Marisa Abela als Amy Winehouse im traurigen Märchenfilm
Marisa Abela als Amy Winehouse in "Back to Black": Sie wollen, dass sie in die Rehaklinik geht. Das will sie aber nicht.
Dean Rogers / Focus Features

Als Amy Winehouse 2011 kurz nach einer erfolgreichen Entziehungskur allein und ohne Beistand in ihrem Haus an einer Alkoholvergiftung starb, hatte der berühmte Klub 27 nach Jim Morrison, Janis Joplin, Jimi Hendrix, Brian Jones oder Kurt Cobain wieder einmal ein neues Mitglied bekommen. Allesamt starben im Alter von 27 Jahren an einem Lebensstil, der gern mit dem wilden und unbezähmbaren Geist des Rock 'n' Roll in Zusammenhang gebracht wird. Im Wesentlichen aber geht es um Selbstzerstörung durch Drogen: früher Ruhm, jugendliche Unvernunft, Erfolgsdruck, blöde Geschichten, die ewige Verfolgung durch die Klatschpresse (heute Social Media), Depressionen, Angststörungen, wunschloses Unglück. Die ganze Palette.

Gleichsetzung von Werk und Autor

Auch in Back to Black, einem Spielfilm über die Verfallsbiografie von Amy Winehouse, wird wieder einmal ein entscheidender Fehler viel zu vieler biografischer Auseinandersetzungen mit Künstlern und Künstlerinnen begangen. Die Work-Life-Balance mag vor allem bei Pop- und Rockstars von vornherein nicht hinhauen. Stichwort: Lebensgier. Allerdings darf man deswegen auch nicht in die Falle tappen, Autor und Werk gleichzusetzen. Die sonst vom John-Lennon-Biopic Nowhere Boy oder zwei erotischen Spielfilmen im Zeichen von Kabelbindern namens Fifty Shades of Grey bekannte britische Regisseurin Sam Taylor-Johnson hat sich in Back to Black genau das zum Ziel gesetzt.

So hantelt sich also der Film an den biografischen Stationen der Winehouse chronologisch entlang und zeigt, wie auch diese selbst angeblich Kunst und Leben gleichsetzte. Da werden im Jugendzimmer im Souterrain mit akustischer Gitarre mehr Tief- als Höhepunkte ihres Lebens entsprechend ohne reflexiven Filter komponiert und verarbeitet. Love Is a Losing Game. Ja, eh. Bei so viel Rezeptionsroutine muss das Publikum aber auch einmal erwägen, dass jemand, dem es wirklich schlecht und dreckig geht, möglicherweise nicht zur Laute greift und lyrisch den Lauf der Welt beklagt, sondern sich lieber unter der Decke verkriecht und heult.

Focus Features

Mit Marisa Abela hat man eine sympathische Hauptdarstellerin gefunden, die bisher nur im Blockbuster Barbie einen Kurzauftritt hatte und sonst von der britischen Neo-Yuppie-Serie Industry bekannt sein könnte. Sie macht sich gut in der Rolle einer jungen Arbeiterklasseprinzessin aus dem Londoner Vorort Southgate. Vor allem vor Beginn ihrer Karriere wird Amy Winehouse als ambitionierte und kulleräugig-zukunftsfrohe Sängerin im Kreis ihrer Lieben dargestellt.

Sie vergöttert den Jazz und dessen große Sängerinnen Ella Fitzgerald, Billie Holiday, Sarah Vaughan und Dinah Washington. "I'm not a fucking Spice Girl!", wird es da heißen. Sie lebe ihre Musik. Punkt und Mittelfinger. Mit banalem Pop möchte sie nichts zu tun haben. So singt sie zu Beginn während einer Familienfeier einen alten Hadern von Frank Sinatra: "Fly me to the moon / Let me play among the stars!"

Auf Playback wird in Back to Black verzichtet. Marisa Abela interpretiert die heute etwas abgespielten Titel beachtlich glaubwürdig selbst. Das wurde ihr schon im Vorfeld der Kinopremiere von diversen Winehouse-Sekten recht zornig angekreidet, schadet aber dem Märchenfilm mit den vielen F-Worten von der guten Prinzessin, dem bösen Prinzen und den vielen Drogen keineswegs.

Es bleibt hellgrau

Amy Winehouse wird also in einem kleinen Londoner Club nicht nur als Künstlerin entdeckt, die schon früh diversen Substanzen mit großer Aufgeschlossenheit begegnet. Während ihres Aufstiegs zum Star lernt sie auch ihre große Liebe, den Strizzi Blake Fielder-Civil, kennen. Der macht sie musikalisch folgenreich mit Sixties-Girlgroups wie The Shangri-Las bekannt (Leader of the Pack) und nutzt sie als finanziell gut aufgestellte Nahversorgerin für eine gemeinsame Suchtspirale nach unten. Zum Alkohol gesellen sich Koks und Crack, Skandale, Bulimie, Depression, Erschöpfung.

Der böse Prinz verlässt sie, die geliebte Großmutter als letzter Anker stirbt. Auftritte werden kurzfristig abgesagt. Das Ende ist absehbar. Möglicherweise tiefere psychologische Ursachen bleiben an der Oberfläche. Es ist, was es ist. Dazu läuft fast ständig die gar nicht so gut gealterte, sehr glatt produzierte Musik im Zeichen eines nachgestellten Soul aus den 1960er-Jahren.

Bevor sie endgültig kaputtgeht, bringt sie der Vater, der, obwohl im realen Leben als Trittbrettfahrer durchaus umstritten, im Film sehr sehr gut wegkommt, in die Rehaklinik: "They tried to make me go to rehab / But I said no, no, no!" Der Film endet mit einem sturzbetrunkenen Auftritt von Winehouse. Er wird als ihr großer letzter Sieg verkauft. Das alles ist schön langweilig im gängigen gegenwärtigen Biopic-Stil gefilmt (Whitney Houston, Milli Vanilli, Bob Marley...), bleibt allerdings strikt an der Oberfläche. Schwarz will zurück zu Schwarz, es bleibt leider nur hellgrau. Bis heute hat Winehouse mehr als 40 Millionen Tonträger verkauft. Der Film dürfte dem nicht schaden. (Christian Schachinger, 11.4.2023)