Wie eng waren die Verbindungen zwischen dem früheren Wirecard-Vorstand Jan Marsalek und der FPÖ – und welchen Einfluss hat der gebürtige Wiener auf die Politik der Rechts-außen-Partei genommen? Diese Fragen stellen sich einmal mehr, seit Marsaleks langjährige Verbindungen zu russischen Geheimdiensten offengelegt worden sind.

Hatten beste Kontakte nach Russland: Johann Gudenus (Mitte) und Heinz-Christian Strache (ganz rechts). Im Bild mit Viktor Orbán (links) und Norbert Hofer
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Unterlagen bestätigen, dass sich der Wirecard-Manager mit Kickls damaligem Büroleiter Reinhard Teufel und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus getroffen hat, um im Innenministerium seine Ideen zur Flüchtlingspolitik zu präsentieren. Mit dabei war neben diversen Beamten auch Florian Stermann, damals Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG).

Er erklärte gegenüber Ermittlern, dass Marsalek damals die Idee gehabt habe, Flüchtlinge in Ägypten "abzufangen" und in Lagern zu internieren. Das sei in Chats als "Projekt Pyramide" bezeichnet worden. "In diesem Zusammenhang gab es einen Termin im BMI", also dem Innenministerium, gab Stermann an.

Hinweise auf ein solches Treffen gab es aufgrund von publik gewordenen Chats zwischen Stermann und Gudenus schon länger. Dass der Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft den Termin unter Wahrheitspflicht bestätigt hat, war bislang unbekannt, erst diese Woche wurde seine Aussage vor der Staatsanwaltschaft bekannt.

Gudenus vermittelte Marsalek

Teufel, heute Klubobmann in Niederösterreich, sagte auf Anfrage von STANDARD und "Profil", der Termin sei über Johann Gudenus vermittelt worden. "Gudenus sagte mir nur, dass er jemanden an der Hand habe, der sich vor Ort in Ägypten auskenne und auch über gute Kontakte in die USA verfüge und uns so Möglichkeiten zur Eindämmung der Flüchtlingssituation eröffnen könne", so Teufel. Er habe daraufhin die Beamtenebene einbezogen. Wirecard sei damals ein anerkanntes Unternehmen gewesen und ohnehin seit 2004 in einer Geschäftsbeziehung mit dem Innenministerium gestanden.

Reinhard Teufel (FPÖ) und FP-Landesparteichef Udo Landbauer.
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Bei dem Termin sei es um "die Möglichkeit einer Anlandungsplattform für Flüchtlinge aus Afrika" gegangen. "Dort sollten auch Asylanträge gestellt werden können, damit die Schlepperrouten und die vielen Toten im Mittelmeer beendet werden. Diese menschenunwürdige Vorgehensweise sollte damit ein für alle Mal abgestellt werden", erklärte Teufel. Die Infos schienen jedoch unkonkret, daher habe es keine Folgegespräche gegeben. Davon habe Teufel auch Kickl informiert. Marsalek habe Teufel weder davor noch danach getroffen.

Freundschaftsgesellschaft als Drehscheibe

Warum Stermann, der Chef der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG), bei diesem Termin dabei war, ist unklar. Er selbst will Marsalek im Jahr 2009 kennengelernt haben, auf Vermittlung des Wirecard-Chefs Markus Braun. Der deutsche Finanzdienstleiter, der im Jahr 2020 spektakulär krachen ging, unterstützte die ORFG in den folgenden Jahren finanziell. Über den Verein soll Marsalek auch Kontakt zum langjährigen FPÖ-Politiker Johann Gudenus geknüpft haben.

In Chats fungierte Stermann offenbar als eine Art Postbote zwischen Marsalek und Gudenus. Dabei ging es vor allem um Interna aus dem Verfassungsschutz und dem Innenministerium, die Stermann von Marsalek an Gudenus weitergeleitet hat. Der Wirecard-Manager, der heute mutmaßlich für russische Geheimdienste arbeitet, habe "extrem viele Quellen" gehabt, sagte Stermann den Ermittlern. Er habe dessen Infos an Gudenus weitergeleitet, "ohne die Hintergründe zu kennen". Mittlerweile ist bekannt, dass der frühere BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss sowie der Ex-Agent Egisto Ott beide für Marsalek tätig waren. Zum Zeitpunkt der meisten Chats waren sie jedoch nicht mehr im Verfassungsschutz im Einsatz, hatten dort aber weiterhin ein breites Netzwerk.

Marsalek und die FPÖ

Marsalek sei wichtig gewesen, dass die türkis-schwarze Koalition funktioniere, erklärte Stermann weiters. Er selbst sei kein FPÖ-Mitglied; er kenne einige Mitarbeiter von Innenministerium und BVT über seine Tätigkeit bei der Freundschaftsgesellschaft.

Der Manager, der geschäftlich seit den 1990er-Jahren einen Russland-Bezug aufweist, arbeitete laut internen E-Mails immer wieder für Marsalek und war auch bei Geschäftsterminen in Russland dabei. Die ORFG zersplitterte sich im Zuge der Marsalek-Affäre. Stermann trat als Präsident zurück, er soll aber weiterhin viel Einfluss dort ausüben. Auf Anfrage von STANDARD und "Profil" äußerte er sich nicht.

"Wir sehen die ORFG als Drehscheibe für den russischen Einfluss in Österreich", sagt der grüne Sicherheitssprecher David Stögmüller. In dieser Gesellschaft "hat Russland sich aktiv an Abgeordnete, wichtige Wirtschaftsbosse und Beamte gewandt, teure Feste gefeiert und eben seinen Einfluss ausgeweitet."

Anzumerken ist, dass Wirecard damals von großen Teilen auch der deutschen Politik hofiert wurde und noch kein Spionageverdacht auf Marsalek lag. Dessen Chef, Wirecard-CEO Markus Braun, war etwa im Thinktank des Bundeskanzleramts unter Sebastian Kurz (ÖVP) aktiv; zuvor hatte er sich bei den Neos engagiert. Der heutige FPÖ-Chef und frühere Innenminister Herbert Kickl hat persönliche Treffen mit Marsalek stets vehement bestritten, darauf gibt es auch keine Hinweise. (Fabian Schmid, 10.4.2024)