Arnold Schönberg in einem Photomaton, Berlin, 1930
Arnold Schönberg in einem Photomaton, Berlin, 1930.
Schönberg Center

Gibt es Fotos, auf denen Arnold Schönberg lacht oder zumindest verschmitzt dreinblickt? Ja, allerdings stehen sie nicht im musikhistorischen Rampenlicht. Die bekannten Fotozeugnisse sind von tiefem Ernst getragen. Die malerischen Selbstporträts Schönbergs zeigen wiederum einen ins Melancholische tendierenden fragilen Menschen, der bei aller emotionalen Beschwernis aber um sein innovatives Potenzial weiß.

Wer die strenge Lehre der Zwölftonmusik erfand, muss wohl auch sonst ein gestrenger Zeitgenosse gewesen sein? Es gibt dazu Geschichten. Der Jazzpianist und Komponist Dave Brubeck, so eine Anekdote, war zwecks Unterrichts bei Schönberg. Nur einmal. Der Lehrer verlangte angeblich von Brubeck, er möge ihm zu jeder Note, die er zu Papier gebracht hatte, erklären, warum sie ebendort stehe.... Nein, die beiden kamen nicht zusammen.

Er machte das Mittagessen

Im Buch Euer Ani, Ini, Arnold Daddi, schildern Schönbergs Kinder Nuria, Ronald und Lawrence Schönberg nun allerdings auch jene andere, private Seite jenes Künstlers, dessen Flucht vor den Nazis in die USA einen elementaren biografischen Bruch darstellte. Der Buchtitel zitiert die heitere Schlussvolte eines väterlichen Briefs an die Kinder.

Auch wenn im Exil nichts ohne seine zweite Frau Gertrud Schönberg bewältigt wurde, die unter anderem für die Zeitoper Von heute auf morgen unter dem Pseudonym Max Blonda das Libretto schrieb, erinnert sich Sohn Ronald heiter an Papa, den Koch. "Natürlich muss ich erwähnen, dass mein Vater unsere Mittagessen anrichtete. Und das war beides: Gut und schlecht, denn mochten wir die Speise, bekamen wir diese etwa dreißig Tage lang hindurch serviert." Daneben habe es phasenweise jeden Tag auch Erdnussbutter-Marmelade-Sandwich und Sardinensandwich mit Butter gegeben. Selbstverständlich hatte Vater "andere Dinge zu tun, doch anstatt die Oper Moses und Aron fertigzustellen, machte er uns Mittagessen".

Dem Boxsport nicht abgeneigt

Das Buch ist natürlich keine reine Anekdotensammlung, welche den ernsten historischen Hintergrund ausblendet. Es erinnert zwar daran, dass der Künstler gerne Tennis spielte (u.a. mit dem Komponisten George Gershwin) und auch dem Boxsport nicht abgeneigt war. Schönberg wird als Fan des Schwergewichtlers Joe Lewis geoutet, dessen in der Musik offensichtlicher Hang zur Systematik auch im Alltag für Effizienz sorgte. Schönberg hat auch ein Regelwerk fürs Geschirrspülen erstellt.

Aus den Erinnerungen der Kinder heraus leuchtet aber letztlich vor allem die ganze Komplexität einer dramatischen jüdischen Lebenssituation auf. Trotz der politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts versucht eine Familie auch – vor allem den Kindern – so etwas wie Unbeschwertheit zu erkämpfen. Selbstredend ging es für Schönberg persönlich immer auch um die Rettung der eigenen Würde als selbstbewusster Künstler.

Ruhe für die neuen Töne

Stille gehörte unbedingt dazu, erinnert sich Ronald: "Er komponierte zu keiner bestimmten Zeit. Wenn aber, dann hieß es 'Ruhe, Ruhe Ruhe!'", während sich Schönberg in seine Räume zurückzog, welche für die Kinder versperrt waren. "Er bewahrte dort seine Sachen auf. Nur mit ihm gemeinsam hielten wir uns in diesen Räumlichkeiten auf."

Je länger man in die Erinnerungen eintaucht, die Karin Wagner mit biografischen Exkursen bereichert, desto intensiver dominieren die Auswirkungen des erzwungenen Exils. Identitätsfragen werden offenbar, ökonomische Probleme und auch eine gewisse Reserviertheit gegenüber Schönbergs Werk in den USA. Vieles aber war auch für Kinder ein Rätsel. Die Eltern sprachen nicht mehr über Österreich und Wien. Das sei bei den Schönbergs anders gewesen als bei vielen jüdischen Geflüchteten, erinnert sich Lawrence. Wäre Schönberg nach Wien zurückgekommen, wenn es seine Gesundheit erlaubt hätte? Lawrence glaubt es nicht. (Ljubiša Tošić, 10.4.224)