesigen Baukräne sind längst abgebaut und abtransportiert, die Baustelle, hinter Werbewänden für das Signa-Projekt Lamarr und Absperrungen verborgen, steht seit Monaten still. Fertig ist, seit vorigem Sommer, der Rohbau jenes Gebäudes an der unteren Mariahilfer Straße in Wien, in und auf dem die Signa ihr Vorzeige-Edelkaufhaus Lamarr samt Hotel, Gastronomie und öffentlich zugänglichen Dachgärten unterbringen wollte. Der Zusammenbruch des von René Benko gegründeten Immobilienkonzerns kam dazwischen, Anfang des Jahres ging auch die Lamarr-Projektgesellschaft, die Mariahilfer Straße 10–18 Immobilien GmbH (MH 10–18 Immobilien GmbH), in Konkurs. Nun soll das Projekt verwertet werden. 50 Prozent der Projektgesellschaft gehören der thailändischen Central Group.

Eine Situation, die gemäß dem jüngsten Bericht des Insolvenzverwalters Clemens Richter von der Kanzlei Engelhart Richter Partner "ausgesprochen herausfordernd ist". Zunächst hatte die Gesellschaft nämlich null Geld zur Verfügung, sodass die mit der Sicherung der riesigen Baustelle an Österreichs größter Einkaufsstraße betrauten (aber nicht mehr bezahlten) Professionisten damit drohten, ihre Arbeit einzustellen. Zudem liefen Bewilligungen zur Nutzung öffentlicher Flächen ab, was bedeutet hätte, dass auch die "Sicherung der Baustelle vor unberechtigten Zutritten nicht mehr gewährleistet gewesen wäre", wie es im Bericht heißt. Letztlich konnte der Insolvenzverwalter dieses Ungemach abwenden: Die Banken, denen das gesamte Guthaben der MH 10–18 verpfändet wurde, gaben 600.000 Euro frei, mit denen auch die Rechnungen für Absicherung und Bewachung der Baustelle bezahlt werden können.

"Zwentendorf-Schicksal" soll vermieden werden

Nachdem diese Probleme gelöst sind, geht es nun an die Verwertung des (vermeintlichen) Herzeigeprojekts der Signa. Die ist laut dem Masseverwalter von "beispielloser Komplexität", weswegen mit Zustimmung des Insolvenzgerichts ein Immobilienexperte und Sachverständiger sowie der Berater BDO beigezogen wurden. Inzwischen wurde auch schon ein Datenraum eingerichtet, es gebe "zahlreiche" Interessenten für den Kauf der Lamarr-Gesellschaft samt Immobilie, die die Geheimhaltungserklärung unterschrieben und den Nachweis von Eigenmitteln in der Höhe von zehn Millionen Euro erbracht haben. Angesprochen werden auch Maklergesellschaften, zur Erweiterung des möglichen Interessentenkreises, wie es heißt.

Im Idealfall soll ein Käufer gefunden werden, der das Konzept der Signa weiterführen kann: Sie plante ein von KaDeWe betriebenes Luxuskaufhaus auf 23.000 Quadratmeter Nettoverkaufsfläche auf acht Stockwerken, ein Hotel mit 148 Zimmern und Veranstaltungsräumen und Gastronomieflächen von 3.000 Quadratmetern im Gebäude und von 1.500 Quadratmetern in den Außenbereichen. "Das wäre das Beste für die Gegend", glaubt ein in die Sache Involvierter, man wolle unbedingt ein "Zwentendorf-Schicksal" vermeiden. Das Atomkraftwerk in Niederösterreich wurde bekanntermaßen gebaut, aber dann nie in Betrieb genommen. Wie lang die Verwertung dauern wird, ist derzeit nicht zu sagen, der Masseverwalter muss wohl einen Balanceakt hinlegen: Einerseits darf der Zeitdruck seitens der Verkäufer nicht so hoch sein, dass er die Angebotspreise drückt, andererseits darf die Baustelle nicht Schaden nehmen, sie muss sozusagen dicht bleiben.

Zahlungsflüsse von und an Benkos Laura Privatstiftung

Was sich aus dem Bericht auch ablesen lässt, ist die spannende Entstehungs- und Finanzierungsgeschichte des Lamarr-Projekts. Gekauft wurde die Liegenschaft, auf der das Möbelhaus Leiner stand, Ende 2017 um 60 Millionen Euro durch eine Tochtergesellschaft von Benkos Laura Privatstiftung, die den Ankauf auch finanzierte. Dann holte sich die Lamarr-Gesellschaft einen 95 Millionen Euro schweren Kredit von der RLB OÖ und zahlte damit das Gesellschafterdarlehen der Laura Privatstiftung zurück. Zudem gewährte sie der Stiftung ein Darlehen von rund 27 Millionen Euro. Ende 2018 verkaufte die Laura Privatstiftung dann offenbar ihre Anteile an der Lamarr-Gesellschaft an die Töchter bzw. Enkeltöchter der Signa Prime, schreibt der Masseverwalter, und zwar inklusive der 27 Millionen Euro Schulden. Per September 2021 folgten dann zwei Verschmelzungen, durch die einerseits eine "erhebliche" stille Reserve gehoben werden konnte und andererseits Haftungen auf die neue MH 10–18 Immobilien GmbH übergingen. Und: Anlässlich der Verschmelzung nahm die Gesellschaft laut Bericht des Masseverwalters bei einem von der Unicredit Bank Austria geführten Bankenkonsortium einen Kredit von bis zu 390 Millionen Euro auf, mit dem unter anderem das Darlehen der RLB OÖ refinanziert wurde. Komplizierte Zahlungsflüsse, auch an Signa Prime, die der Masseverwalter noch prüft.

Die 72 Gläubigerinnen und Gläubiger haben im Insolvenzverfahren fast 340 Millionen Euro an Forderungen angemeldet, davon entfallen allein rund 263 Millionen auf die Bank Austria. (Renate Graber, 8.4.2024)