Die Mutter Oberin Silvia (Sonia Braga) hat die Novizin Margaret (Nell Tiger Free) fest im Griff.
Die Mutter Oberin Silvia (Sonia Braga) hat die Novizin Margaret (Nell Tiger Free) fest im Griff.
Moris Puccio

Der Beginn ist zu schön, um wahr zu sein. Die Amerikanerin Margaret (Nell Tiger Free), eine elegant gekleidete Novizin mit schüchterner Miene, landet am Flughafen von Rom, und der bittersüße Sound von Lee Hazlewood legt sich wie ein sanfter Schleier um die Anfang der 1970er-Jahre angesiedelte Szenerie.

Margarets Empfang durch Kardinal Lawrence (Bill Nighy) ist väterlich, doch im Auto kippt die Stimmung. Schläge prasseln auf die Scheiben. Und nein, es sind nicht die Abgesandten des Teufels, die Ihre Heiligkeiten hier bedrohen, es sind protestierende Studenten, die die Straßen fluten. Wir befinden uns schließlich in der Hochzeit der Studentenunruhen.

Die Novizinnen in der Italodisco

Eine Hochzeit mit Christus war damals bei den jungen Leuten nicht besonders angesagt. Margaret meint es trotzdem ernst. Das klösterliche Waisenhaus, in dem sie sich auf die Aufnahme in den Orden vorbereitet, ist auf den ersten Blick ein freundlicher Ort. Den Kindern geht es gut, die Nonnen haben Spaß. Vor allem ihre Mitbewohnerin, die fröhliche Novizin Luz (Maria Caballero). Mit ihr lässt es Margaret sogar in der Italodisco krachen.

Doch dann trifft Margaret auf Carlita, eine Waise, die von den anderen Kindern abgeschottet wird und gruselige Zeichnungen kritzelt. Und auf Vater Brennan (Ralph Ineson), einen Außenseiter mit bassiger Stimme, der Margaret über die dubiosen Fortpflanzungsexperimente des Ordens aufklärt.

Grandios besetzt

Das klingt nach Trash, ist aber keiner. Was einerseits daran liegt, dass das Filmdebüt der ehemaligen Fotojournalistin Arkasha Stevenson ein Gespür für spannende, bewegte (!) Filmbilder hat und elegant inszeniert ist. Andererseits ist es das Verdienst der 24-jährigen Britin Nell Tiger Free, die als Margaret alle Genre-Schauspielregister zieht: Züchtig sein, schreien, verrenken – Free kann es.

20th Century Studios

An der Besetzung hängt nicht zuletzt der Erfolg der Omen-Reihe. Denn hätte 1976 nicht der sechzigjährige Gregory Peck im ersten Teil die Rolle des verzweifelten Vaters übernommen, hätte der Film – der damals von der Kritik als schlechter Abklatsch von Rosemarys Baby und Der Exorzist verrissen wurde – wohl kaum derart eingeschlagen: Drei Nachfolgefilme und ein Remake zog der Stoff rund um das Antichrist-Baby Damien nach sich.

Weltmachtanspruch und Missbrauch

Beim Wiedersehen der alten Filme ist vor allem die politische Idee reizvoll. Denn die Reihe beweist, dass sich die katholische Kirche sehr gut mit Macht und Herrschaft auskennt. Dass Damien der Machtelite der USA untergejubelt wird, um irgendwann reale Chancen auf das Präsidentschaftsamt zu haben, ist ein kluger, satanischer Zug. Letztlich ist es eine Filmreihe über den politischen Aufstieg eines skrupellosen und privilegierten jungen Mannes.

In Das erste Omen nimmt Stevenson vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umbrüche der 1970er-Jahre stattdessen den heiklen Umgang der Kirche mit Kindern und alleinstehenden Müttern in den Blick. Missbrauchsthemen schwelen unter der Oberfläche, während grusiger Körperhorror für Schockmomente ganz abseits billiger Jump-Scares sorgt.

Eine Schakalsmutter, wie im Gregory-Peck-Original angedeutet wird, darf man sich aber nicht erwarten. Die Abweichung vom Original sollte man Stevenson jedoch verzeihen. Mit Das erste Omen ist ihr ein außerordentliches Genrefilmdebüt und eine glänzende Vorgeschichte zur Horrorfilm-Reihe gelungen. (Valerie Dirk, 11.4.2024)