Alexander Joel.
Alexander Joel dirigiert "La Rondine" an der Volksoper.
Julia Wesely

"Um Gottes willen, in der Liga bin ich nicht! Es ist keine Neukomposition, vielmehr eine Collage aus Themen der Oper, die zu einem eleganten Schluss führen", beschwichtigt Alexander Joel. Er dirigiert nicht nur die mittwöchige Volksopern-Premiere von Puccinis La Rondine – er hat auch einen neuen Musikschluss erarbeitet. Mit Vollendern unvollendeter Opern wie Friedrich Cerha (Alban Bergs Lulu) oder Franco Alfano (Puccinis Turandot) will er jedoch keinesfalls verglichen werden.

Alexander Joel, Halbbruder des hin und wieder anonym nach Wien reisenden Popklassikers Billy Joel, will in den dreieinhalb Minuten Musik, die er zusammengebastelt hat, also keine große Angelegenheit sehen. Aber die Kurzmusik musste sein. "Die Oper endet verwunderlich – man fragt sich: Das war's? Wie konnte ihm so ein Schluss passieren? Da ist kein Gefühl eines großen Finales! Von der Dramaturgie her ist Puccini doch immer genial!" Bei La Rondine aber hat er offensichtlich gelitten, auch inhaltlich. Zum zentralen Liebespaar hinterließ er nicht weniger als drei Schlüsse ...

Puccini und seine Heldinnen

Einmal verlässt Magda ihren Ruggero, weil sie ihm ihre Vergangenheit als Kurtisane nicht zumuten will. Dann wieder will sie zurück in die Welt, aus der sie kam. In einer dritten Version erfährt wiederum Ruggero von Magdas Vergangenheit und verlässt sie. Auch Volksopern-Intendantin und Regisseurin Lotte de Beer fand diese Schlüsse aus heutiger Sicht nicht mehr darstellbar. Sie entwarf denn auch "eine Hommage an Puccini und seine Heldinnen", erzählt Joel. Mehr wird nicht verraten, wobei: Joel, der an der Volksoper als Erster Gastdirigent wirkt und international viel unterwegs ist, findet La Rondine ansonsten großartig.

Das Auftragswerk des einstigen Wiener Carltheaters stehe zwischen den Genres, "man hatte ja bei Puccini eine Operette bestellt. Es klingt ein bisschen, als würde Lehár eine Oper schreiben wollen". Joel kann und kennt Oper und Operette. "Tosca, Bohème und Butterfly habe ich jeweils rund 100-mal dirigiert", erzählt er. Und in Hinblick auf die Operette war das Stadttheater Baden wichtig, wo er als junger Kapellmeister die entsprechende Tradition verinnerlichte.

Wie schwer Operette ist

Gewisse Eigenheiten des Genres sind zu erahnen, wenn man, obwohl 1971 in London geboren, in Grinzing aufwuchs – direkt neben einem Heurigen. "Ich habe als Kind vor dem Schlafengehen Heurigenlieder vom Schanigarten aus gehört. Wienerlieder sind ja ein Pendant zur Wiener Operette. Wobei: Jeder Dirigent weiß, wie schwer Operette zu dirigieren ist. Es muss organisch, fließend, aber nicht gehetzt musiziert werden. Das Rubato muss perfekt dosiert sein – zu wenig ist fad, zu viel ist Kitsch."

Diese Attribute sind auch notwendig, um eine Puccini-Oper zu dirigieren. Auch bei La Rondine, bei der Joel, der Arrangeur, den letzten seltsamen Akkord strich. Aber, wie gesagt: Nennen wir ihn nicht Komponisten. Das wäre eine Zuschreibung, die auf seinen Halbbruder Billy zutrifft, mit dem er sich gut versteht und mit dem er jenen deutsch-jüdischen Großvater Karl Joel teilt, der einst aus Nürnberg vor den Nazis in die USA flüchten musste. (Ljubiša Tošić, 10.4.2024)