Wenn der Teamleiter ihre Aufgaben kontrollierte, wurde er immer plötzlich ruppig, erzählt Katja, die eigentlich anders heißt. Meistens zeigte er sich verärgert, wenn sie kleine Fehler machte oder eine Aufgabe anders löste, als er es vorgegeben hatte. Sie verlor ihre Motivation, konnte sich bei der Arbeit nicht mehr konzentrieren. Irgendwann wechselte Katja den Arbeitgeber. "Ich habe mich nicht getraut, ihn zu konfrontieren, ich dachte, einen Chef kann man eh nicht ändern", sagt die junge Frau. Heute würde sie es anders machen.

Zwei Frauen sprechen miteinander im Büro
Den Mut zu fassen und der Chefin zu sagen, dass man unzufrieden ist, braucht Vorbereitung.
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Ähnlich wie Katja haben viele Berufsanfänger das Gefühl, nicht anecken zu dürfen, auch wenn sie unglücklich sind. Angst, gekündigt zu werden, taucht auf, oder die Sorge, bei der Führungskraft keinen guten Ruf mehr zu haben. Viele kostet es Überwindung, Fehlverhalten der Chefriege anzusprechen oder die Dynamik im Team zu kritisieren.

Wie viele sich Gedanken darüber machen, was sie im Job ansprechen können, zeigt auch eine Umfrage aus dem Vorjahr. Marketagent befragte im Auftrag des Jobportals Karriere.at 860 berufstätige Menschen. Ein Viertel benötige Mut, um Veränderungen anzustoßen und damit auch Unsicherheiten in Kauf zu nehmen. Dabei zeigen auch unterschiedliche Studien, dass es Beschäftigten immer wichtiger wird, dass ihr Arbeitgeber ihre Werte vertritt und sich auch für Gerechtigkeit am Arbeitsplatz einsetzt.

Richtig durchdenken

Mut zu fassen und anzusprechen, was stört, kann viele Missverständnisse aus dem Weg räumen – und bedeutet freilich nicht gleich die Kündigung. Erst den Fall durchdenken, das Gespräch planen und dann konfrontieren ist ein sinnvoller Plan, sagt Marilyn Hamminger, Trainerin, Coach und Beraterin für Unternehmen mit den Schwerpunkten Stress- und Konfliktmanagement sowie Teambuilding. Mit der richtigen Vorbereitung könne der Mut für ein unangenehmes Gespräch angelernt werden:

Positive Erfahrungen

Bevor das Gespräch losgeht, empfiehlt Hamminger, die eigene Nervosität zu akzeptieren. Man könne sich bildlich die eigenen Stärken im Job vor Augen führen und sich in besonders erfolgreichen Situationen vorstellen. So internalisiere man die eigene Kompetenz und gehe sicher in das Treffen. Bei vielen lohnt es sich, wie etwa bei Carina*. Ihre Chefin war Raucherin, sie selbst auch. Auf dem Raucherbalkon gab sie Carina und anderen Rauchenden wichtige Informationen weiter, die aber nicht zu den Nichtrauchern im Team durchdrangen. Sie vereinbarte dennoch ein Gespräch mit der Chefin und erklärte ihr das Problem mit ihrer Kommunikation.

Ihre Vorgesetzte reagierte verständnisvoll, sagt Carina. Sie habe ein Jour-fixe-Frühstück eingeführt, bei dem fortan alle wichtigen Informationen an alle kommuniziert wurden. Verlaufe eine Konfrontation immer wieder enttäuschend, müsse man – unabhängig vom bewiesenen Mut – überlegen, ob man in dem Job bleiben möchte, sagt Hamminger. Will man bleiben, zahle sich aber die stetige emotionale Arbeit meist aus. (Melanie Raidl, 12.4.2024)